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Eigentlich sollte das Memorial-Day-Wochenende für alle Bewohner von North Bath eine Zeit der Ruhe und Besinnung sein. Aber in diesem Jahr ist es, als hätte jemand ungebeten die Büchse der Pandora geöffnet. Chief Raymer, der Leiter der Polizeidirektion, kollabiert auf einer Beerdigung, fällt ins offene Grab und verliert dabei das einzige Beweisstück dafür, dass seine Frau ihn betrogen hat. Die Wand eines Gebäudes, das der impotente Bauunternehmer Carl errichtet hat, stürzt ein. Und zu allem Übel ist auch noch eine illegal gehaltene Giftschlange entwischt und irgendwo unterwegs in den Straßen der Kleinstadt an der Ostküste.

Chief Raymer schreitet zur Tat, um wieder Ordnung in das verheerende Chaos zu bringen. Und um dem Mann auf die Schliche zu kommen, der ihn gehörnt hat. Aber auch die anderen Bewohner der Stadt müssen an diesem Wochenende Farbe bekennen …

›Ein Mann der Tat‹ zieht uns hinein in die Leben der Menschen von North Bath. Dieser bis ins letzte Detail liebevoll ausgestaltete, kluge und unterhaltende Roman unterstreicht ein weiteres Mal, dass Richard Russo zu den großen amerikanischen Erzählern der Gegenwart gehört.

Autor

© Elena Seibert

Richard Russo, geboren 1949 in Johnstown, New York, studierte Philosophie und Creative Writing und lehrte an verschiedenen amerikanischen Universitäten. Für ›Diese gottverdammten Träume‹ (DuMont 2016) erhielt er 2002 den Pulitzer-Preis. Bei DuMont erschien außerdem 2010 ›Diese alte Sehnsucht‹. In seinem neuen Roman kehrt der Autor zurück zu den Helden aus ›Ein grundzufriedener Mann‹, dem Buch, mit dem ihm in Amerika der Durchbruch gelang. Russo lebt mit seiner Familie in Boston und an der Küste Maines.

Monika Köpfer war Lektorin bei zwei Münchener Publikumsverlagen und ist heute freie Lektorin und Übersetzerin. Zu den von ihr übersetzten Autoren zählen u. a. Mohsin Hamid, Naomi J. Williams, Richard C. Morais, Milena Agus, Fabio Strassi, Theresa Révay und J. L. Carr.

Richard Russo

Ein Mann der Tat

Roman

Aus dem Englischen
von Monika Köpfer

 

 

 

 

Für Howard Frank Mosher

Dreieck

Durch den Hilldale-Friedhof in North Bath verlief mittendurch eine zweispurige Straße – in kolonialen Zeiten ein Karrenweg –, die den Friedhof in die beiden Bereiche Hill und Dale teilte. Schon die ersten wackeren Bewohner der Stadt waren sich der Tatsache bewusst, dass sie sterblich waren, doch schienen sie sich gehörig verschätzt zu haben in Bezug darauf, wie häufig Menschen starben und wie viel Platz noch vonnöten sein würde, um all jene aufzunehmen, die künftig den grimmigen Wintern, gewaltsamen Auseinandersetzungen mit Wilden und allen möglichen Krankheiten zum Opfer fallen würden. Oder hatten sie sich vielmehr in Bezug auf das Leben, ihre Fähigkeit, sich fortzupflanzen, verschätzt? Ironischerweise lief es auf das Gleiche hinaus. Das kahle Stück Land, das man jenseits des Stadtrands als Friedhof vorgesehen hatte, wurde nach und nach bevölkert, dann überbevölkert und war irgendwann heillos überfüllt, bis der Tod schließlich jede Beherrschung verlor und sich der Friedhof immer weiter über die inzwischen geteerte Straße hinweg ausdehnte, die zur Autobahn führte. Wo es als Nächstes hingehen würde, wusste niemand zu sagen.

Das Ulmensterben in den Siebzigern und auch der in jüngerer Zeit auftretende Pilzbefall der Baumwurzeln, der sie zuerst lockerte und dann sich zusammenziehen ließ, sodass die Erde hie und da unvermittelt aufgeworfen wurde, hatten ihre Spuren hinterlassen. Trotzdem war der Bereich Hill noch immer idyllisch, er bot den Besuchern mit seinen alten, groß gewachsenen Bäumen Schatten und Abkühlung. Durch das sanfte, hügelige Terrain und die mäandernden Kieswege herrschte hier eine natürliche, wohltuende Atmosphäre, und man gewann fast den Eindruck, als wären die Menschen, deren Überreste unter den pittoresken Hügeln begraben waren – manche davon noch vor dem Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg –, aus freien Stücken und nicht aus purer Not in diese Gegend gekommen. Es schien, als wären sie nicht gestorben, sondern schlummerten friedlich unter der Erde und den schiefen Grabsteinen, die ihrerseits wie keck auf dem Kopf sitzende verwitterte Hüte anmuteten. Wer wollte den Toten einen Vorwurf machen, dass sie es vorzogen, ihr Nickerchen um ein weiteres Jahrhundert oder so auszudehnen, angesichts der Aussicht, sich beim Aufwachen in einer noch mehr von Mühsal bestimmten Welt wiederzufinden als der, die sie verlassen hatten?

Im Gegensatz dazu war Dale, der neuere Bereich, flach wie eine Resopaltischplatte und vom selben ästhetischen Wert. Die geteerten Wege waren gitterförmig angelegt, die jüngeren kahlen Gräber lagen dicht an dicht, und der Rasen, vor allem der Teil direkt neben der Autobahn, glich einem Flickenteppich aus kränklich gelben und braunen Stoffresten. Das benachbarte Ackerland, wo vor einigen Jahren beinahe ein Freizeitpark namens Ultimate Escape Fun Park entstanden wäre, war ein übel riechender Morast. Immer wenn es stark regnete, unterspülte neuerdings das verseuchte Sickerwasser des Ackers die Straße, lockerte die Friedhofserde und zerrte die Särge der kürzlich Bestatteten hangabwärts. Nach einem kräftigen Nordoststurm konnte man nicht sicher sein, dass das Grab, das man besuchte, denselben Sarg barg wie noch eine Woche zuvor. Bei all dem Sickerwasser hätte der Bereich Dale eigentlich üppig grün sein sollen, doch das Gegenteil war der Fall, und manch einer wunderte sich über die paradoxe Situation: Alles, was man pflanzte, verschrumpelte und starb binnen kurzer Zeit, wie aus Mitleid mit den ständigen, wenngleich unsteten Bewohnern. Irgendeine Art von Kontaminierung müsse schuld daran sein, meinten die Leute. Diese stinkenden Äcker waren, solange man zurückdenken konnte, als inoffizielle Müllhalden missbraucht worden, weshalb die Planer des Freizeitparks sie so billig erwerben konnten. Erst kürzlich waren hier während einer ausgedehnten Dürre Dutzende leckende Metallfässer, verziert mit Totenschädeln und gekreuzten Knochen, zum Vorschein gekommen. Einige waren alt und rostig und sonderten alle möglichen zweifelhaften Flüssigkeiten ab; andere, die etwas frischer aussahen, waren mit dem Schriftzug Chrom etikettiert, was einen schweren Verdacht auf Mohawk lenkte, eine benachbarte Stadt, in der es einmal zahlreiche Gerbereien gegeben hatte, doch wurden diese Anschuldigungen umgehend vehement und größtenteils auch glaubhaft zurückgewiesen. Wer wissen wollte, was diese Gerbereien mit ihren Färbemitteln und krebserregenden Chemikalien angerichtet hatten, brauchte sich bloß die dortige Mülldeponie anzuschauen oder den Fluss, der durch die Stadt floss, oder der Onkologiestation des Krankenhauses einen Besuch abzustatten. Schön und gut, sagten sich die Leute, aber von irgendwoher mussten diese Fässer mit giftigen Schlämmen ja kommen. Wahrscheinlich von unten aus dem Süden. In dieser Hinsicht war die Geschichte des Bundesstaats New York unzweideutig. Scheiße – sowohl flüssige als auch feste, im Wort- als auch übertragenen Sinn – floss hier unter Missachtung der physikalischen Gesetze bergauf, oft bis in die Catskills oder gar in die Adirondack Mountains hinauf.

