cover

 

Sommer in Meiningen. Jahrhunderthoch »Gunther« bringt alles Leben zum Erliegen, nur der Fickel frohlockt. Endlich passt die Welt sich mal seinem Tempo an und er kann sich mit angenehmeren Dingen beschäftigen als mit Mord und Totschlag. Doch die Gespenster der Hochkultur stören ihn in seiner Ruhe. Der berühmte Komponist und ewige Junggeselle Johannes Brahms brach am Hof des Meininger Theaterherzogs einst ein Herz – und anderthalb Jahrhunderte später steht Kriminalrat Recknagel vor einer prominenten Leiche und kämpft gegen seinen Brechreiz. Was hat das eine mit dem anderen zu tun? Ausgerechnet »Terminhure« Fickel soll sich jetzt mit den Folgen eines historischen Techtelmechtels herumschlagen. Und das nur, weil die Oberstaatsanwältin Gundelwein gerade viel zu sehr mit ihrer eigenen Karriere beschäftigt ist, als sich um einen schnöden Mord zu kümmern. Immerhin macht der Fickel bei seinen Ermittlungen die eine oder andere bittersüße Bekanntschaft, nicht nur mit dem Bratwurstschnaps. Alle Spuren führen zum Historischen Verein und ins Schloss Elisabethenburg, in dem merkwürdige Dinge vor sich gehen …

Anwalt Fickel ermittelt:

 

Band 1: Herrentag

Band 2: Der Bobmörder

Band 3: Das Schlossgespinst

Band 4: Grillwetter

Autor

© Jordis Antonia Schlösser/Ostkreuz

Hans-Henner Hess verbrachte seine Jugend im Schatten der Berliner Mauer mit Tagträumen, Nachtwandeln sowie dem Züchten von winterharten Zierkakteen. Als nach Einführung des Westgelds wichtige Absatzmärkte wegbrachen, sah er sich gezwungen, einen ehrlichen Beruf zu erlernen, und entschied sich irrtümlich für die Juristerei. Beim Verfassen seitenlanger Schriftsätze gewann er Gefallen am Fabulieren und schulte kurzerhand um auf TV-Autor. Seine Erfahrungen im Justizalltag sowie eine angeborene Affinität zu Thüringer Klößen verarbeitet er in der bei DuMont erscheinenden Krimireihe um den relaxten Meininger Anwalt Fickel.

Hans-Henner Hess

Das Schlossgespinst

Anwalt Fickel ermittelt

 

Frei aber einsam.

Johannes Brahms

I  Ein juristisches Vorspiel

In letzter Zeit hatte der Fickel nicht zuletzt zu seiner eigenen Überraschung einen gewissen beruflichen Erfolg als Strafverteidiger erlebt beziehungsweise überlebt. Manch einer an seiner Stelle hätte daraus womöglich voreilige Schlüsse gezogen. Aber erstens brachte der Fickel nur ein geringes Interesse für fremder Leute Mord und Totschlag auf und zweitens war ihm das Strafrecht irgendwo viel zu stressig, ganz zu schweigen von den nicht gerade pflegeleichten Mandanten. Dafür war das Leben einfach zu kurz.

Immerhin hatte er sich auf Anraten des Kollegen Amthor inzwischen eine eigene Visitenkarte zugelegt, mit hübschem Goldrand und einem kleinen Paragrafensymbol direkt neben seinem Namen. Natürlich reine Hochstapelei, denn das Gesetz erschien ihm nach wie vor als ein Buch mit sieben Siegeln. Leider war dem Amthor bei der Bestellung, ob vorsätzlich oder nicht, ein kleiner Zahlendreher in der Handynummer unterlaufen, weshalb den Fickel bis auf Weiteres niemand in seinen gewohnten Abläufen störte, weder als Terminhure[1] am Meininger Amtsgericht noch beim Kakteenzüchten in der Gartenanlage Werratal II noch beim feierabendlichen Skatdreschen in der Goetzhöhlenbaude.

Doch wie immer, wenn das Schicksal besondere Widerwärtigkeiten im Tank hat, fing alles ganz harmlos an. Eines schönen Tages im Juli, der dank des Jahrhunderthochs »Gunther« für mitteldeutsche Verhältnisse mal wieder viel zu heiß war, saß der Fickel gemütlich im klimatisierten Anwaltszimmer des Meininger Amtsgerichts und trank genüsslich eine Tasse Filterkaffee mit Kondensmilch und drei Spritzern Süßstoff. Die nackten Füße bequem auf den Nachbarstuhl gebettet, schmökerte er im lokalen Boulevardmagazin und genoss die beinahe vollkommene Ruhe an seinem Arbeitsplatz.

Seit die Gerichtsferien offiziell abgeschafft worden waren, hatte nämlich jeder Anwalt das Recht, eine im Juli oder August terminierte Verhandlung formlos und ohne nähere Angabe von Gründen in den Herbst verlegen zu lassen – und davon wurde von den Damen und Herren Advokaten auf schamlose Weise Gebrauch gemacht. Wie einem geheimen Abkommen gehorchend, herrschte während des Hochsommers eine Art juristischer Burgfrieden. Viele Richterinnen und Richter nutzten die Zeit, um ihre Aktenberge abzuschmelzen und/oder sich fachlich weiterzubilden, zum Beispiel im Schwimmbad. Anwältinnen und Anwälte entdeckten plötzlich ihre Familien wieder, fuhren mit Kind und Kegel an die Ostsee oder an den Gardasee und lebten ihre professionelle Streitsucht zur Abwechslung im Kreise ihrer Liebsten aus.

