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Sudabeh Mohafez

brennt

Roman

Für Martin und die Wiederkehr des Leuchtens

fragile, she doesn’t see her beauty

she tries to get away

sometimes it’s just that nothing seems worth saving

i can’t watch her slip away

i won’t let you fall apart

the fragile

nine inch nails

i know the pieces fit

’cause i watched them tumble down

schism

tool

Später werde ich wissen, dass vor dem Feuer eine Verpuffung war, kenne jetzt aber dieses Wort noch nicht, höre nur das Geräusch, das es bezeichnet, das gerade so klingt wie das Wort, nämlich: Puff!, eindeutig wie: Puff! Davon bin ich aufgewacht.

Und, sagt der Feuerwehrmann, der junge mit den Kratzern im Gesicht, es ist ein Wunder. Das sagt er. Dass mein Überleben ein Wunder sei und das der Katzen, denn die haben auch überlebt. Und dass das Wunder direkt mit der Verpuffung zu tun habe, das sagt er auch: Hätten Sie die nicht gehört, also, wären Sie von der nicht aufgewacht… Und ich höre die drei Pünktchen so deutlich wie in der Nacht das Puff!, nämlich: weil er das Wort nicht sagen möchte. Der junge Feuerwehrmann mit den Kratzern im Gesicht möchte nicht tot sagen.

Dass ich nämlich tot wäre jetzt, also: vorbei, also ein Leichnam oder der verkohlte Rest eines Leichnams, wenn mich die Verpuffung, die Frau Pietzsch beim absichtlichen Anzünden der mit Benzin getränkten Holzwände unbeabsichtigt verursacht hat, wenn sie mich nicht geweckt hätte. Das alles sagt der junge Feuerwehrmann mit den Kratzern im Gesicht, aber er sagt es erst in vier oder fünf Stunden, kurz bevor ein Vogel den Morgen ruft, wenn aus dem Haus nur noch kalter, schwarzer Rauch quillt und ein Gestank von Holzkohle und Chemikalien, wenn vier der fünf Löschzüge aus der gesperrten Wilskistraße wieder abgezogen sind, wenn die Beamten von der Brandkripo, nämlich: es gibt eine Abteilung bei der Kriminalpolizei, die auf Brände spezialisiert ist, wenn die Beamten von der Brandkripo mit gelben Kunststoffhelmen auf den Köpfen das Gelände nach Spuren abgesucht haben, dann wird der junge Feuerwehrmann mit den Kratzern im Gesicht das mit den Pünktchen sagen, aber jetzt ist es noch samtdunkel in der Wohnung und auch draußen. Da ist nur dieses Rauschen, nein: Fauchen. Etwas faucht rauschend durch meine Wohnung. Vor meiner Wohnung?

Vollkommen konzentriert und vollkommen aufrecht sitze ich im Bett und träume überhaupt nicht, sondern ich bin hellwach, obwohl ich gewöhnlich eher schwer hochkomme, also nur langsam aus dem Schlafen ins Wachen überwechsle, und registriere, wie ein Sensor, wie ein Signalerfassungsgerät, registriere ich, dass die Katzen gebannt auf die Wand starren. Die Beine fest ins Kissen gestemmt, ins Kissen neben meinem, die Ohren aufgestellt, starren sie wie gebannt auf die Wand, die das Kopfende der Matratze vom Hausflur, vom Treppenhaus, vom Draußen trennt. Mit einem Ruck springe ich hoch, laufe auf das Fauchen zu, das mit jedem Schritt lauter wird und lauter. Durch die Flügeltür, alte, weiß gestrichene Flügeltür, dann ins Studio und links in den Flur: das Fauchen kommt aus dem Treppenhaus.

Die Wohnungstür öffnen, sie sofort wieder schließen. Die Wohnungstür brennt von außen, das bedeutet: eine neunzig mal zweihundert Zentimeter große Fläche, die senkrecht zum Boden steht und jetzt, weil ich die Tür geöffnet habe, in einem spitzen Winkel in meine Wohnung hineinsteht, sie lodert. Die Holzwand links daneben brennt und der Boden vor meiner Tür, und es ist eine Tatsache, dass ich in diesem Moment nachdenke. In diesem Moment, in dem ich die Tür aufreiße und sie sofort wieder zuwerfe, denke ich über Wasser nach, über eine Decke zum Ersticken. Ich denke über Schutz nach. Aber kaum dass ich die Tür zugeschlagen habe: ein Lichterkranz. Da, wo sie im Rahmen aufliegt, schlagen plötzlich Flammen durch. Ölfarbe schmilzt, stinkt, schlägt Blasen.

Wenn es brennt, ruft man die Feuerwehr: mich daran erinnern. Die 112 wählen. Mit einem Herrn sprechen, der sich unter dieser Nummer meldet. Ich spreche sehr ruhig: Es brennt, sage ich. Wilskistraße 56, Nähe U-Bahnhof Krumme Lanke. Er fragt nach meinem Namen. Mané, beginne ich, dann tost es hinter mir, und ich lasse den Hörer fallen. Jetzt ist das Rauschen innen, das Fauchen auch. Die Hose überziehen, in Windeseile. Das T-Shirt, in dem ich geschlafen habe, alt, weit, blau-weiß geringelt, es anlassen, die Weste darüberstreifen. Kein einziges Gefühl: nur anziehen, umsehen. Es gibt keine Grenze mehr zwischen außen und innen.