In Dale gab es keine kecken, anmutigen Grabsteine. Hier legte man sie mit Absicht flach auf die Erde, damit randalierende Halbstarke sie nicht umstoßen konnten. Beryl Peoples, die legendäre Englischlehrerin der achten Jahrgangsstufe der Middle School von Bath, die ihre düstere Einschätzung der menschlichen Natur hin und wieder im North Bath Weekly Journal mit den Lesern geteilt hatte, hatte vor dem gewarnt, was das unweigerlich nach sich ziehen würde. Angesichts all der flach liegenden Grabsteine, hatte sie gesagt, würden die Leute den Friedhof wie eine Art Supermarkt-Parkplatz behandeln und direkt zu dem Grab hinfahren, das sie besuchen wollten. Dieser Gedanke wurde als abartig und empörend zurückgewiesen, eine üble Verleumdung der Bürgerschaft sei das, aber die Wirklichkeit hatte die alte Frau längst rehabilitiert. Mittlerweile verging keine Woche, ohne dass jemand auf der Polizeistation anrief, um Anzeige zu erstatten wegen Reifenspuren auf dem Grabstein eines verstorbenen Angehörigen, und zwar genau über der Stelle, wo die Hinterbliebenen das jeweilige nach oben gerichtete selige Antlitz vermuteten. »Wie fänden Sie es, wenn jemand mit dem Pick-up über Ihren Schädel fahren würde?«, wollten die wütenden Anrufer bisweilen wissen.

Chief of Police Douglas Raymer, der in diesem Moment zu spät zur Bestattung von Richter Barton Flatt auf dem Hilldale eintraf, war bei solchen Fragen immer um eine Antwort verlegen, strotzten sie in seinen Augen doch nur so von gedanklichen Fehlern, dass man nicht einmal sagen konnte, ob es sich um wirkliche Fragen handelte. Wollten diese Leute ihn dazu bringen, ihnen den offensichtlichen Unterschied zu erklären zwischen dem Überfahren des Kopfes eines ihrer Vorfahren – sicher, ein gefühlloser, rücksichtsloser Akt – und dem Überfahren des Kopfes eines lebenden Menschen – ganz klar ein krimineller Akt, Mord, um genau zu sein? Inwiefern sollte es für ihn hilfreich sein, sich vorzustellen, wie sich das eine oder andere anfühlte? Die Leute schienen von ihm zu erwarten, dass er aus der physischen Welt und den sie bevölkernden Schurken schlau würde, wobei letztere zu viele waren, um sie zu zählen oder gar begreifen zu können, und erstere bei Weitem zu mysteriös, um sie zu ergründen. Seit wann gehörte das zum Job eines Polizeichefs? Wurden nicht Philosophen und Psychologen und Priester dafür bezahlt, die Rätsel des Lebens und der menschlichen Verhaltensweisen zu erklären? Die meiste Zeit hatte Raymer ja selbst keine Ahnung, warum er tat, was er tat, geschweige denn warum andere taten, was sie taten.

Was immer auch seinen Job ausmachte, größtenteils – und der heutige Tag bildete gewiss keine Ausnahme – war er zum Kotzen. Als Streifenpolizist hatte er sich vorgestellt, dass seine Tage als künftiger Polizeichef mit richtiger Polizeiarbeit ausgefüllt wären oder zumindest einen echten Dienst an der Öffentlichkeit bedeuteten, aber jetzt, nach zwei Amtszeiten, wusste er es besser. Natürlich erforderten die meisten Straftaten in North Bath keine anspruchsvolle kriminalistische Arbeit. Zum Beispiel, wenn eine Frau im Krankenhaus auftauchte und den Eindruck erweckte, jemand hätte sie windelweich geprügelt, sie aber behauptete, sie sei über ein Kinderspielzeug gestolpert. Und wenn man ihrem Mann einen Besuch abstattete und ihm die Hand schütteln wollte und er dann widerwillig etwas ausstreckte, was aussah wie eine monströse Frucht, violett und geschwollen, die Haut aufgeplatzt und irgendwelche Körperflüssigkeiten absondernd. Aber solche stumpfsinnigen Nachforschungen waren im Vergleich mit seinen gegenwärtigen Pflichten als Polizeichef sogar noch spannend. Wenn er nicht gerade einer Beerdigung von jemandem beiwohnte, den er nicht einmal gemocht hatte, oder zu Gruppen von »besorgten Bürgern« sprach, die weniger an seinen Lösungsvorschlägen interessiert schienen als vielmehr daran, wie viele ihrer ungehobelten Beschimpfungen er schlucken würde, war er ein besserer Sachbearbeiter, ein Beamter, der seine Zeit damit zubrachte, Formulare auszufüllen, Berichte für den Stadtrat zu verfassen und über Budgets zu brüten. An manchen Tagen kam er so gut wie gar nicht hinter seinem Schreibtisch hervor. Kein Wunder, dass er immer fetter wurde. Und die Bezahlung war auch mies. Okay, sicher, er verdiente mehr als in seiner Zeit als Streifenpolizist, aber nicht so viel mehr, als dass es diesen unentwegten Ärger kompensiert hätte. Vermutlich hätte er damit leben können, dass sein Job mies war, wenn er gut darin gewesen wäre, aber die Wahrheit war, dass er mies war. Er hatte keine Ahnung, was er ohne Charice tun würde, die ihn zu seinem steten Verdruss unermüdlich antrieb. Wobei sie recht hatte – er wurde zusehends unkonzentriert und zerstreut. Seit Becka …

Nein, er würde jetzt nicht an sie denken. Auf keinen Fall. Er würde sich auf die Gegenwart konzentrieren.