Da im Moment sowohl in den benachbarten Bundesländern Hessen und Bayern als auch in Thüringen selbst die Schulferien ausgebrochen waren, bildete Anwalt Fickel im Meininger Amtsgericht gewissermaßen den letzten Notnagel des Rechtsstaates oder, je nach Blickwinkel: den Sargnagel. Meistens jedoch gab es nicht einmal für ihn etwas zu tun, und eigentlich erschien er nur zur Arbeit, um gemeinsam mit der gerichtlichen Serviceeinheit Therese und dem Justizwachtmeister Rainer Kummer in der Kantine zu Mittag zu essen, manchmal auch in Begleitung seines Kollegen und ewigen Widersachers Amthor. Aber wenn es so heiß war wie heute, dann klebte selbst der lieber daheim auf seinem Kunstledersessel und ließ sich vom Schreibtischventilator hypnotisieren.

Ausgerechnet, als der Fickel mitten in den Sportmeldungen war und ein aufschlussreiches Interview mit dem Thüringer Landesbobtrainer las, kam die Therese mit dramatisch wehenden Haaren hereingeeilt und verschluckte sich beinahe vor Aufregung. »Zimmer hundertzwoundzwanzig, schnell«, hechelte sie.

Jetzt dauerte es natürlich eine kleine Ewigkeit, bis der Fickel die Zeitung fein säuberlich zusammengefaltet hatte und in seine brandneuen Badelatschen aus dem Ein-Euro-Shop geschlüpft war. Die Serviceeinheit zog die Augenbrauen hoch und stöhnte noch immer schwer atmend: »Menschenskind! Da ist ja sogar der Amthor schneller!«

Aber der Fickel ließ sich durch solch durchschaubare Provokationen keineswegs aus der Ruhe bringen. »Worum geht’s denn da eigentlich?«, erkundigte er sich sicherheitshalber. Man wollte schließlich nicht in irgendwas hineingeraten, Arbeit zum Beispiel.

»Eine alte Dame braucht dringend einen Anwalt. Der Richter hat gemeint, wenn in fünf Minuten keiner da ist und den Antrag stellt, weist er die Klage ab.« Sie blickte kurz auf die Uhr. »Das heißt, jetzt sind es eigentlich nur noch zweieinhalb Minuten. Also bloß keine Eile!«

Bei der Hektik, die die Therese verbreitete, konnte man meinen, es ginge mal wieder um Leben und Tod, dabei ist das erfahrungsgemäß in einem Amtsgericht so gut wie nie der Fall, schon gar nicht in Meiningen. Fickels Entscheidung stand natürlich längst fest: »Ich deichsel das schon«, brummte er und drückte der Therese seine angelesene Zeitung in die Hand. Schließlich hatte er als Timurhelfer[2] gelernt, sich Senioren, Schwangeren und anderen benachteiligten Personen gegenüber stets aufmerksam und zuvorkommend zu verhalten.

Als Anwalt Fickel keine anderthalb Minuten später auf den Flur des Amtsgerichts einbog, saß dort vor dem Sitzungsraum eine fein zurechtgemachte alte Dame mit schlohweißem, im Stil der 1920er-Jahre frisiertem Haar, die dem Fickel auf Anhieb irgendwie bekannt vorkam. Sie umklammerte die Henkel einer ledernen Einkaufstasche, die sie auf ihren Schoß gebettet hatte. Der Rollator stand in griffbereiter Nähe. Neben ihr saß eine streng aussehende hagere Dame mittleren Alters, ungefähr der gleiche Jahrgang wie der Fickel, in einem einfachen, aber trotz der Hitze hochgeschlossenen Kleid Marke »Alte Jungfer«[3]. Ihr überwiegend brünettes Haar war zu einem strengen Dutt zusammengebunden. Ihr Schopf war bereits mit vereinzelten grauen Haaren gespickt, die jedoch eher einen spielerischen Flirt mit dem Alter suggerierten als eine dramatische lebenslange Verbindung.

»Wo bleibt denn jetzt dieser Anwalt?«, fragte die jüngere der beiden Damen ungeduldig. »Ich glaube, der Richter verliert gleich die Geduld.«

»Sie sind …?«, erkundigte sich der Fickel vorsichtshalber.

»Mein Name ist Kemmerzehl, ich bin die persönliche Assistentin von Frau Langguth. Auf der Geschäftsstelle hat man mir versichert, dass gleich jemand kommt«, sprach die jüngere Frau in leicht genervtem Tonfall. Der Klang ihrer Stimme wirkte einschüchternd.

»Langguth?« Der Fickel blickte leicht irritiert zur alten Dame hinüber. »Etwa wie die Rote Elfriede?«

Frau Kemmerzehl bestätigte mit einer kurzen Bewegung ihrer Augenlider. »Aber sie wünscht, nicht so angesprochen zu werden«, sagte sie mit gedämpfter Stimme.

Jetzt war der Fickel erst mal baff. Denn die Rote Elfriede war in Meiningen nicht mehr und nicht weniger als eine Legende: Verfolgte des Naziregimes, Vorzeigekommunistin und zig Jahre Meiningens Bürgermeisterin. Der Fickel erinnerte sich verschwommen an eine ältere Dame, die am 1. Mai oder 7. Oktober, dem Tag der Republik, ebenso glühende wie langweilige Reden über die Wonnen des Aufbaus des Sozialismus gehalten hatte. Sie galt damals in der Bevölkerung als eine Überzeugte, also praktisch nicht zurechnungsfähig. Dennoch richteten die Meininger gern ihre Eingaben[4] an sie, weil sie sich für die Stadt und ihre Bürger wirklich einsetzte und denen da oben in Suhl oder Berlin so richtig Dampf machte. Seit der Wende hatte man nichts mehr von ihr gehört.