Ich schnappe, ja genau so: schnappe mir den Kater. Er ist sehr still. Er ist viereinhalb Monate alt. Er lernt die Welt kennen, denke ich und drücke ihn an meine Brust, und er drückt seine Krallen durchs T-Shirt in meine Haut. Krällchen ist kein Wort. Wäre es eines, müsste ich sagen, dass er seine Krällchen in meine Haut drückt. Er will auf keinen Fall hinunterfallen. Ich kann ihm nicht erklären, dass, was er tut, ungünstig ist, dass es die Situation noch ein wenig komplizierter macht für mich. Also befehle ich der Haut über meiner Brust, sich nicht so anzustellen, während ich nach der Katze sehe, während ich sie rufe. Endlich höre ich sie.

Sie ist auf der anderen Seite des Fauchens, das bedeutet: wir sind getrennt, und ich denke, dass sie sterben wird, also befehle ich meinem Gehirn, nur noch Hilfreiches zu denken. Der Kater an meiner Brust keucht, dann schreit er und ich huste. Ich rufe noch einmal nach der Katze, die verbrennen wird. In diesem Moment ist das ihre Zukunft: verbrennen. Oder erst ersticken, dann verbrennen. Sie ruft zurück, maunzt, kreischt, schiebt Panik durchs Fauchen.

Ich greife nach dem Wohnungsschlüssel auf dem Flügel, unnütze Bewegung, sinnlos, mechanisch, lasse ihn fallen wie vorher den Hörer, stopfe mit der freien Hand den Geldbeutel in die Hosentasche: Ausweis. Man braucht seinen Personalausweis, wenn man mit der Polizei zu tun hat. Wenn es brennt, kommt nicht nur die Feuerwehr.

Ich kann nicht mehr aufhören zu husten. Mitten im Studio stehe ich mitten im Fauchen und kann keinen Muskel bewegen, nur stehen kann ich und mich umschauen und horchen, lauschen. Um mich das Studio, knistert, rauscht. Ich schließe die Augen. Nicht denken. Nichts denken. Die Augen geschlossen halten, um die Instrumente nicht zu sehen, kein einziges von ihnen, das Mischpult nicht und nicht die Rechner, weder den Apple, noch den alten Atari. Die Augen fest geschlossen halten. Der Kater an meiner Brust schreit. Die Augen öffnen, um ihn anzuschauen. Er streckt den Kopf in Richtung Schlafzimmerbalkon. Dorthin sehen, seinem Blick nachsehen. Kluge Kateridee: da sollten wir hin. Aber immer noch stehe ich und kann keinen Muskel bewegen, und die Dämmkegel an den Wänden schmelzen, schwitzen ätzenden Rauch, und plötzlich höre ich sie wieder: spitze, hohe Katzenrufe von weit her. Meine Beine bewegen sich mit einem Mal wie von selbst: laufen, rennen, aus dem Studio ins Schlafzimmer. Katerkrällchen tief in der Haut über meiner Brust, aber er hat aufgehört zu schreien.

Es ist sehr heiß. Der Ficus neben dem Bett, wie eine Wunderkerze, sprüht Funken. Die Holzwand zwischen dem Bett und dem Draußen, verschwunden. Das Zischen allerletzter Feuchtigkeitsreste in uralten Bodendielen, in den Türrahmen: denkmalgeschütztes altes Haus mit Holzwänden zum Flur, mit Putz aus Lehm und Stroh noch an manchen Stellen. Dann bersten die Scheiben: Als ich die Tür zum Balkon öffne, höre ich die Fensterscheiben in der Küche und im Bad bersten und die Katze schreien auf der anderen Seite des Fauchens.

Meine Wohnung brennt. Ich sage es leise, fast ist es ein Murmeln, spreche dennoch akkurat, überaus exakt: meine Wohnung brennt, stürze auf den Balkon, ziehe die Tür von außen heran, sehe durchs Fenster zurück, und es ist eine Tatsache, dass ich in diesem Moment nachdenke, nämlich: darüber, was dieser Satz bedeutet. Was bedeutet: meine Wohnung brennt? Und was bedeutet: meine Wohnung?

Der Kater ist still jetzt. Er ist steif und fest an mich gedrückt, aber er hat seine Krallen aus meinem Fleisch gezogen, und obwohl man das nicht tun soll, nämlich: wegen der Sauerstoffzufuhr, habe ich die Balkontür angelehnt gelassen. Die Küchenfenster sind ohnehin geborsten, die Holzwände sind verbrannt, es gibt keine Wohnungstür mehr, es ist vollkommen unwichtig, ob die Balkontür angelehnt ist oder nicht. Ich rufe die Katze, kann sie hören. Noch lebt sie, und jetzt kommt die Feuerwehr. Seitdem Frau Pietzschs unbeabsichtigtes Puff! mich geweckt hat, sind vierzehn Minuten vergangen, so lese ich es später in den Protokollen und werde denken, dass das schnell war: dass die Feuerwehr schnell aufgetaucht ist. Auch, dass das beruhigend war. Ist.