In der eine Hitze wie in Uganda herrschte. Bis Raymer den Friedhofsparkplatz überquert und die ungefähr hundert Meter bis zum offenen Grab von Richter Barton Flatt zurückgelegt hatte, um das sich ein paar Dutzend Trauergäste drängten, war er schweißgebadet. Eine solche Affenhitze hatte es im Mai noch nie gegeben. Hier, in den Ausläufern der Adirondack Mountains, war das Memorial-Day-Wochenende, der inoffizielle Sommeranfang, fast immer eine herbe Enttäuschung für die vom Winter ausgezehrte Bevölkerung, die trotz allem zu meinen schien, sie könnte den Sommer herbeizwingen. Sie veranstalteten ihr Hinterhof-Barbecue, selbst wenn die Temperatur unter zehn Grad fiel und sie ihre Parkas wieder hervorholen mussten. Sie spielten Softball, auch wenn ein eisiger Regen seit einer Woche das Spielfeld unter Wasser gesetzt hielt. Kaum ließ sich die blasse, schwächliche Sonne blicken, fuhren sie auf dem Stausee Wasserski. Dieses Jahr jedoch waren die inständigen Gebete der Menschen in North Bath erhört worden, und zwar auf eine spezielle, ironische Weise, so wie es Raymers Erfahrung nach oft der Fall war. Es war, als wollte das Schicksal Vergeltung üben: Seit drei Tagen herrschten um die fünfunddreißig Grad und keine Besserung war in Sicht.

Raymer hätte bei dem heutigen Ereignis sehr viel lieber am Rand des Geschehens gestanden und vor sich hin geschwitzt, aber er war dummerweise dem Blick des Bürgermeisters begegnet, der ihn, noch ehe es ihm gelang wegzuschauen, herbeiwinkte, damit er sich zu den übrigen Würdenträgern gesellte, eine Aufforderung, der Raymer widerstrebend nachkam. Am Tag zuvor hatte er sich nach Kräften bemüht, sich vor dieser Beerdigung zu drücken, war sogar so weit gegangen vorzuschlagen, dass Charice ihn vertreten könne, die ja ohnehin ganz wild darauf war, zur Abwechslung einmal aus dem Polizeigebäude herauszukommen. Er hatte Gus erklärt, er habe nicht nur nichts für Barton Flatt übriggehabt, sondern betrachte seine Existenz im Gegenteil als einen der zahlreichen Flüche, die auf seinem Leben lasteten. Aber der Bürgermeister hatte nichts davon hören wollen. Der Richter sei eine wichtige Persönlichkeit gewesen, und er, Gus, erwarte, dass Raymer erscheine, und zwar in seiner blauen Uniform, Hitze hin oder her.

Und hier stand er nun, unter der unerbittlichen, so gar nicht zur Jahreszeit passenden Sonne, und erwies einem Mann die letzte Ehre, der ihm während der letzten zwei Jahrzehnte nichts als Verachtung entgegengebracht hatte. Nicht, dass es nur Raymer diesbezüglich so gegangen wäre. Verachtung war die Grundhaltung des Richters gewesen, und er hatte kein Geheimnis daraus gemacht, dass er alle Menschen als korrumpierbar und nichtsnutzig betrachtete. Wenn es jemanden gab, den er noch mehr verachtete als Kriminelle, dann waren es Anwälte und Polizisten, die seiner Meinung nach eigentlich keine Fehler machen durften. Als Raymer, nachdem er aus Versehen einen Schuss aus seiner Waffe abgegeben hatte, zum ersten Mal ins Büro des Richters zitiert worden war, hatte der Richter ihn eine gefühlte Ewigkeit lang mit seinem unheilvollen Blick – sein Markenzeichen – fixiert, um seine Aufmerksamkeit dann Ollie North zuzuwenden, dem damaligen Polizeichef. »Sie wissen, warum ich es für keine gute Idee halte, Schwachköpfen eine Waffe in die Hand zu geben«, hatte er zu Ollie gesagt. »Wenn man einen bewaffnet, muss man sie der Fairness halber alle bewaffnen.« Über die Jahre hinweg hatten sich Raymer zahlreiche Gelegenheiten geboten, den Richter seine schlechte Meinung von ihm überdenken zu lassen, aber er hatte es irgendwie fertiggebracht, dass dessen Meinung von ihm noch schlechter wurde.

Es gab jedoch einen weiteren Grund, warum Raymer versucht hatte, sich um diesen Termin zu drücken. Seit Beckas Beerdigung war er nicht mehr auf dem Friedhof gewesen, und er war sich ganz und gar nicht sicher, wie er darauf reagieren würde, dass sie irgendwie in der Nähe wäre. Zwar war er sich ziemlich sicher, dass er ihren Tod inzwischen einigermaßen verwunden hatte, aber was, wenn der Schock und der Schmerz über ihren Verlust mit voller Wucht zurückkehrten und er zusammenbräche und aufgrund der Erinnerung an eine Frau zu schluchzen beginnen würde, die ihn komplett zum Narren gehalten hatte? Was, wenn die zu Recht Trauernden mitbekämen, wie er flennte? Würde ihnen sein unmännlicher Gefühlsausbruch dann nicht wie eine Verhöhnung ihrer tief empfundenen Trauer erscheinen?

»Du bist zu spät«, raunte Gus aus dem Mundwinkel, als Raymer neben ihn trat.

»Tut mir leid«, erwiderte Raymer aus dem seitenverkehrten Mundwinkel heraus, obwohl das gelogen war und er in dieser unerträglichen Hitze auch gar nicht die Energie hatte, so zu tun als ob. »Ich wollte gerade aufbrechen, als mir ein Anruf dazwischengekommen ist.«

»Und da konnte sich natürlich niemand anders drum kümmern.«

Raymer hatte eine geeignete Antwort parat. »Ich dachte, es wäre in deinem Sinn, dass ich es selbst erledige.«

Der Bürgermeister zuckte merklich zusammen. »Alice?«

»Es geht ihr gut, keine Sorge, ich habe sie nach Hause zurückgebracht.«

Alice war Gus’ Frau, die nicht ganz richtig im Kopf war und, wenn sich Raymer nicht irrte, mal wieder ihre Medikamente abgesetzt hatte. Charice, seine Kollegin, hatte ihn per Funk kontaktiert und ihm zögernd die Situation erklärt. »Wirklich?«, hatte Raymer gefragt und gespürt, wie ihm schwer ums Herz wurde. »Doch nicht wieder das Telefon?«

»Doch, genau das«, erwiderte Charice.

Diese Handys, die sich seit mehr als einem Jahr in New York und Albany verbreiteten (und es bis nach Schuyler Springs hinauf geschafft hatten), hatten sich in Bath noch nicht durchgesetzt. Gus hatte eins und drohte damit, auch Raymer eins zu verpassen, um mehr oder weniger in ständigem Kontakt mit ihm sein zu können. Alice hatte anscheinend ein paar Leute damit telefonieren sehen und es verstanden, den Umgang mit den Geräten auf ihre ganz persönliche Situation zu übertragen. Da sie keinen Grund sah, warum das rosa Telefon in ihrem Schlafzimmer nicht demselben Zweck dienen könnte, zog sie hin und wieder die Schnur aus dem Hörer und steckte den kastrierten Apparat in ihre Handtasche. Wenn sie dann in der Öffentlichkeit den dringenden Wunsch nach Konversation verspürte, nahm sie den Telefonhörer heraus und tat, als telefonierte sie mit einem richtigen Handy, und machte die Leute damit kirre.