»Dass die noch lebt«, sagte der Fickel fast ehrfürchtig, denn selbst in seinen nicht mehr ganz taufrischen Jugenderinnerungen kam sie ihm fast wie eine Greisin vor.

»Sie wird bald achtundneunzig, und sie erfreut sich bester Gesundheit«, berichtete ihre persönliche Assistentin. »Biologisch gesehen ist sie erst achtzig.«

»Warum flüstern Sie denn so, Astrid?«, erkundigte sich die Rote Elfriede mit einer hohen, aber keineswegs dünnen Stimme. »Sie wissen doch, dass ich auf dem Ohr nicht mehr so gut höre.«

»Nichts Wichtiges«, wiegelte ihre Assistentin ab und blickte erneut auf die Uhr. »Ich glaube, die Verhandlung fängt gleich an«, sagte sie. »Wir sollten mal langsam da reingehen. Wir beide schaffen das auch ohne Anwalt.«

Spätestens jetzt war es für den Fickel an der Zeit, sich zu erkennen zu geben. Er stellte sich den Damen höflich vor und deutete sogar eine leichte Verbeugung an. Astrid Kemmerzehl ließ ihren Blick skeptisch über Fickels Latschen, seine Shorts und schließlich auch das Sahnehäubchen in Fickels Garderobe wandern: das nigelnagelneue Hawaiihemd, das vorne mit einem Sonnenaufgang und am Rücken mit einem Sonnenuntergang bedruckt war. Als Anwalt wurde man nicht unbedingt für seinen Style oder seinen Geschmack bezahlt.

»Aber Sie haben ja nicht mal einen Binder um, junger Mann«, beschwerte sich die Rote Elfriede dennoch. Der Fickel hatte für solche Fälle natürlich vorgesorgt. Umständlich zog er eine vorgeknotete Notkrawatte aus der Hosentasche und zwängte sie eilig unter den speckigen Hemdkragen – farblich gesehen natürlich: information overload. Frau Langguth nickte zufrieden. »Diesen Halsabschneidern zeigen wir’s, gell?«

Aber jetzt wollte der Fickel zumindest der Form halber gerne wissen, worum es in dem Rechtsstreit denn nun eigentlich gehe. Astrid Kemmerzehl setzte ihm den Sachverhalt mit eiligen Worten auseinander: Die Rote Elfriede hatte dem Historischen Verein von Meiningen eine Notenpartitur aus ihrem familiären Erbe zur Ansicht gegeben. Doch als sie es zurückforderte, hatte man sich im Historischen Verein blöd gestellt und die Herausgabe verweigert. Aber das hatte die Rote Elfriede natürlich nicht auf sich sitzen lassen, sondern eigenhändig eine Klage an das »Hohe Gericht« verfasst, um ihr »verfassungsrechtlich geschütztes Eigentumsrecht« durchzusetzen, kommunistische Einstellung hin oder her.

Nun war der Fickel also im Bilde und bereit, mit seiner ehemaligen Bürgermeisterin in die Schlacht – oder seinetwegen auch ins letzte Gefecht[5] zu ziehen. Höflich, wie er nun einmal war, wollte der Fickel der alten Dame beim Betreten des Gerichtssaals die Tasche abnehmen. Dabei hatte er kurz den Eindruck, als hätte sich darin etwas bewegt, aber Astrid Kemmerzehl nahm ihm die Tasche flugs wieder ab. Mit einer für ihr Alter erstaunlichen Behändigkeit ging die Rote Elfriede mit ihrem Rollator voran in den Gerichtssaal. Astrid Kemmerzehl setzte sich hinten auf die Zuschauerbank und nahm die Tasche auf ihre Knie. Anwalt Fickel platzierte sich mit seiner Mandantin auf der Klägerseite und begrüßte den anwesenden Richter Leonhard. Der gegenwärtige Amtsgerichtsdirektor war ein alter Bekannter und wie der Fickel überzeugter Herbsturlauber. Irgendwann im November, wenn am Gericht Hochkonjunktur herrschte und es in Meiningen schummrig und regnerisch wurde, packte Richter Leonhard seine Koffer und verabschiedete sich in den Süden. Jetzt im Sommer genoss er es, Vertretungsstunden anzuhäufen und als unumstrittener König über sein verwaistes Gericht zu herrschen.

Richter Leonhard blinzelte dem Fickel erfreut entgegen. »Ah, sieh an, der Herr Strafverteidiger, die Zierde des Gerichts!« Nur um klarzustellen, dass seine Bemerkung nicht etwa auf Fickels farbenfrohes Äußeres gemünzt war, fügte er leicht ironisch hinzu: »Wenigstens ein Rechtsanwalt, der bei den Temperaturen noch an Arbeit denkt.« Das war natürlich ein echter Insiderscherz, ausgerechnet einer Terminhure Arbeitseifer zu unterstellen.

Leonhard selbst trug wegen der Hitze seinen berüchtigten Hemdkragen ohne Hemd und war ansonsten unter der Robe praktisch bis auf die Buxen völlig nackt, womit er keineswegs ganz unfreiwillig allerlei Scherzen und Vermutungen unter den Rechtspflegerinnen und Servicekräften Vorschub leistete. Dennoch schwitzte er, allerdings durchaus würdevoll, wie es sich für einen Richter auf Betriebstemperatur gehörte.

Auf der Beklagtenseite hockte ein Mann gewordener Fleischberg in einem dunkelblauen Anzug, dessen fast kahler Schädel eine ungesunde rote Farbe aufwies und der seinen Kontrahenten mürrisch entgegenblickte. »Das ist Herr Bornkessel. Ein ganz durchtriebener Kerl«, flüsterte die Rote Elfriede dem Fickel zu, allerdings so laut, dass es jeder im Saal hören konnte.