Die Querflöte, es scheint tatsächlich, ich habe sie mitgenommen. Unter meiner linken Hand atmet der Kater flach an meiner Brust. In meiner rechten halte ich die Flöte. Sie lag neben Geldbeutel und Schlüssel auf dem Flügel. Ich beschließe noch einmal, nicht an die Instrumente zu denken, an kein einziges, und sehe mich um:

 Links und rechts vom Balkon lehnen Aluminiumleitern an den Ziegeln, rostrote, denkmalgeschützte Ziegel. Sie holen erst die Leute aus den Dachwohnungen: ihre Oberkörper haben sie weit aus den Fenstern geschoben, sie bekämen sonst keine Luft mehr, wären schon längst erstickt, jämmerlich verreckt, wegen des Rauchs, den man, im Übrigen, sehen kann, von meinem Balkon aus, von der Straße aus, sicher auch von ferne. Über den weit aus den Fenstern geschobenen Oberkörpern der Leute aus den Dachwohnungen wälzt sich ohne Unterlass und aufwärtsfließend ein Rauchstrom, ein dunkelschwarzer, ja, genau so: dunkelschwarz. Aus meinen Fenstern auch: ein Rauchstrom, nur weniger, nur schwächer, dünner, weil das Feuer hier lodert, und ich frage mich, ob Rauch Geräusche macht.

Später werde ich dann noch ein weiteres Fachwort kennen, nein: ich werde wissen, wie sich das Fachwort anfühlt, denn natürlich habe ich es vorher schon gehört, gelesen, gesagt. Ich werde wissen, wie sich das Wort Brandherd anfühlt, wenn es meine Wohnungstür bezeichnet und die Holzwand daneben und den Boden davor, nämlich: zehn Liter Benzin auf altem, denkmalgeschütztem Holz, deswegen ist mehr Rauch oben als in meiner Wohnung. Weil meine Tür der Brandherd ist, weil also das Feuer noch bei mir seinen Hunger stillt, weil es oben noch nicht wirklich zugeschlagen hat, sondern nur seinen Rauch dorthin schickt, sein Abfallprodukt. Das, was es nicht verspeist hat, was nicht vollständig verbrannt ist, schickt es nach oben in dicken und dicksten Schwaden, quasi als Vorhut, und deswegen haben die Leute aus den Dachwohnungen, an denen es keine Balkone gibt, die Oberkörper so weit wie möglich aus den Fenstern geschoben, und deswegen auch werden sie zuerst geholt von der Feuerwehr.

Yılmaz, mein Nachbar, ist mit den Kindern, die bei seiner geschiedenen Frau wohnen, die er nur an den Wochenenden und in manchen Ferien sieht, er ist mit ihnen in die Eifel gefahren zum Wandern und befindet sich also nicht in der Wilskistraße 56 in Lebensgefahr. Vroni und ihr Freund, die im Parterre neben der Schusterwerkstatt wohnen, sind mit ihren Kindern einfach aus den Fenstern auf die Grünfläche vor dem Haus gestiegen und also auch nicht in Lebensgefahr. Nur die Leute aus den Wohnungen im Dachgeschoss sind es. Nur sie und die Katze, aber die zählt nicht, obwohl ich sage: meine Katze. Ich rufe es den Feuerwehrmännern unterm Balkon zu, aber das Rauschen und Fauchen und die Kommandos und jetzt die Schläuche, dicke Schläuche und Blaulichter, endlos viele, tanzende Blaulichter, und Motoren. Die Männer hören mich nicht.

Oben steigt Frau Naumann mit ihren Pumps auf die Leiter, und es sieht aus, als umarme der Feuerwehrmann sie. Aber er steht ein paar Sprossen tiefer und hält seine Arme nur wie einen runden, weiten Käfig um sie herum und berührt sie nicht dabei. Er schützt sie. Vorm Herunterfallen schützt er sie, und ich denke zum zweiten Mal in dieser Nacht über Schutz nach und darüber, dass ich diesen Feuerwehrmann gern küssen würde.

Es ist eine Tatsache, dass ich das sehr ernsthaft denke. Ich denke: Ich würde diesen Feuerwehrmann gern küssen, weil er seine Arme wie einen runden Käfig um Frau Naumann hält, die mit ihren Pumps und den hautengen Röhrenstretchjeans und ihrer platinblonden Dauerwelle und dem pflaumenroten Damensteppanorak auf der Leiter steht und nun mit ihm zusammen, in ihrem, in Frau Naumanns Tempo die Leiter hinabsteigt. Deswegen würde ich diesen Feuerwehrmann gern küssen.

Und ich denke, dass ich ganz neu denken lernen muss, dass Liebe etwas ganz anderes ist, als ich bis jetzt dachte, nämlich: ab jetzt weiß ich genau, wie sie sich anfühlt. Sie fühlt sich so an. So, wie ich mich fühle, als ich den Feuerwehrmann mit seinen Armen um Frau Naumann sehe, so, genau so, damit sie nicht hinunterfällt, deshalb, und damit sie so wenig Angst wie möglich hat, nämlich: auch, wenn es ganz schlimm ist, kann jemand versuchen, dass ein bisschen weniger Angst aufgeht, und das ist Liebe.