»Warum lässt du mich das nicht übernehmen?«, hatte Charice gesagt. »Sonst kommst du noch zu spät zur Beerdigung.«

Aber Raymer widerstrebte es, es jemand anderem zu überlassen, die arme Frau nach Hause zu verfrachten. Uniformen jagten Alice oft Angst ein, aber sie war mit Becka befreundet gewesen und hatte ihn bislang immer erkannt, auch wenn sie sein Aufzug zu verwirren schien.

»Nein, ich mache das gerne«, sagte Raymer. Und das stimmte auch, er mochte diese Frau tatsächlich. Die meisten geistig Verwirrten aus Bath waren angriffslustig, Alice hingegen war lammfromm. Vor allem aber wirkte sie einsam. Beckas Tod hatte sie schwer getroffen.

»Vielleicht sollte eine andere Frau …«, wandte Charice, nicht ganz unberechtigt, ein.

»Danke, aber ich will, dass wenigstens eine Person mit kühlem Kopf in der Zentrale die Stellung hält«, erwiderte er, sein Standardsatz. Wobei das durchaus zutraf. Charice besaß den kühlsten Kopf der gesamten Polizeistation, seinen mit eingerechnet.

»Aha. Du glaubst also, ich würde der Frau des Bürgermeisters Angst machen? Weil ich schwarz bin und so?«

»Nein, Charice«, sagte er beschwichtigend. »Auf die Idee würde ich im Traum nicht kommen.« Doch, war er, einen Moment lang, bevor sein Moralgefühl den Gedanken in die Wüste geschickt hatte. »Wo ist sie?«

»Im Park. Ich hoffe nur, du glaubst nicht, du kannst hier irgendjemandem etwas vormachen.«

»Charice, es hat wirklich nichts mit …«

»Du willst einfach nicht zu dieser Beerdigung gehen, das ist alles.« Mit dieser Bemerkung erwischte sie ihn prompt auf dem falschen Fuß.

»Es wird ja nicht lang dauern«, wandte er halbherzig ein, wobei er in Wahrheit das Gegenteil hoffte.

»Ja, wenn ich Miller hinschicke.«

»Miller«, wiederholte er. Das konnte sie doch unmöglich ernst meinen! Miller? »Ihm ist zuzutrauen, dass er sie erschießt.«

»Er steht übrigens gerade hier neben mir, Chief.«

Raymer seufzte und rieb sich die Stirn. »Sag ihm, es tut mir leid. Das war nicht besonders nett von mir.«

»Hey, das war doch nur ein Scherz. Er ist gar nicht hier.«

»Gut, dann tut es mir eben nicht leid.«

»Er hätte aber hier stehen können, denk mal drüber nach. Und genau so bringst du dich immer wieder in Schwierigkeiten.«

»Du glaubst, ich bin immer in Schwierigkeiten?«

»Ich sage nur: Wir sind erst zufrieden, wenn Sie nicht zufrieden sind

»Du hattest versprochen, nicht mehr davon anzufangen, Charice.«

»Ich mein ja nur.«

»Ja, ja, Charice. Du meinst immer nur. Und ich bitte dich, einfach damit aufzuhören, nur zu meinen, okay?«

Er traf Alice auf einer Bank vor dem Kriegerdenkmal an. Selbst im Schatten war es brütend heiß, wenngleich sie das gar nicht zu bemerken schien. Sie hielt den rosa Telefonhörer ans Ohr. »Ich könnte nie so grausam zu einer Freundin sein«, sagte sie zu ihrem imaginären Gesprächspartner.

»Hallo, Mrs Moynihan«, sagte Raymer und setzte sich neben sie. Irgendwann in ihrem Leben musste Alice eine Hippiephase durchlaufen haben und war jetzt, mit Ende fünfzig, wieder dort angekommen. Sie hatte sich eine Pusteblume in ihr langes, ergrauendes Haar gesteckt und trug, wie ihm auffiel, keinen BH. Charice hatte recht gehabt. Wieder einmal. Er hätte sie das hier erledigen lassen sollen, genau wie sie es vorgeschlagen hatte. Auch hatte sie bezüglich seines eigentlichen Beweggrunds den Nagel wieder einmal auf den Kopf getroffen. Er hätte sich am liebsten vor dieser Beerdigung gedrückt. »Wie geht es Ihnen heute?«

Alice sah ihn verwirrt an, als wäre sie damit überfragt, dann lächelte sie, offensichtlich nachdem sie beschlossen hatte, dass er trotz seiner Polizistenverkleidung jemand war, den sie kannte. Nachdem sie die imaginäre Taste zum Beenden eines Gesprächs gedrückt hatte – beziehungsweise die Stelle auf dem Telefonhörer, wo sich diese befunden hätte, wäre er ein Handy gewesen –, verstaute sie ihn wieder in ihrer Tasche. »Becka lässt Sie grüßen«, sagte sie und jagte ihm einen Schauder über den Rücken, obwohl ihm dort gleichzeitig ein Rinnsal aus Schweiß hinablief. Es war nicht das erste Mal, dass sie erwähnte, mit seiner verstorbenen Frau in Kontakt zu stehen.

»Sagen Sie ihr, ich lasse sie auch grüßen.«

Alice seufzte und wandte den Blick ab, als wäre ihr die Sache peinlich. »So viele Männer.«

Raymer brauchte einen Moment, bis ihm dämmerte, dass sie nicht mehr über Becka sprach. Sie betrachtete die Namensinschriften auf dem Denkmal.

»Die meisten von ihnen waren noch jung«, sagte er.

»Ja, jung. Mein Sohn steht da auch.«

Was natürlich nicht stimmte. Sie und Gus hatten keine Kinder. Sie war bereits zuvor einmal verheiratet gewesen, aber soweit er wusste, war auch diese Ehe kinderlos geblieben.

»Der Krieg ist etwas Schreckliches.«

»Ja, das stimmt.« Auch drei seiner Klassenkameraden waren in Vietnam gewesen. Ihre Namen befanden sich hier auf dem Denkmal.

»Becka wollte Kinder.«

»Nein«, sagte er und rief sich das einzige Mal ins Gedächtnis, dass sie darüber gesprochen hatten. Becka hatte ihm klipp und klar zu verstehen gegeben, keine Kinder zu wollen, woraufhin er so getan hatte, als wollte er auch keine. »Ich glaube wirklich, sie wollte keine.«

»Ich werde sie nächstes Mal fragen.«

»Darf ich Sie nach Hause bringen, Alice?«

»Soll ich denn nach Hause?«

»Ja, Gus hat gemeint, das wäre besser«, sagte Raymer. Eine Lüge, wobei Gus es gesagt hätte, hätte er gewusst, dass sie wieder einmal ausgebüxt war.

»Gus liebt mich«, sagte sie in einem Ton, als würde sie ein merkwürdiges Geheimnis preisgeben.

Sie standen auf, und Raymer führte sie zu seinem Jetta, wo er ihr die Tür aufhielt. Auf der Fahrt zu dem viktorianischen Haus, in dem sie und Gus wohnten, das letzte an der Upper Main, gegenüber dem Eingang des Sans-Souci-Parks, schwiegen sie. Bevor sie ausstieg, sah sie ihn an. »Ich versuche die ganze Zeit mich zu erinnern, wer Sie sind«, sagte sie.

»Wo haben die bloß diesen Typen her?«, raunte Raymer Gus zu.