Fickel kannte den Verwalter von Schloss Elisabethenburg, Meiningens größtem und vornehmstem Prunkbau, zumindest flüchtig, wie jeder, der ab und zu dort verkehrte. Bornkessel war ein circa fünfundfünfzigjähriger Jurist, der rechtzeitig den Absprung geschafft hatte, und zudem ein leidenschaftlicher Hobbyhistoriker. Wenn er nicht gerade an Sanierungskonzepten für die marode Bausubstanz von Elisabethenburg feilte, streifte er durch die Ausstellungsräume der Museen auf der Suche nach einem verirrten Besucher, dem er noch eine Portion Hintergrundwissen zu »seinem« Schloss überhelfen konnte. Aber vor allem war Bornkessel ein gefürchteter Gegner bei allen möglichen Skatturnieren. Sein Trophäenschrank beheimatete alle wichtigen Pokale, die es in Südwestthüringen zu gewinnen gab, zu Fickels Leidwesen auch die »Pik sieben«, den Skatpreis des Meininger Anwaltsvereins, zu dem auch andere Juristen und solche mit nur einem Examen zugelassen waren.

»Na, na, na«, ermahnte Richter Leonhard die Rote Elfriede auf ihre Bemerkung hin. »Wir wollen doch mal schön sachlich bleiben, net wahr?«

Die Angesprochene erwiderte spitz: »Ich dachte, wir haben jetzt Demokratie und Meinungsfreiheit?!«

»Nicht in meinem Gerichtssaal«, erwiderte Leonhard. »Hier zählen nur Tatsachen. Klar?«

»Wie Sie meinen, Genosse Richter«, lenkte die Rote Elfriede ein.

Der aus dem Bayerischen Wald stammende Leonhard war beim »Genossen« kurz zusammengezuckt. »So hat mich noch keiner genannt«, sagte er kopfschüttelnd. »Das sollte auch nicht zur Gewohnheit werden.«

Bornkessel ließ ein theatralisches Stöhnen hören und tippte auf seine etwas protzig wirkende Uhr. »Ich hab nicht ewig Zeit«, drängte er. Die Hitze setzte dem Schwergewicht in seinem Anzug sichtlich zu. Auf seinem cremefarbenen Hemd hatten sich bereits dunkle Flecken gebildet, unter den Achseln drückte der Schweiß bereits durch das Jackett.

»Immer mit der Ruhe«, beschwichtigte Richter Leonhard den aufgeheizten Bornkessel, begann aber nun ohne Umschweife die Verhandlung mit der Verlesung des Antrags der Elfriede Langguth auf Herausgabe eines handschriftlichen Notenheftes, das von einem gewissen Kreisler Junior signiert worden war, das sich der Schlossverwalter in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Historischen Vereins e. V. laut Klageschrift »illegal unter den Nagel« gerissen habe. »Soweit alles korrekt?«, erkundigte sich der Richter. Fickel nickte.

»Kreisler Junior, nie gehört«, bemerkte Leonhard mit Blick in die Akte. »Klingt eher wie’n Fußballer.«

»Unterhalten Sie sich jetzt etwa über Fußball?«, fragte Elfriede Langguth den Fickel empört.

»Nein, nein, das ist ein Komponist aus dem neunzehnten Jahrhundert«, erklärte Bornkessel eilig.

»Man lernt nie aus«, sagte Leonhard. »Und was haben Sie zu der Klage sonst noch vorzutragen?«

»Das ist doch alles gequirlter Quark«, rumpelte Bornkessel los. »Das Heft hat mir Frau Langguth als Faustpfand überlassen – um ihre Verbindlichkeiten beim Historischen Verein zu besichern.«

Leonhard nickte verstehend. »Sie machen also ein Recht zum Besitz geltend.«

»Die Schulden werden von uns bestritten«, grätschte der Fickel in die Diskussion. Schon aus Prinzip.

Bornkessel kramte einen Zettel aus seiner Tasche. »Frau Langguth schuldet dem Historischen Verein insgesamt eintausenddreihundertfünfzig Euro«, erklärte er. »Hier ist der Darlehensvertrag, handschriftlich unterschrieben.« Er erhob sich keuchend und reichte dem Richter das Papier über den Tisch.

Der Fickel war von der Entwicklung mal wieder völlig überfahren. Von einem Pfand, Schulden oder gar einem Darlehensvertrag hatte die Rote Elfriede vorhin auf dem Flur nicht die geringste Andeutung gemacht. Aber die ehemalige Bürgermeisterin schien sich überhaupt keiner Schuld bewusst zu sein. »Ach, das ist doch alles Kokolores«, sagte sie lediglich und winkte ab.

»So würde ich das nicht bezeichnen«, erwiderte Richter Leonhard und fügte den wohlmeinenden Rat hinzu: »Bei dieser Sachlage würde ich Ihnen dringend ans Herz legen, die Klage zurückzuziehen. Dann würden Sie wenigstens ein paar Kosten sparen.«

Bornkessel lächelte triumphierend herüber.

»Es wäre vielleicht in der Tat besser …«, wollte der Fickel einlenken. Doch da hatte er die Rechnung ohne seine Mandantin gemacht.

»Einen Teufel werde ich tun«, begehrte die Rote Elfriede auf. »Ich dachte, wir leben in einem Rechtsstaat!«

»Eben«, sagte Leonhard. »Deshalb müssen Sie sich an Ihren Vertrag auch halten.«

»Im Gegensatz zu früher«, trat Bornkessel mit leiser Häme nach.