Denn er hetzt sie nicht, und er zerrt nicht an ihr und schreit sie nicht an und sagt nicht: Schneller! Schneller! Und er sagt auch nicht: Nun machen Sie mal hinne, da oben stehen noch zwei! Er setzt einfach immer einen Fuß auf die nächste Sprosse, wenn Frau Naumann es tut, und es sieht fast aus, als tanzten sie, und ich überlege kurz, ob ich ihn um seinen Namen bitte, wenn er gleich an mir vorbeikommt, sie müssen nämlich, er und Frau Naumann, an meinem Balkon vorbei auf ihrem Weg nach unten, überlege also, ob ich ihn um seinen Namen bitte, damit ich mich nachher zu ihm durchfragen und ihn küssen kann. Aber dann knackt die Scheibe in der Balkontür. Meine Wohnung brennt, flüstere ich, und es ist eine Tatsache, dass ich bereits in diesem Moment nicht mehr darüber nachdenke, was das bedeutet.

Während jetzt auch noch Herr Manteuffel und Frau Menzel auf den Leitern hinuntersteigen, höre ich ein Geräusch hinter mir und schreie und drehe mich um, auf dem Absatz, in einer fließenden Bewegung, und mache dabei einen halben Schritt zurück, mit dem Rücken auf das Fauchen hinter den Scheiben zu. Dort, wo nur Kommandos sein dürften, das Knistern von Walkie-Talkies und das Schaben großer schmutzig weißer Schläuche über Erde und Pflastersteine und Gras, nämlich: auf der Straßenseite, höre ich eine Stimme.

Fast direkt an meinem Ohr höre ich sie, als sänge jemand eine Beschwörung. Und weil hinter mir keine Stimme sein dürfte, sondern nur Kommandos und Knistern und Schläuche und vielleicht noch stille, tanzende Lichter, nämlich: Blaulichter, die sich in den Scheiben der Studiofenster spiegeln, denn die Studiofenster splittern erst in zwei Minuten, weil nichts anderes als das hinter mir sein dürfte, schreie ich und drücke den Kater noch fester an mich und drehe mich mit einer fließenden Bewegung um und sehe zur Straße, wo zwischen den Gebäuden auf der gegenüberliegenden Seite und den Feuerwehrwagen und Krankenwagen und Polizeiwagen inzwischen sicher an die fünfzig Menschen versammelt sind und schauen. Sie schauen aufs Haus, zeigen darauf, halten sich gegenseitig umarmt, machen Fotos, telefonieren, obwohl es mitten in der Nacht ist, nämlich: vier Uhr dreiundzwanzig, und mit einem Mal: der Feuerwehrmann, den ich später küssen möchte.

Er steht zwischen mir und der Balkontür. Ich sehe ihn an und verstehe plötzlich, dass der Mann auf der Leiter ein Kollege von ihm ist. Ich soll über die Brüstung, breite Steinbrüstung, klettern und zu ihm auf die Leiter steigen. Das verstehe ich jetzt, weil der Feuerwehrmann, den ich später küssen möchte, neben mir aufgetaucht ist. Und also sage ich: Nein.

Ich sage es leise, aber überaus deutlich und schüttle, damit die beiden es wirklich verstehen, den Kopf dazu. Ich gehe hier erst weg, sage ich, wenn Sie meine Katze holen, und weil er denkt, ich hätte vergessen, dass ich meine Katze im Arm halte, zeigt der Feuerwehrmann, den ich später küssen möchte, auf den Kater. Ich sehe ihn ärgerlich an. Ich sage: Nein, nein, meine Katze. Das hier ist der Kater! Die beiden wechseln einen Blick, sprechen dann gleichzeitig. Eine Katze, sagen sie, und der, der auf der Leiter steht, nimmt sein Walkie-Talkie und sagt es noch einmal, und der, den ich später küssen möchte, legt den Kopf schräg und lächelt und sagt, dass sie meine Katze suchen, und fragt, ob ich mir jetzt vorstellen könnte, zu seinem Kollegen auf die Leiter zu klettern, und ich überlege, ob ich mir das vorstellen kann. Eigentlich wäre es mir lieber, er selbst stünde dort, weil ich weiß, dass er niemanden hetzt und dass er niemanden anfasst und dass man sicher auf dem Boden ankommt, wenn man mit ihm die Leiter hinuntertanzt, aber dann schlägt ein Kopfbefehl ein:

Sie sollte sich nicht so anstellen. Still und eisern und böse in mir drin, mitten im Kopf, wo Kopfbefehle wohnen: Sie sollte sich wirklich nicht so anstellen! Also setze ich mich auf die Brüstung, breite Steinbrüstung, um die Beine hinüberzuschieben. Aber so lassen sie es nicht zu. Sie wollen, dass ich ihnen die Flöte und den Kater gebe, und jetzt reicht es mir wirklich. Nein!, sage ich, schüttle wieder den Kopf.