Der Geistliche, der die Grabrede hielt, sah kurioserweise ein wenig aus wie Alice. Er hatte schulterlanges Haar, und die verschnörkelte bunte Stickerei auf seiner durchscheinenden fließenden Tunika deutete darauf hin, dass – ja, worauf eigentlich? Dass er eine Freundin hatte? Dass er in seiner Freizeit stickte und nicht wie andere Männer Sportsendungen im Fernsehen ansah? Raymer fühlte sich instinktiv von ihm abgestoßen, brauchte jedoch einen Moment, bis er herausfand, woran es lag. Ohne einen sichtbaren Hemdkragen über dem Ausschnitt seiner Tunika und angesichts seiner bündchenfreien Handgelenke und sockenlosen Fesseln erweckte er den Eindruck, als wäre er unter seinem heiligen Gewand nackt, und Raymer wurde von einer ungebetenen Vision der unter dem Stoff baumelnden dunklen Genitalien heimgesucht.

»Mehr als vier Jahrzehnte«, salbaderte Reverend Tunika, »war Richter Barton Flatt die Stimme der Gerechtigkeit und der Vernunft in unserer schönen Stadt. Genau das waren seine Worte, mit denen er diesen Ort, der uns allen lieb und teuer ist, beschrieb. Unsere schöne Stadt.«

Raymer konnte gerade noch ein Stöhnen unterdrücken. Er war sich hundertprozentig sicher, dass Richter Flatt diese Worte nie im Leben gebraucht hatte. Überhaupt hatte er nie irgendeine Form der Hingabe oder Begeisterung gezeigt, jedenfalls nicht dass Raymer wüsste, außer für ein abstraktes Konzept namens »Kleinstadt-Recht«, das zu verfolgen er behauptete. Wie es sich von anderen Arten der Rechtsprechung unterschied, hatte Raymer nie zu fragen gewagt, aber er vermutete, es bedeutete im Endeffekt »Urteile, die mit hoher Wahrscheinlichkeit von einem höheren Gericht wieder kassiert würden«. Stolz auf seinen Ruf, ein unorthodoxer Richter zu sein, hatte er seine Urteile mit der unbewegten Miene eines Menschen verkündet, der wusste, dass andere Amtskollegen zu gegebener Zeit zu einem anderen Urteil kommen würden. Unsere schöne Stadt? Geht’s noch?, dachte Raymer.

Du lieber Himmel, war das heiß! Er spürte, wie ihm der Schweiß in verschiedenen Rinnsalen die Brust, zwischen den Schulterblättern und aus seinen Achselhöhlen herablief und sich in seinen zerknüllten Boxershorts sammelte. Auf dem Grund des Grabes, das gute zwei Meter tief war, entdeckte Raymer einen schattigen Fleck und ertappte sich dabei, wie er sich dorthin sehnte. Bestimmt war es dort schön kühl und es roch nach frischer Erde. Wie angenehm wäre es, sich dort zusammenzurollen und ein Nickerchen zu halten. Na ja, es gab wahrscheinlich ausgefallenere Dinge, nach denen sich ein Mann sehnen konnte, aber wenn er ehrlich war, fiel ihm im Moment nichts ein. Seine Begegnung mit der armen Alice und der Umstand, dass sie Becka aus heiterem Himmel erwähnt hatte, hatten seine Stimmung – ohnehin nahezu auf dem Tiefpunkt – noch zusätzlich getrübt. Seit dem Tod seiner Frau vor einem Jahr – okay, gut, dann dachte er eben an sie – war er einfach nicht mehr er selbst. Morgens beim Aufwachen fühlte er sich, selbst wenn er gut geschlafen hatte, meist so dumpf und lethargisch, dass er sich gut zureden musste, um aus dem Bett zu kommen. Sein Appetit war auch im Eimer. Seine Libido hatte sich komplett verabschiedet, und auf dem Revier musste Charice ihn oft daran erinnern, etwas zu essen. Trauer, so nannte sie es, aber Raymer hatte da seine Zweifel. Sicher, er hatte Becka geliebt, hatte sie von ganzem Herzen geliebt, und sie war auf unbeschreiblich furchtbare Weise gestorben, aber jetzt interessierte ihn fast nur noch, wegen wem sie im Begriff gewesen war, ihn zu verlassen.

Gus stupste ihn mit dem Ellbogen an und flüsterte ihm zu: »Wie weit bist du mit deiner Rede?«

»Fast fertig«, erwiderte Raymer, um ihn zu beruhigen, obwohl er noch kein einziges Wort zu Papier gebracht hatte. Dieses große Ereignis am Montagabend, die Krönung des langen Wochenendes, die Umbenennung der Middle School zu Ehren von Beryl Peoples, war noch so etwas, um das herumzudrücken er sich erfolglos bemüht hatte. Irgendwie hatte Gus herausgefunden, dass Raymer ein Schüler von Miss Beryl gewesen war, und ihn augenblicklich zu dieser Aufgabe verpflichtet. Raymer hatte ihm erklärt, er sei bestenfalls ein mittelmäßiger Schüler gewesen und tauge daher wohl kaum als leuchtendes Beispiel für Miss Beryls pädagogische Verdienste. Warum er nicht einen Schüler mit besseren Noten frage? Weil die intelligenten Kinder, informierte Gus ihn, allesamt weggezogen seien, wie es nicht anders zu erwarten sei. Nein, Raymer bleibe nichts anderes übrig, als diese Aufgabe zu übernehmen. Also hatte er sich Anfang der Woche mit einem gelben Notizblock hingesetzt und ein paar lahme Versuche unternommen, bevor er den Stift wieder hingeschmissen hatte. Aber an diesem Nachmittag wollte er einen neuen Anlauf wagen. Wenn ihm wieder nichts einfiele, würde er Charice bitten, etwas für ihn zu schreiben.

»Unsere … schöne … Stadt«, wiederholte der Tunikaprediger mit gespieltem Erstaunen. Allein durch seine überzogene Rhetorik hatte sich dieser Mann in einen an Ekstase grenzenden Zustand geredet. Er breitete die Arme weit aus, als wollte er ganz Bath mit einbeziehen, obgleich sein Publikum in diesem Moment, abgesehen von der Handvoll ausdorrender Trauergäste, aus den Insassen der Gräber bestand, die sich in alle Richtungen, so weit das Auge reichte, aneinanderreihten. »Während wir diesen in jeder Hinsicht großen Menschen zur letzten Ruhe betten, sollten wir vielleicht kurz innehalten, um darüber nachzudenken, was er mit diesen Worten meinte.«

In jeder Hinsicht großen Menschen? Ein Meter siebzig und siebzig Kilo, wenn es hochkommt, dachte Raymer. Er hätte diesen Giganten locker heben und ein paarmal in die Luft werfen können. Tatsächlich hatte er sich das bei mehr als einer Gelegenheit ausgemalt.

»Meinte er damit, dass wir hier im Schuyler County mit einem Überfluss an Schönheit und einer Fülle von natürlichen Ressourcen gesegnet sind? Von Bergen, Flüssen, Seen und Quellen?«

Quellen? Warum ausgerechnet Quellen? Wo die in Bath doch alle ausgetrocknet sind?