Die Rote Elfriede knuffte den Fickel in die Seite und sagte: »Jetzt unternehmen Sie doch endlich was! Wozu bezahle ich Sie denn?«

Und da stand der Fickel mal wieder schön im Regen. Keine Ahnung, keine Chance – und außerdem noch Hunger. In Südthüringen und speziell in Meiningen war man nämlich von Kindheit an darauf konditioniert, relativ früh am Tage zu Mittag zu essen. Spätestens um halb zwölf verlangte Fickels Organismus nach fester Nahrung. Bornkessel schien es ähnlich zu gehen, aus seinem mächtigen Leib vernahm man das Mahlen der leerlaufenden Magenmuskulatur.

»Warum haben Sie denn diesen dämlichen Kreditvertrag auch unterschrieben?«, fragte der Fickel die Rote Elfriede mit leisem Vorwurf.

Die blickte ihn mit großen Augen an. »Ich kann mich gar nicht mehr dran erinnern«, erklärte sie und blickte hilfesuchend zu Astrid Kemmerzehl.

»Die Masche kennen wir ja«, warf Bornkessel ein.

»Das waren doch die Einsätze bei den Bridge-Abenden«, sagte Astrid Kemmerzehl in emotionsloser Offenheit. Aber der Fickel fand, ein bisschen weniger Offenheit hätte im Moment ganz gut getan.

»Bridge-Abende?«, mischte sich Richter Leonhard in die Unterhaltung ein. »Habe ich richtig gehört?«

»Der Historische Verein veranstaltet regelmäßig kleine Preisturniere, um Spenden für die Erhaltung des Schlosses zu generieren«, erklärte Bornkessel eilig. »Nur für den guten Zweck.«

Richter Leonhard blickte erstaunt zur Roten Elfriede: »Wollen Sie mir erzählen, Sie haben tausenddreihundertfünfzig Euro beim Bridge verloren?«

Die Rote Elfriede zuckte mit den Schultern und blickte wieder fragend zu Astrid Kemmerzehl. Der Fickel schüttelte eifrig den Kopf, um Astrid Kemmerzehl davor zu bewahren, ihrer eigenen Arbeitgeberin in den Rücken zu fallen. Doch Astrid Kemmerzehl ließ sich nicht beirren und nickte.

»Dann wird es schon so sein«, erklärte die ehemalige Bürgermeisterin. Als Kommunistin bedeutete ihr Geld anscheinend nichts. Wieder war es Bornkessel, der eine Erklärung lieferte: »Diese Summe stammt natürlich nicht von einem einzigen Abend.«

»Also reden wir hier praktisch von Spielschulden?«, vergewisserte sich Leonhard noch einmal mit Nachdruck.

»Im weiteren Sinne schon«, antwortete der Schlossverwalter. »Eigentlich handelt es sich ja um Spenden.«

»Aber es gab auch was zu gewinnen?«, insistierte der Richter.

»Selbstverständlich«, erwiderte Bornkessel. »Meistens offerieren wir als Preise kleine Schätze aus den Museumsdepots, die dort sonst nur verschimmeln würden.«

Jetzt trat unverhofft eine Pause in der Diskussion ein, was vornehmlich an Richter Leonhard lag, der in seinem kleinen BGB blätterte. »Das ist ja alles gut und schön«, sagte er, nachdem er eine halbe Ewigkeit gelesen hatte. »Aber dann reden wir hier zweifelsohne über einen Spielvertrag.« Er fokussierte Bornkessel. »Und Sie wissen ja, was in Paragraf 762, Absatz eins, Satz eins des Bürgerlichen Gesetzbuches geschrieben steht?«

Aber da stand der Bornkessel genauso auf dem Schlauch wie der Fickel, deshalb sah sich Amtsgerichtsdirektor Leonhard gezwungen, für alle Anwesenden den folgenden Gesetzestext noch mal in all seiner Pracht feierlich vorzulesen: »Durch Spiel oder durch Wette wird eine Verbindlichkeit nicht begründet.«

Andächtiges Schweigen im Saal. Alle Anwesenden ließen die Worte in sich nachklingen.

»Auf gut Deutsch: Spielschulden sind Ehrschulden«, erläuterte Leonhard. »Das dürfte sich ja wohl schon rumgesprochen haben.«

»Ja, und?«, fragte Schlossverwalter Bornkessel verstört. »Deshalb habe ich Frau Langguth ja auch Geld geliehen, damit sie an den Turnieren teilnehmen kann.«

»Aber das Geld haben Sie vorher aus der Vereinskasse genommen?«, hakte Richter Leonhard noch einmal nach.

Der Schlossverwalter bestätigte, angesichts des peinlichen Verhörs schon etwas verstimmt: »Na logisch. So viel habe ich ja normalerweise nicht bei mir.«

Leonhard schüttelte, voller Mitleid über so viel juristische Einfalt, den Kopf und wies Bornkessel nun auf den zweiten Absatz des eben genannten Paragrafen hin, der für jeden Leser klipp und klar besagt, dass auch ein als Spieleinsatz abgegebenes Schuldanerkenntnis nicht einklagbar ist. Das Gleiche musste dann natürlich auch für Elfriedes Darlehensvertrag gelten – oder wie Richter Leonhard es ausdrückte: »Was man linksrum in die Waschtrommel reinsteckt, kommt auch linksrum wieder raus.«

Der Amtsgerichtsdirektor war sichtlich stolz auf sein anschauliches Bild. Schließlich pflegte er als überzeugter Single seine Wäsche selbst zu waschen und kannte sich auf dem Gebiet mindestens so gut aus wie im Zivilrecht.