Sie sind sehr freundlich und sehr ruhig, und hinter mir wird das Fauchen immer lauter, und später werde ich wissen, dass all das zwei Minuten gedauert hat, nämlich: bis die Scheiben der Studiofenster gesplittert sind. Es scheint, dass dieses Splittern mich schließlich doch überzeugt, denn in dem Moment gebe ich dem Feuerwehrmann, den ich später küssen möchte, das Instrument und erkläre ihm, dass er auf keinen Fall auf die Klappen fassen darf, und zeige ihm, wo er hinfassen soll, nämlich: am Hals, zwischen das Mundstück und die oberste Klappe, da darf er hinfassen, und er nickt und fasst nicht auf die Klappen, sondern genau dahin, wo ich es ihm gezeigt habe, und ich denke, dass er sich gar nicht mal so ungeschickt anstellt. Dann hilft er mir über die Brüstung, und ich darf den Kater im Arm behalten.

Er ist so still, dass ich überlege, ob ich ihn erdrückt habe. Deshalb beuge ich den Kopf, bis meine Lippen die Spitzen seiner winzigen Ohren berühren und flüstere seinen Namen: Sandman, flüstere ich, und halte die Luft an. Leise, aber deutlich hörbar maunzt er zurück, und während wir jetzt nicht mit dem Feuerwehrmann, den ich später küssen will, sondern mit seinem Kollegen die Leiter hinuntersteigen, laufen mir die Tränen übers Gesicht, weil ich weiß, dass ich Sandman nicht erdrückt habe.

Dieser Feuerwehrmann ist kein so guter Tänzer wie der, den ich später küssen möchte. Er hält meinen rechten Oberarm fest in seiner Hand. Kurz sehe ich hoch in den Rauch über uns, und plötzlich weiß ich, dass er tatsächlich ein Geräusch macht: ein dumpfes, weiches, kaum hörbares Raumeinnehmen. Genau so klingt Rauch, und plötzlich weiß ich außerdem, dass der Tod nicht mehr aufhören wird zu fauchen. Eigenartig, denke ich, weil ich immer davon überzeugt war, der Tod wäre etwas Stilles, Lautloses, etwas wie Rauch, nur umgekehrt, nämlich: ich dachte, der Tod sei ein dumpfes, weiches, kaum hörbares Raumauflösen und Zeitauflösen. Aber ich habe mich geirrt. Der Tod rauscht und faucht. Er wird nicht mehr damit aufhören, denke ich noch einmal. Und das geschieht dir recht, sagt eine Frauenstimme.

Ich zucke zusammen, sehe mich um. Der Feuerwehrmann packt mich noch fester am Arm, und als er das tut, denke ich zum ersten Mal wieder an Hjartan. Aber ich schüttle den Kopf, und er verschwindet aus meinen Gedanken. Mit der einen Hand halte ich mich an der Leiter fest, weil ich mit der anderen meinen lebenden Kater an mich drücke und darauf achte, nicht zu stark zu drücken, damit er auch später noch lebt, und jemand sagt: Es gibt unterschiedliche Tode, sie fauchen nicht alle.

Was?, frage ich und sehe mich zu dem Feuerwehrmann um, denn es war eine tiefe, eine angenehme und tiefe Stimme, die da gesprochen hat. Gleich haben Sie’s geschafft, sagt er, sieht zu mir hoch und lächelt. Nur noch zwei Sprossen, dann haben Sie es geschafft, sagt er, und es ist eine Tatsache, dass ich selbst jetzt noch keinen Verdacht schöpfe. Beim nächsten Schritt stehe ich, genau wie er es gesagt hat, auf Erde, auf Matschboden, zertretenem Gras. Er schiebt mich auf einen Mannschaftswagen zu, lässt endlich meinen Arm los, und ich stehe und schaue.

Links von mir das Haus: duckt sich. Wie ein speiendes, würgendes Ding, nämlich: rauchwürgend, das man totgeschlagen hat, jemand, irgendwer: fast totgeschlagen, denn es hustet noch, röchelt, und ich lasse den Blick über die Menschen im Wagen fahren und sehe noch einmal zum Dach hoch und wende mich um und frage, ob sie in allen Wohnungen gewesen sind. Der Feuerwehrmann nickt: Natürlich, sagt er, warum denn? Frau Pietzsch, antworte ich, huste, zeige aufs Dach, huste wieder. Sie fehlt, sage ich, nämlich: sie steht hier nirgends, sie sitzt auch nicht im Mannschaftswagen. Welche Wohnung?, seine Stimme klingt gepresst. Oben links, sagt Vroni hinter mir im Wagen, weil ich schon wieder huste. Oben, unterm Dach der linke Eingang, sage ich, aber da wirft er schon die Tür zu und rennt los, und ich schaue durchs Mannschaftswagenfenster. Er ruft etwas, das ich nicht verstehe, verschwindet mit sechs oder sieben anderen Männern hinterm Haus, dorthin, wo es ins Treppenhaus geht. Ich drücke meinen Kater fester an mich, vorsichtig drücke ich ihn. Und eine Katze im ersten Stock links, flüstere ich, und weil das Fenster von meinem Atem beschlägt, wende ich mich um.