»Von dichten Wäldern, in denen einst Irokesen in ihren weichen, biegsamen Mokassins leise und behände umherstreiften?«

Irokesen? Raymer wurde immer verzagter. Wenn sich jetzt auch noch die verdammten Indianer in die Grabrede für den Richter eingeschlichen hatten, gab es dann überhaupt noch etwas, was der Tunikaprediger unerwähnt lassen würde?

»Ja, ich glaube, das meinte er damit«, verkündete dieser nun. »Aber war das alles, was er damit meinte?«

Raymer wäre bereit gewesen, sich darauf festzulegen, dass genau das die Quintessenz der Worte des verstorbenen Richters sei, sofern das bedeutete, dass sie jetzt alle nach Hause gehen konnten, aber weit gefehlt.

»Ich für meinen Teil glaube, dass das nicht alles war.«

War es tatsächlich denkbar, dass dieser Blödmann eine real existierende Kirche repräsentierte? Er kam Raymer eher wie einer dieser durchgeknallten Gurus vor. Oder war er eine Art interreligiöser Geistlicher, den man sich vom College in Schuyler Springs ausgeliehen hatte, wo er mit der Aufgabe betraut war, sich um die empfindsamen Seelenzustände der Studenten zu kümmern, für den unwahrscheinlichen Fall, dass sie lange genug ausnüchterten, um diese an sich wahrzunehmen? Wenn er irgendein Akademiker war, würde das jedenfalls sowohl den hanebüchenen Unsinn erklären als auch das unerschütterliche Selbstvertrauen, mit dem er ihn verzapfte. Wie auch immer, man musste sich schon fragen, welche Art von Anweisung er erhalten hatte. Hatte ihn niemand darüber aufgeklärt, dass Richter Flatt der oberste Atheist von Bath gewesen war? Dass es deswegen auch keinen Trauergottesdienst gegeben hatte? Kapierte dieser Typ nicht, dass seine Gegenwart hier an diesem Tag allein dem Umstand geschuldet war, dass der Verstorbene eine Figur des öffentlichen Lebens darstellte, und dem Bedürfnis der Gemeinde, ihm die letzte Ehre zu erweisen? (Okay, Raymer selbst verspürte nicht im Geringsten ein solches Bedürfnis, räumte aber ein, dass andere es vielleicht taten.) Der Tunikaprediger, der partout nicht begreifen wollte, dass er mit dieser vertrackten Aufgabe die Arschkarte gezogen hatte, schien davon überzeugt zu sein, es sei seine Pflicht, so viel Inbrunst in diese Grabrede zu stecken, als hielte er auf seiner Kanzel eine Trauerrede für seinen geliebten verstorbenen Diakon. Oder zumindest dafür zu sorgen, dass diese Prozedur unter sengender Sonne genauso lange dauerte, als fände sie in einem Gebäude mit voll aufgedrehter Klimaanlage statt.

Was Miss Beryl wohl von diesem Schwachkopf gehalten hätte? »Wenn ihr einen Aufsatz schreibt«, hatte sie Raymer und seinen Klassenkameraden immer geraten, »stellt euch ein rhetorisches Dreieck vor.« Auf den oberen Rand der ersten Seite ihrer Aufsätze malte sie immer zwei Dreiecke, das erste war eine Art Diagramm des Aufsatzes, den der jeweilige Schüler geschrieben hatte, und das zweite, das in der Regel anders (nämlich wie das Idealdreieck) geformt war, sollte ihnen helfen, ihre Aufsätze zu verbessern. Als ob die ins Spiel gebrachte Geometrie – noch so ein Fach, bei dem Raymer regelmäßig die Krise gekriegt hatte – Licht ins Dunkel hätte bringen können. Die Seiten des Dreiecks der alten Dame standen für Thema, Adressat und Sprecher, und die meisten Fragen, die sie an den Rand ihrer Aufsätze kritzelte, hatten mit dem Verhältnis dieser drei Komponenten zueinander zu tun. Worüber schreibst du hier?, wollte sie oft wissen und zog eine schnörkelige Linie bis zu dem T, mit dem die Themaseite des Dreiecks beschriftet war. Selbst wenn sie über ein Thema geschrieben hatten, das die Lehrerin selbst vorgegeben hatte, ritt sie gern darauf herum, dass das Thema des Aufsatzes unklar sei. Oder sie fragte: Wen hast du dir eigentlich als Adressaten vorgestellt? (Na ja, Sie, erinnerte Raymer sie dann, doch dem widersprach sie immer wieder.) Was machen deine Leser jetzt gerade? Wie kommst du darauf, dass sie sich für das hier interessieren würden? (Nun, wenn es sie nicht interessierte, warum hatte sie ihnen dann dieses Thema aufgegeben? Hatte sie etwa gedacht, ihn würde es interessieren?)

Doch die rätselhaftesten und verwirrendsten Fragen hatten immer mit dem Sprecher zu tun. Diese Seite von Raymers Dreieck war immer so winzig und die anderen beiden so lang, dass das dadurch entstehende Dreieck einer Bootsrampe glich. Auf jeden seiner Aufsätze schrieb sie: Wer bist du?, als hätte auf dem oberen Rand der ersten Seite nicht klar und deutlich Douglas Raymer gestanden. Wenn man sie darauf ansprach, bekam man eine ebenso verwirrende Antwort. Hinter einem Text verstecke sich immer, behauptete sie, ein »implizierter Autor«. Nicht man selbst, der wirkliche Autor – nicht die Person, die man erblicke, wenn man in einen Spiegel schaue –, sondern das »Du«, zu dem man werde, wenn man mit der Absicht zu kommunizieren den Stift aufgenommen habe. Wer ist dieser Douglas Raymer?, fragte sie gern herausfordernd. (Niemand, hätte er ihr am liebsten erwidert, denn er wäre herzlich gern ein Niemand gewesen, wenn das bedeutete, dass sie ihn in Ruhe ließe.)

Da es ihr so wichtig schien, bemühte sich Raymer wirklich, das Dreieck der alten Dame zu verstehen, doch blieb es für ihn genauso mysteriös wie die heilige Dreifaltigkeit in Gestalt von Gottvater, Sohn und Heiligem Geist. Wobei das tatsächlich als unergründliches Mysterium gedacht war, über das man grübeln sollte, obwohl man wusste, dass es das menschliche Begriffsvermögen überstieg – für Raymer ein großer Trost, dessen Begriffsvermögen es ganz gewiss überstieg. Miss Beryls rhetorisches Dreieck hingegen war etwas, das er hätte verstehen sollen.