Jetzt hörte der Fickel ein Knurren, welches das davor gehörte noch bei Weitem übertraf. Doch es kam nicht etwa von Bornkessel, sondern eher aus den Zuschauerreihen, von dort, wo die hagere Astrid Kemmerzehl saß. Auch Leonhard und Bornkessel waren hellhörig geworden. Eine Dame, die solche Geräusche von sich gab, war nicht alltäglich. Vor allem bei einer derart schmalen Figur. Astrid Kemmerzehl ließ sich nichts anmerken, und so dachte jeder der drei anwesenden Herren, er hätte sich verhört.

»Was heißt das denn jetzt?«, wollte die Rote Elfi wissen. »Dieses juristische Kauderwelsch versteht ja kein Mensch.«

»Nach Stand der Dinge werde ich Ihrer Klage stattgeben«, erklärte Leonhard salopp. »Glückwunsch!«

Bornkessel saß da wie ein begossener Pudel und verstand die Welt nicht mehr. Wie immer, wenn er besonders aufgeregt war, stellte sich ein kleiner Sprachfehler ein, vornehmlich bei Wörtern mit f-Lauten.

»Das ist doch v-völlig absurd«, stammelte er. »Ich lege Beruf-fung ein!«

»Ich würde Ihnen viel eher dazu raten, den Anspruch anzuerkennen«, erwiderte Leonhard. »Das kommt Sie billiger.«

Aber Bornkessel beharrte starrköpfig auf seiner Position.

»Wie Sie wünschen«, seufzte Leonhard, als habe er es mit einem bockigen Kind zu tun, und forderte alle Anwesenden auf, sich zu erheben. Dann verlas er »Im Namen des Volkes« das für Fickels Mandantin günstige Urteil. Jetzt zeigte sich, dass der Bornkessel ein schlechter Verlierer war, schließlich war er es nicht gewohnt, beim Zocken das Nachsehen zu haben, als x-facher Skatchampion.

»Das wird Fff-folgen f-für Sie haben!«, brüllte er zornig. »Machen Sie sich auf was gef-fasst.« Und in Richtung der Assistentin: »Und Sie auch!«

»Jetzt schreien Sie doch nicht so, junger Mann«, gab Fickels betagte Mandantin zurück. »Ich bin doch nicht schwerhörig.« Offenbar unterlag ihr Gehör starken Schwankungen.

Aber nicht nur sie war über Bornkessels Ausbruch erschrocken. Plötzlich erklang wieder das markante Knurren im Saal, das allerdings sogleich in ein dünnes Bellen überging. Alle blickten sich irritiert zu Astrid Kemmerzehl um.

»Sehen Sie, was Sie angerichtet haben? Jetzt ist Erich aufgewacht!«, sagte die Rote Elfriede vorwurfsvoll zu Bornkessel.

Fickel glaubte, sich verhört zu haben. Erich …?

Astrid Kemmerzehl fischte ein winziges, am ganzen Leibe schlotterndes Wesen aus der Tasche, das höchstens doppelt so groß wie ein Hamster und erst beim zweiten Hinsehen als Hund erkennbar war, wenn überhaupt: eine winzige Schnauze mit kleinen spitzen Zähnen, wuscheliges Fell und zwei dunkle Knopfaugen, die wütend in die Welt sahen. Eine gewisse Ähnlichkeit mit dem ehemaligen Staatsratsvorsitzenden konnte man dem kleinen Kerl nicht absprechen. Ungerechterweise hatte der Hund ausgerechnet den Fickel als Störer ausfindig gemacht und keifte mit seinem dünnen Stimmchen in dessen Richtung. Vielleicht fühlte er sich auch einfach nur von der aggressiven Farbkombination in Fickels Aufzug provoziert.

»Wie sind Sie denn mit dieser Bestie unten durch die Schleuse gekommen?«, erkundigte sich Richter Leonhard kopfschüttelnd.

»Ich hab denen erzählt, dass Erich ein wichtiger Zeuge ist«, sagte die Rote Elfriede ohne sichtbares Schuldbewusstsein.

»Sie haben es ja faustdick hinter den Ohren«, konstatierte Richter Leonhard grummelnd und machte sich vom Acker. Weil Bornkessel ein Anerkenntnisurteil verweigert hatte, musste er nun ein Urteil mit ausführlicher Begründung schreiben, was ihm natürlich gar nicht in den Kram passte. Auch Bornkessel verließ polternd und fluchend den Gerichtssaal.

»Und wie komme ich jetzt an die Noten?«, erkundigte sich die Rote Elfriede besorgt beim Fickel. »Ich muss sagen, ich finde dieses ganze Rechtswesen ziemlich undurchschaubar.«

»Ich kümmere mich drum, dass das Urteil rasch vollstreckt wird«, erklärte der Fickel. »Das gehört zum Service.«

»Ich danke Ihnen, junger Mann«, sagte Elfriede mit feuchten Augen. »Dieses Stück bedeutet mir nämlich sehr viel.«

In gewohnter Bescheidenheit lehnte der Fickel jeden Dank ab. Schließlich konnte er gar nichts dafür, dass er den Prozess gewonnen hatte.

»Wollen wir den netten Anwalt nicht zu uns zum Essen einladen?«, erkundigte sich die ehemalige Bürgermeisterin bei ihrer Assistentin. »Sie haben doch Ihre leckeren Rouladen gemacht!«

»Ich denke nicht, dass das passend wäre«, erwiderte Astrid Kemmerzehl kühl. »Schließlich hat er ja nur seine Arbeit gemacht.«

Aber ganz ohne Belohnung wollte die Rote Elfriede den Fickel auch nicht ziehen lassen. Deshalb kramte sie aus ihrer Tasche zwei Konzertkarten hervor.