Das Wageninnere ist ein Mischdunstraum aus Schweiß und Alkohol und Lenor und Schlaf und Talg und Angst, und ich schließe den Reißverschluss der Weste und schiebe meine Hand unter Sandman, damit er ein Nest hat, ein Versteck, und gehe durch den schmalen Mittelgang zwischen Nachbarknien entlang und setze mich auf den einzigen Platz, der noch frei ist: hinten, neben Herrn Manteuffel, und halte auch im Sitzen die Hand unter das Katzennest. Leichtes, warmes Lebendgewicht in meiner linken Handfläche.

Frau Pietzsch ist nicht im Haus, sagt der Feuerwehrmann, der eine halbe Stunde später die Mannschaftswagentür öffnet, der blutige Kratzer im Gesicht hat, der etwas im Arm hält, etwas Dunkles, Löschschaumverklebtes. Gehört jemandem von Ihnen diese Katze?, will er wissen. Und ich will Ja sagen und die Hand heben. Das ist meine, will ich sagen, deshalb mache ich den Mund auf, aber: nichts. In meiner Kehle steht die Luft wie eine Säule aus festem, grau meliertem Granit, und ich höre Herrn Manteuffel sprechen. Ist das nicht Ihre Katze?, fragt er und sieht mich an. Aber ich bin eingekeilt zwischen Innen und Außen und denke, dass ich gleich an einer Granitsäule ersticken werde und dass das vollkommen unmöglich ist und gar nicht sein kann, und dann kommt ein lautes, pfeifendes Quietschen aus meinem Hals, und der Feuerwehrmann mit den Kratzern im Gesicht will in den Mannschaftswagen hochsteigen, um mir meine Katze zu bringen, aber die faucht laut und springt einfach quer durch den Mischdunst und landet halb auf meinem Schoß und halb auf ihrem verborgenen Bruder, der keinen Mucks von sich gibt.

Klebriges, nasses Katzenfell unter meiner Hand. Wie heißt sie?, fragt der Feuerwehrmann, der jetzt neben mir steht, und obwohl meine Katze eigentlich Joplin heißt, sage ich: Death, und wundere mich überhaupt nicht, weder darüber, dass Joplin einen neuen Namen hat, noch darüber, dass ich plötzlich wieder atmen und also sprechen kann, sondern ich sehe den Feuerwehrmann an und nicke und sage noch einmal: Meine Katze heißt Death.

Aber sie ist ohnehin schon längst verschwunden, nämlich: sie ist sofort zu Sandman unter meine Weste gekrochen. Die beiden rumpeln ein wenig hin und her, dann sind sie still, und meine Hand liegt unter ihnen, und meine Weste verbirgt sie. Death, sagt der Feuerwehrmann und legt lächelnd den Kopf schräg, und Herr Manteuffel seufzt, und Jessica, die fünf Jahre alt ist, Jessica sagt: Wie süß!, und zeigt auf die Spitze von Sandmans Schwanz, die unter meiner ausgebeulten Weste herauslugt, und Mike, der drei Jahre alt ist und Jessicas Bruder, schläft an seine Mutter gelehnt und hält den Daumen im Mund dabei, und der Feuerwehrmann mit den Kratzern im Gesicht geht fort und lässt die Tür offen stehen, und als ich ihn nicht mehr sehe, denke ich, dass ich gleich wieder keine Luft mehr bekomme oder platze oder einfach in mich zusammenfalle, und stehe auf, beide Hände unter der Weste, und gehe aus dem Wagen und atme Rauchluft, atme aufrecht, das bedeutet: mit gestrecktem Rückgrat und das Kinn ein wenig gegen den Himmel erhoben.

Das Rot weiß ich nur, sehe es nicht, denn es ist noch Nacht, aber ich weiß, dass die dunklen Streifen rot sind auf den Bändern. Weißrotschräggestreifte Absperrbänder, dahinter: Menschen. Die Frau vom Reformhaus: Morgenmantel, Turnschuhe, neben ihr der Mann vom Reformhaus: Morgenmantel, Pantoffeln. Er hat den Dackel an der Leine dabei. Sie wohnen überm Laden und stehen zwischen noch viel mehr Menschen. Achtzig? Hundert inzwischen? Wie viel sind hundert Menschen?

Das Haus qualmt nur noch, aber immer mehr Menschen und Blaulichtstreifen in Bewegung, dazwischen Dunkelfelder, angefüllt mit kaum hörbarem Lindenrauschen, nämlich: schlagartig hängt schwerer, süßer Lindenblütenduft in der Nacht. Einatmen, denke ich, ausatmen, einatmen, und schließe die Augen und huste. Es ist Anfang Oktober, denke ich. Es gibt keine Lindenblüten, denke ich, und später werde ich wissen, dass es eine, dass es gleich mehrere Rauchvergiftungen gibt, nämlich: Jessica hat eine, Mike hat eine, Vroni und Harald, wir alle haben eine. Nur Frau Pietzsch hat der Rauch nicht vergiftet. Und Yılmaz, ihm hat er auch nichts anhaben können, weil er mit den Kindern in der Eifel ist zum Wandern. Im Oktober blühen die Linden nicht, denke ich, also duften sie auch nicht im Oktober. Mich an die Wirklichkeit erinnern, weißrotschräggerahmte Wirklichkeit, aber eindeutig: dieser schwere, süße Lindenblütenduft, und ohne Vorwarnung plötzlich die Hand.