So paradox es war, aber heute, mehr als drei Jahrzehnte später, begriff Raymer endlich, worauf sie die ganze Zeit hinausgewollt hatte: Am rhetorischen Dreieck des Tunikapredigers fehlten zwei Seiten. Er hatte ganz offensichtlich keinerlei Gedanken an seine Zuhörer verschwendet und daran, wie sie in dieser sengenden Hitze litten. Oder dass sein Thema niemanden interessierte. Was für ein Mensch Richter Flatt gewesen war, davon hatte dieser Mann eindeutig keinen blassen Schimmer. Das Ganze war im Grunde nicht mehr als eine rhetorische Übung für ihn. Schlimmer noch, um die inhaltliche Leere zu kompensieren, konzentrierte sich der Tunikaprediger voll und ganz auf die Sprecher-Seite des Dreiecks, die er perfekt beherrschte und die Raymer seinerzeit am meisten Rätsel aufgegeben hatte. Wenn Miss Beryl ihn gefragt hätte: Wer bist du?, hätte der Kirchenmann erwidert, er sei jemand, und zwar jemand Besonderes. Raymer bezweifelte, dass Miss Beryl das ebenso gesehen hätte. Doch die Tunikaprediger dieser Welt scherten sich nicht darum. Woher kam dieses atemberaubende Selbstvertrauen? Obwohl er diesen Kerl von Herzen verabscheute, kam Raymer nicht umhin, seine absolute Selbstsicherheit zu bewundern. Ohne vom leisesten Zweifel befallen zu sein, hatte sich dieser Tunikaprediger allem Anschein nach als genau der Richtige für diesen Job betrachtet, noch bevor er ihm überhaupt erklärt worden war. Er hatte bereits alles erfasst und konnte es nicht erwarten, es – was immer es auch war – mit anderen zu teilen, schien überhaupt das Gefühl zu haben, jedes erdenkliche Thema abdecken zu können.

Raymer hingegen wurde seit jeher von Selbstzweifeln geplagt. Er ließ anderer Leute Meinung über ihn seine eigene so widerstandslos übertrumpfen, dass er nicht mehr wusste, ob er überhaupt eine eigene hatte. Als Kind war er besonders empfänglich gegenüber Beschimpfungen gewesen, und zwar verletzten sie ihn nicht nur, sondern ließen ihn sich tatsächlich aufführen wie ein Idiot. Man musste ihn nur blöd nennen, und schon wurde er blöd. Nannte man ihn einen Angsthasen, wurde er zum Feigling. Noch deprimierender war die Tatsache, dass das Erwachsenwerden ihn nicht sonderlich verändert hatte. Richter Flatts Bemerkung über das Bewaffnen von Schwachköpfen hatte Raymers Gefühle genau aus dem Grund verletzt, weil dieser ihn richtig eingeschätzt hatte. Weil ihn sein Urteilsvermögen, da brauchte er sich gar nichts vorzumachen, an diesem Tag im Stich gelassen hatte. Er hatte sich von Donald Sullivan – dessen Existenz ebenfalls wie ein Fluch auf ihm lastete – provozieren lassen. Von jemandem, der mit seinem Pick-up in einer Wohngegend auf dem Gehweg gefahren war, sodass Raymer allen Grund gehabt hatte, ihn festzunehmen. Aber er hätte seine Waffe nicht aus dem Holster ziehen, geschweige denn mit ihr, auch nicht zur Warnung, auf einen unbewaffneten Zivilisten zielen und sie erst recht nicht entsichern sollen, damit hatte er mehrere Fehler begangen. Er konnte sich zwar nicht erinnern, den Abzug betätigt zu haben, hatte es aber offensichtlich getan – um einen Warnschuss abzugeben, wie er es sich sogleich vernünftig zu erklären versuchte, wobei der Gedanke schneller war als die Kugel. Nicht viel schneller jedoch. Den Bruchteil einer Sekunde später hörte man das Klirren von zerberstendem Glas, und zwar – Raymer konnte es sich heute noch nicht erklären – von einem winzigen achteckigen Badezimmerfenster eineinhalb Straßen weiter weg, unter dem eine ältere Dame auf der Toilette saß. Hätte sie ihr Geschäft schneller verrichtet oder wäre im falschen Moment aufgestanden, wäre sie von der Kugel in den Rücken oder Hinterkopf getroffen worden.

Dieser Vorfall hatte einen Pazifisten aus Raymer gemacht. Er hatte seine Waffe einen guten Monat lang, bis Ollie North etwas an seinem Verhalten aufgefallen war und er sie sehen wollte, nicht einmal mehr geladen. Er hätte sie nicht einmal mehr bei sich getragen, hätte im Diensthandbuch nicht klar und deutlich gestanden, dass die Uniform ohne sie nicht komplett sei. Ollie, den Raymers nicht geladene Waffe noch mehr ärgerte als der unbeabsichtigte Schuss, als sie geladen gewesen war, erklärte, wenn es etwas gebe, was gefährlicher sei als ein Zivilist mit geladener Waffe, dann sei es ein Polizist mit einer ungeladenen. »Bist du eigentlich lebensmüde?«, wollte er von ihm wissen. Schon als junger Streifenpolizist hatte Raymer gewusst, dass die korrekte Antwort hierauf »Nein« lautete, aber statt das jetzt zu sagen, zuckte er einfach nur die Schultern und ließ die Frage in der Luft hängen.

Was machte ihn eigentlich so anfällig für das Urteil anderer? Das hatte er sich schon immer gefragt. Und woran lag es, dass andere in dieser Hinsicht keinerlei Schwierigkeiten hatten? Okay, vielleicht hätte der verstorbene Richter wenig mit diesem Tunikaprediger anfangen können. Hätte er noch gelebt und diese lächerliche Grabrede hören können, hätte er ihn vermutlich wegen übler Nachrede in Untersuchungshaft gesteckt. Doch Raymer fand, dass sich die beiden Männer trotzdem sehr ähnlich waren: Genau wie dem Richter zu seinen Lebzeiten schien es diesem Prediger nie in den Sinn zu kommen, dass er vielleicht falsch lag oder dass er seine Meinung überdenken müsste. (Korrigieren, korrigieren, korrigieren hatte Miss Beryl ihre Schüler unermüdlich ermahnt. Schreiben ist Denken, und gutes, ehrliches Denken erfordert ständiges Korrigieren.)

Ein Urteil zu fällen erforderte dies allem Anschein nach jedoch nicht. Raymer war von Flatt bei verschiedenen Gelegenheiten als Zeuge vorgeladen worden, und seines Wissens nach hatte der gute Mann eine ursprüngliche Annahme niemals revidiert. Kürzlich hatte Raymer gegen einen Mann namens George Spanos ausgesagt, der mit seiner Frau und seinen Kindern und mindestens einem Dutzend Hunde in einem Außenbezirk unserer schönen Stadt wohnte und seine Hunde so brutal schlug, dass sie selbst zu brutalen Bestien geworden waren. Als Raymer hingefahren war, um ihn festzunehmen, war er dreimal gebissen worden, zweimal von den Hunden und einmal von einem verwahrlosten Kind. (Die Frau war gottlob zahnlos gewesen.) Die Bisswunde von dem kleinen Kind hatte sich infiziert und musste mit Antibiotika behandelt werden, wegen der Verletzungen durch die Hunde hatte er eine Tetanusspritze benötigt, doch als Raymer in den Zeugenstand gehumpelt war, hatte Flatt nicht die geringste Spur von Mitleid gezeigt, obwohl Raymer hier, im Gegensatz zu dem früheren Vorfall, klar und unzweideutig im Recht war. Unter dem einstudierten, theatralischen Blick des Richters konnte sich Raymer des Gefühls nicht erwehren, dass er und der Beschuldigte irgendwie die Rollen getauscht hatten. Er, der Polizeichef, musste sich erklären. Dass er von den Hunden gebissen worden sei, sei durchaus nachvollziehbar, meinte der Richter. Aber wie um Himmels willen, fragte er Raymer, habe er es fertiggebracht, überdies von einem Kind angefallen zu werden? Während der ganzen Sitzung trug Spanos, der neben seinem Anwalt saß, einen Ausdruck zerknirschter Unschuld zur Schau. Dieser wirkte so echt, dass Raymer ihn ihm beinahe abnahm. Während er selbst – und er brauchte keinen Spiegel, um zu wissen, welches Gesicht er der Welt darbot – aussah wie immer: schuldig im Sinne der Anklage. Ganz offensichtlich hielt Richter Flatt ihn für einen Trottel, sodass Raymer nichts anderes übrig blieb, als zu einem zu werden. Auf den äußeren Schein kam es an, und wie immer sprach dieser gegen ihn. Gerechtigkeit? Wie konnte es so etwas geben, wenn Unschuld wie Schuld aussah und umgekehrt?