»Die habe ich noch übrig«, erklärte sie, »für das Hofkonzert nächste Woche.«

Als sie Fickels Zögern sah, fügte die ehemalige Bürgermeisterin hinzu: »Oder mögen Sie Brahms etwa nicht?«

Astrid Kemmerzehl tätschelte dem kleinen Erich beruhigend den Kopf, während sie den Fickel interessiert beziehungsweise, wie diesem schien, mit leicht spöttischem Lächeln ansah. Das Hawaiihemd klebte an seiner Brust, die Hitze stieg ihm in den Kopf und ihm war fast schwindelig vor Hunger.

»Doch, natürlich, vielen Dank«, sagte der Fickel und nahm die beiden Karten entgegen. Und damit steckte er, ohne es in dem Moment auch nur zu ahnen, bis zum Kinn in seinem nächsten Mordfall.

II  Brahms interruptus

Eine gute Woche später war das Jahrhunderthoch »Gunther« endlich aus Mitteleuropa, Mitteldeutschland und auch aus Meiningen abgezogen und hatte dem Hoch »Holger« seinen Platz auf der Wetterkarte überlassen. »Holger« entwickelte sich nach einem moderaten Auftakt mit Temperaturen um die dreißig Grad zu einem Jahrtausendhoch. Meiningen wurde in seinem Talkessel von der Sonne ausgebacken wie ein Napfkuchen. Man hatte ja schon gehört, dass die Sahelzone sich ausbreitet, aber dass sie bereits bis Südwestthüringen gelangt war, erwischte die meisten Einwohner auf dem falschen Fuß.

Die ganze Woche über hatte der Fickel versucht, die Karten für das Hofkonzert an den Mann beziehungsweise an die Frau zu bekommen oder doch zumindest eine Begleitung zu finden. – Doch wie verhext: Wen der Fickel auch fragte, alle üblichen Verdächtigen waren am Freitagabend bereits ausgebucht. Der Amthor verwies bedauernd auf einen Canasta-Abend bei seiner Mutter, die Therese hatte sich schon mit ihrer Freundin zu einer Party in Bettenhausen verabredet, und sogar Justizwachtmeister Rainer Kummer, der sonst für jeden Zeitvertreib zu haben war, schützte einen wichtigen Termin vor, vermutlich ein Lokaltermin.

Als der Fickel am Frühstückstisch in seiner Dachmansarde am Töpfemarkt saß und sein Brötchen mit Zwetschgenmus verzehrte, hatte er eine plötzliche Eingebung, wie er zwei Fliegen mit einer Klappe erschlagen konnte. Schließlich schuldete er seiner Vermieterin seit März noch ein Geburtstagsgeschenk. Und siehe da: Frau Schmidtkonz war sofort Feuer und Flamme. Brahms, Brahms und nochmals Brahms – besser geht’s nicht! Das Konzert war seit Wochen ausverkauft, denn aus gut informierten Kreisen war durchgesickert, dass es diesmal etwas ganz Besonderes auf die Ohren geben würde, man munkelte sogar von einer echten Weltpremiere – und das fast hundertzwanzig Jahre nach dem Tod des Komponisten.

Großzügig, wie er nun einmal war, wollte der Fickel seiner Vermieterin gern auch beide Karten überlassen, schließlich erlebte man Weltpremieren in Meiningen praktisch jeden Tag, zum Beispiel beim Autohaus oder im Handyshop. Aber Frau Schmidtkonz bestand darauf, dass ihr Mieter sie persönlich zu dem Event begleitete, sicherlich auch, um vor ihren Freundinnen ein wenig Staat zu machen. Das hatte sich der Fickel nun selbst eingebrockt.

Am späten Freitagnachmittag zwängte er sich also in sein kariertes Welton[6]-Hemd, das über dem Bauchnabel neuerdings ein klein wenig spannte, warf trotz Affenhitze sein bestes Cordsakko über und knatterte mit seiner Vermieterin in seinem beige-braunen Wartburg 353 Tourist die sage und schreibe vierhundert Meter vom Töpfemarkt bis zum Parkplatz an der Reithalle. Natürlich eine Umweltsünde ersten Ranges, aber Frau Schmidtkonz war nun mal eine leidenschaftliche Automobilistin. Seit Jahren lag sie ihrem Mieter in den Ohren, dass der sich als Anwalt endlich ein standesgemäßes Modell zulegen solle; was sie indes nicht ahnte: Der Wartburg war in Fickels Fall durchaus standesgemäß.

Ohnehin gab es schon jetzt zu viele Autos in Meiningen, dem Empfinden nach sogar mehr als Einwohner. Rund um das Schloss, in allen Straßen und Zubringergassen quetschte sich ein Blech an das nächste, praktisch wie zur Rushhour in Moskau. Nur dass das Klassikpublikum nicht unbedingt mit dem Lada oder Moskwitsch unterwegs war, sondern eher in raumgreifenden Muscle-Cars oder panzerartigen SUVs, die pro Fahrzeug mindestens zwei Parkplätze blockierten. Zum Ins-Lenkrad-Beißen! Angesichts des Staus vor der Reithalle schimpfte Frau Schmidtkonz, dass sie ohnehin lieber mit dem Taxi gefahren wäre, weil nämlich erstens Mercedes und zweitens Klimaanlage. Wenn man einmal auf seinen Mieter hört!