Sie drückt mich in Richtung Mannschaftswagen. Ich schüttle den Kopf. Da riecht es nach Lenorschlaf, flüstere ich der Hand auf meiner Schulter zu und bin etwas, das man umdrehen und schieben kann. Sie meinen das nicht böse, erkläre ich dem Mann an der Hand. Wer meint was nicht böse?, will er wissen und sein Griff lockert sich. Sie, sage ich, nicke in seine Richtung. Ich? Er nimmt die Hand fort. Genau, sage ich. Seine Stimme jetzt, hart, kantig: Ich meine überhaupt nichts böse! Ich weiß, sage ich und nicke noch einmal.

Die Hand wieder, sie schiebt. Ich halte dagegen, schüttle noch einmal den Kopf, aber: Sie sollten wirklich in den Mannschaftswagen zurück, wir müssen Sie ohnehin noch befragen. Ich ziehe meine Schulter unter der Hand fort. Wo ist der Feuerwehrmann?, frage ich. Ich bin der Feuerwehrmann, erklärt er mir. Nein, sage ich und sehe mich um. Doch, sagt er und legt seine Hand auf meine andere Schulter und drückt wieder, und ich halte wieder dagegen und ducke mich wieder von seiner Hand weg und suche den Feuerwehrmann, den ich später küssen will, und kann ihn nicht finden zwischen den vielen Männern in schwerem Sicherheitsorange und hätte nach seinem Namen fragen sollen.

Wie heißen Sie?, frage ich. Bitte gehen Sie jetzt in den Wagen zurück, sagt er. Aber, wie heißen Sie?, frage ich. Was tut es zur Sache, wie ich heiße? Er klingt ungeduldig, und ich sehe ihn an, nämlich: erstaunt über seine kluge Frage. Es tut tatsächlich überhaupt nichts zur Sache, sage ich und nicke, ich will Sie ja gar nicht küssen.

Wie bitte? Die Hand verschwindet, seine Augen weiten sich, und ich: gehe. Wo wollen Sie hin? Er folgt mir. Atmen, sage ich. Sie wollen atmen. Ich nicke. Ich atme, gehe auf und ab. Sandman maunzt. Ich fasse mit der freien Hand in die Tragetasche, in die meine Weste sich verwandelt hat, streichle. Sofort ist wieder Stille. Sie können auch im Wagen atmen, sagt der Mann. Ich betrachte sein Gesicht. Er ist sehr dumm.

Erstaunlich, denke ich, wie früh man die Stimmen von Katzen schon unterscheiden kann, nämlich: es ist weniger die Stimmlage, es ist der Ton. Sandman hat einen Forderton, Death einen Sington. Das Maunzen eben, denke ich, war ganz eindeutig ein Fordermaunzen, und gehe auf und ab, und jetzt ist die Hand fort, und der Mann, dem sie gehört, ist fort, und ich gehe auf und ab und trage meine Katzen in einer Tasche vor meinem Bauch und verlasse den weißrotschräggestreiften Rahmen nicht und suche den Feuerwehrmann, den ich später küssen will. Mit den Augen suche ich ihn und finde ihn nicht, sondern ich sehe nur Feuerwehrmänner und Feuerwehrmänner. Sie wogen hin und her, denke ich. Sie sind wie Wellen, wie ein Meer, diese vielen, orange gekleideten Sicherheitsmänner. Ein Rettermeer, das ruft und läuft und schwitzt und trägt, ein Meer aus Feuerwehrmännern, das Schläuche einrollt und umlegt, das große, horizontal an den Wagen angebrachte Hähne dreht und leuchtende Knöpfe drückt, das Geräte hin- und herträgt und Funksprüche durchgibt und mit Polizisten redet und mit den Männern vom Technischen Hilfswerk und auf Stellen am Haus zeigt mit hochgereckten Armen und ausgestreckten Fingern, das Helme trägt, weißlich schimmernde Helme und gelblich schimmernde, von Zeit zu Zeit von blauem Licht gestreift, sonst im Dunkeln schwimmend, und jenseits des weißrotschräggestreiften Rahmens, jetzt neunzig Menschen, hundertzwanzig, hinter denen vereinzelt Lichter in Fenstern leuchten, nein: hinter Fensterscheiben, intakte Lichter hinter intakten Scheiben.