Noch ärgerlicher als die wiederholten Demütigungen, die er in diesem Gerichtssaal hatte einstecken müssen, war, dass der alte Gockel einen Narren an Becka gefressen hatte. Nicht lange nachdem sie geheiratet hatten, wurde sie bei einem Abschiedsdinner für einen pensionierten Kollegen zufällig neben Flatt platziert. Der Richter hatte seit jeher etwas für junge, attraktive Frauen übrig, und seit dem Tod seiner Frau sah er offensichtlich keinen Grund dafür, warum ein alter Knacker wie er nicht hin und wieder mit der Frau eines anderen flirten durfte. An besagtem Abend trug Becka ein tief ausgeschnittenes schwarz-weißes Kleid, eine für North Bath’sche Verhältnisse ziemlich aufreizende Aufmachung. Der Richter und sie saßen zusammen am hinteren Ende der Banketttafel und verhielten sich während des Abendessens wie zwei alte Freunde, die sich über jede Menge gemeinsamer alter Erinnerungen amüsierten und denen der Rest der Tafel herzlich egal war. Als sich ihre Köpfe an einem gewissen Punkt besonders nah kamen, streifte Becka Raymer mit einem Blick und brach dann in Gelächter aus. Natürlich, folgerte er, der Herr Richter hatte seiner Frau zu ihrer Belustigung von der Episode erzählt, bei der ihr Trottel von einem Gatten beinahe irrtümlich eine alte Dame von ihrer Kloschüssel heruntergeschossen hatte.

»Der ist ja echt süß«, schwärmte Becka, während sie sich hinterher in ihrem RAV anschnallte. Der Sitzgurt ließ ihr Kleid auseinanderklaffen, sodass eine ihrer hübschen Brüste entblößt wurde. War Flatt, während sie die Karotten-Ingwer-Suppe gelöffelt hatten, ebenfalls in den Genuss dieses aufreizenden Anblicks gekommen?, fragte sich Raymer. »Er ist ja so charmant. Warum hast du mich denn vor ihm gewarnt?«

»Nun, zum Beispiel weil er mich einen Trottel genannt hat«, rief er ihr ins Gedächtnis. Er hatte Becka in der Frühphase ihrer Beziehung von dem Vorfall mit der Waffe erzählt, da er das Gefühl gehabt hatte, sie sollte es besser aus seinem Mund hören anstatt über den Bath’schen Flurfunk, bei dem diese Geschichte – wie viele andere, in denen er Zielscheibe des Spotts war – noch immer sehr beliebt war. »Vor meinem Boss. Vor dem Typen, den ich verhaftet hatte.«

»Na ja«, begann seine Frau und unterbrach sich lange genug, damit er sich ausmalen konnte, wie der Satz wohl weitergehen würde. (Aber das ist doch schon Ewigkeiten her? … Ich bin mir sicher, er hat es nicht so gemeint … Tja, kann man es ihm verdenken?) Er hatte gehofft, sie würde sagen: »Tatsächlich hat er dich in den höchsten Tönen gelobt«, aber natürlich sagte sie nichts dergleichen, sondern: »Ich weiß, wie sehr dir vor diesem Abend gegraut hat, aber ich habe mich köstlich amüsiert.«

In ihren Augen war Raymer viel zu befangen. »Es geht nicht immer nur um dich, weißt du«, sagte sie gern, als wäre er narzisstisch. Doch im Grunde hatte sie recht. Er hatte die Angewohnheit, alles auf sich zu beziehen. Zum Beispiel die beiden dramatischen Rücktritte des Richters. Konnte es ein Zufall sein, dass er den ersten ausgerechnet an dem Tag, an dem Raymer zum Polizeichef gewählt wurde, eingereicht hatte? Und dass der zweite genau vier Jahre später erfolgte, als Raymer wiedergewählt wurde? Ja, versicherte ihm Becka; es konnten nicht nur Zufälle sein, sondern waren ganz gewiss welche. Während der letzten beiden Jahrzehnte hatte der arme Mann tapfer gegen drei verschiedene Krebserkrankungen gekämpft, angefangen hatte es mit einem Lungentumor, dann traten besonders aggressive Krebszellen in der Prostata auf und schließlich fand sich ein kleiner Knoten im Hirnstamm, ein bösartiger Tumor, der eine Zeit lang seinen Intellekt und seine Zunge noch zu schärfen schien, obwohl es beide in Raymers Augen nicht nötig gehabt hatten. Beinahe war er schon zu dem Schluss gekommen, dass Krebs gar nicht der gnadenlose Todesbringer war, für den er gemeinhin gehalten wurde, doch dann verbreitete sich zuerst die Nachricht, der alte Mann sei ins Koma gefallen, und wenige Tage später, die dass er gestorben sei.

Was bei Raymer zu seiner Überraschung gemischte Gefühle auslöste. Zwar würde er nie wieder von diesem missbilligenden Richterblick durchbohrt werden. Auch würde er nie wieder von dieser Person, deren Meinung in der Öffentlichkeit so viel Gewicht hatte, beschimpft werden. Aber er fragte sich auch, ob, wenn der Geist eines Menschen fortlebte, wie viele Menschen behaupteten, dies nicht bedeuten würde, dass Richter Flatt ihn bis in alle Ewigkeit für einen Idioten hielte. Raymer bis in alle Ewigkeit ein Idiot? War das fair? War er denn wirklich so unbegabt? Sicher, er hatte in der Schule nie besonders gute Noten gehabt. Obwohl er gewissenhaft war und nie Schwierigkeiten machte, schienen sämtliche Lehrer am Ende eines Schuljahrs erleichtert gewesen zu sein, wenn er gemeinsam mit seinen Schulkameraden versetzt wurde und künftig jemand anderem zur Last fiel. Nur Miss Beryl, die unermüdlich ihre Dreiecke zeichnete und ihn am Rand seiner Aufsätze handschriftlich fragte, wer er sei, schien eine Art Zuneigung für ihn zu empfinden, obwohl sich Raymer auch da nicht ganz sicher war. Die alte Dame drängte ihm ständig Bücher auf, und hätten andere Jungen diese Geschenke als Ansporn begriffen, fragte er sich, ob sie nicht vielmehr eine Bestrafung für irgendeine Missetat waren, deren er sich nicht bewusst war.