Über dem Reformhaus streckt ein kleiner Junge den Kopf aus dem Fenster und ruft verschlafen und überhaupt nicht erschrocken nach seiner Mutter, und die Reformhausfrau ruft etwas zurück und geht mit ihrem Mann und ihrem Dackel ins Haus, und ich suche den Feuerwehrmann, den ich später küssen will, und halte leichtes, doppeltes Lebendgewicht in der linken Hand und setze mich auf einen Poller am Rand der Grünfläche vorm Haus, einen Randpoller, der sich innerhalb des weißrotschräggestreiften Rahmens befindet, setze mich, weil mir schwindelig ist und heiß. Auf eine kratzige, unangenehme Weise ist mir heiß, als glühte in mir etwas vor sich hin, nämlich: vielleicht wie ein Brandherd, glüht etwas in meiner Kehle, und ich denke, dass ich mich nicht daran erinnern kann, wie lange es her ist, dass ich einen so schneidenden, reißenden Durst hatte, und jemand sagt:

Ich erinnere mich an zuckersüßen Eistee im Sommer, literweise aus dem Kühlschrank in der Bjarnarstigur, und, obwohl ich zusammenzucke, als ich den Straßennamen höre, klingt die Stimme, als lehnte sie sich genüsslich in einen Sessel zurück, während sie ihn ausspricht, und obwohl ich mich umschaue, ist niemand zu sehen, genau wie vorhin auf der Leiter niemand zu sehen war, und plötzlich geht mir ein Licht auf, plötzlich denke ich, dass es dieselbe Stimme ist, dieselbe harte, kalte Stimme wie vorhin, körperlos, gesichtslos, und dass sie von derselben Zeit spricht, von der sie vorhin schon gesprochen hat, und jetzt erst, als ich all das denke und mein Blick über die blind starrenden Fensterlöcher streift, in denen sich nichts mehr spiegelt, kein Blaulicht, kein Mond, kein Lindenblatt, jetzt endlich merke ich, dass irgendetwas mit dieser Stimme ganz und gar nicht in Ordnung ist.

Aber bevor ich mir ernsthaft Gedanken darüber machen kann, sehe ich ihn endlich und springe auf und spüre winzige Katzenkrallen am Bauch und gehe, nein: laufe hinüber, und als ich in das Meer aus geschäftigen Rettern tauche, ist der Feuerwehrmann, den ich küssen möchte: er ist schon wieder verschwunden.

Also stehe ich. Ich stehe im Meer aus Feuerwehrmännern und bin ein Fels, um den es brandet, sich öffnet, sich wieder schließt, und ich tauche blicktief, das bedeutet: nur mit den Augen tauche ich herum, und finde ihn nicht, und niemand berührt mich, sondern sie machen Bögen um mich, rechts herum, links herum, je nachdem, woher sie kommen und wohin sie gehen, zielstrebig, alle. Immer noch tragen sie Schläuche und Hacken und Seile und ziehen eine der Leitern ein und lassen die anderen stehen und streifen Sicherheitshandschuhe ab und wischen sich mit dem Ärmel über die Stirn und sehen zum Dach hoch. Es beunruhigt sie. Alles ist nur noch Qualm und Rauch und Ruß, aber das Dach scheint sie ernsthaft zu beunruhigen, und ich stehe und atme und tauche, nämlich: blicktief vergeblich durchs Meer, um den Feuerwehrmann zu finden, den ich später küssen will, und die Linden duften quer durch den Oktober und quer über den weißrotschräggestreiften Rahmen, duften wie Honig und also wie Sommerfrühstücke auf der Terrasse, und jemand sagt:

Am liebsten das Eigelb noch fast flüssig, aber das Eiweiß schön fest und auf jeden Eierlöffel Ei einen kleinen Klecks Butter und ein Stück braun gebrannten Toast hinterher, und ich weiß genau, wer sein Ei am liebsten auf diese Weise isst, und ignoriere, was ich höre, konzentriere mich auf andere Geräusche, auf Rufe, nähere, fernere, die leichte Brise, die aufgekommen ist, das Brummen der Motoren, tauche und sehe mich, während ich tauche, noch einmal nach dem Körper zur Stimme um, sehe aber nur Feuerwehrmänner mit Funkgeräten und Schläuchen, und langsam, scheint mir, ist die Nacht nicht mehr so dunkel, nämlich: hinter dem grau verkohlten Haus verfärbt sich der schwarze Himmel anthrazit.

Ich gehe ein Stück mit Ihnen, sagt jemand. Wenn Sie wollen, gehe ich ein Stück mit Ihnen, und diesmal ist es wieder eine tiefere Stimme, aber ich achte nicht auf sie, weil mich diese Stimmen irritieren, und weil ich hoffe, dass sie vielleicht aufhören, über die Bjarnarstigur zu sprechen und über Sommerfrühstücke, an die ich nie wieder denken wollte. Wenn ich sie ignoriere, wenn ich einfach nicht auf sie achte, denke ich, dann hören sie vielleicht auf.

Aber sie scheren sich nicht darum, sondern jemand sagt noch einmal: Ich gehe ein Stück mit Ihnen. Vielleicht da hinüber?, und zeigt mit einem orangefarbenen Ärmel aus Sicherheitskunststoff nicht in Richtung Mannschaftswagen und nicht in Richtung Haus, sondern in die Richtung, aus der ich vorhin gekommen bin, in die Richtung, in der der Poller steht, auf dem ich gesessen habe, um zu atmen und zu schauen, und zeigt nur und schiebt nicht und dreht mich auch nicht und hat einen Körper.