Glücklicherweise fand der Fickel nach längerer Suche doch noch einen Parkplatz direkt am Volkshaus, sage und schreibe gerade einmal vierhundert Meter vom Veranstaltungsort entfernt. Der Fickel reichte seiner Vermieterin den Arm und geleitete sie ritterlich durch den Schlosspark, den jeder echte Meininger liebt wie seinen eigenen Garten. Denn hier kann man nach Herzenslust joggen, ein Sonnenbad nehmen, Würstchen grillen oder einfach nur einen Spaziergang unternehmen, dort, wo einst Herzoginnen und Herzöge an der Werra lustwandelten, wenn auch nicht immer miteinander. Überall gibt es verschlungene Wege, blickdichte Büsche und eine ausreichende Zahl versteckter Bänke, wie gemacht für diskrete Stelldicheins, von denen später die zahlreichen Liebesschlösser am Geländer der Bogenbrücke zeugen.

In Erinnerung an die romantische Phase ihrer Jugend seufzte Frau Schmidtkonz »Wie die Zeit vergeht« und stützte sich gleich doppelt so schwer auf Fickels Arm. Wenige Meter weiter schimmerte bereits das majestätisch weiße Corps de logis[7] des ehemaligen Residenzschlosses zwischen den Bäumen hindurch. Die drei Hauptflügel mit den schießschartenartig angeordneten, violett umrandeten Fenstern formten von oben, zum Beispiel vom Herrenberg oder von Google Earth aus betrachtet, ein überdimensionales E. Einige Historiker behaupten, dies sei eine Stein gewordene Hommage an die Namenspatronin des Schlosses, Elisabeth Eleonore von Braunschweig-Wolfenbüttel, andere vermuten eher eine Reminiszenz an den Thüringer Herrscherclan der Ernestiner, den meisten allerdings ist das E egal.

Heutzutage ist Schloss Elisabethenburg nicht nur eine top Touristenattraktion, sondern auch ein bedeutender Hort der Kultur, zum Beispiel der Tischkultur. Dafür bürgen das edle Turmcafé im Hessensaal und vor allem die im Souterrain befindlichen Schlossstuben, wo es nach Meinung von Insidern die besten Hütes[8] von ganz Meiningen gibt und kein Teller unter zehn Euro kostet, abgesehen vom heimlichen Champion auf der Karte, dem Seniorenteller. Außerdem befinden sich im Schloss die Meininger Museen, diverse Staats- und Stadtarchive sowie die Musikschule Max Reger. In dem etwas flacheren Rundbau, der den Hof nach Osten abschließt, waren einst die herzoglichen Ministerien untergebracht. Seit dem Krieg und der Zerstörung des Rathauses hat es sich dort die Stadtverwaltung gemütlich gemacht.

Aus den Augenwinkeln schielte der Fickel hoch zu einem Fenster, hinter dem sich, wie er wusste, das Trauungszimmer befand, in dem er einst mit der Oberstaatsanwältin Gundelwein in den Stand der Ehe getreten war. Dieses Ereignis reihte sich ohne Zweifel nahtlos in eine Reihe historischer Fehlentscheidungen ein, die im Laufe der Jahrhunderte hinter den ehrwürdigen Mauern dieses Schlosses getroffen worden waren.

Um zum Einlass und somit auf den Hof zu gelangen, musste der Fickel mit seiner Vermieterin zu allem Überfluss noch einmal komplett um das Gebäude herumlaufen. Der Eingang befindet sich nämlich zur Stadtseite hin – denn der Herzog wollte seinem Volk aus gutem Grund nicht den Rücken zuwenden. Natürlich nicht aus Misstrauen, sondern aus purer Höflichkeit.

Je näher man dem Eingang kam, desto mehr füllten sich die Wege mit Menschen. Schon auf dem Vorplatz herrschte ein Mordsgedränge, beinahe wie beim Dampfloktreffen. Nur dass hier nicht Jeans und Motto-Shirts das Bild bestimmten, sondern Abendroben, Smokings und weiße Hemden. Das Who is Who der Meininger Gesellschaft gab sich ein Stelldichein. Die Anwesenheit ortsfremder Journalisten, die mit Teleobjektiv-bewehrten Kameras herumstromerten, heizte die Gerüchteküche weiter an. Thema Nummer eins: die Brahms-Weltpremiere. Was könnte das sein? Vielleicht ein drittes Klavierkonzert oder »nur« eine weitere Sonate? Es gab sogar Personen, die mit Schildern nach Karten suchten und hohe Belohnungen versprachen. Doch da konnten sie lange warten.

Der Fickel blickte sich suchend um, ob er irgendwo die Rote Elfriede oder ihre Assistentin erblickte, schließlich hatten sie noch nicht über sein Honorar gesprochen. Aber er konnte sie in der Menge nicht ausmachen. Frau Schmidtkonz griff erneut nach Fickels Arm, um ihn nicht zu verlieren – und vielleicht auch ein bisschen, um den geschwätzigen Weibern aus ihrem Kränzchen einen Anlass zum Tuscheln zu geben. Denn dass die Frau Schmidtkonz mit ihren gut siebzig Jahren eine WG mit einem Mittvierziger führte, das gab natürlich Anlass zu wilden Spekulationen, von denen der Fickel nichts ahnte und die Frau Schmidtkonz daher auch gar nicht erst zu entkräften suchte. Wen schert es schließlich, was andere lästern, solange es schmeichelhaft ist? Der Fickel wunderte sich nur, warum die alten Ladys um ihn herum ständig albern kicherten und mit den Augen zwinkerten wie verschossene Teenager.

Die Einlassbegehrenden stauten sich in der Hofeinfahrt, während verzweifelte Beamte der Stadtverwaltung gegen den Menschenstrom in den Feierabend zu entkommen versuchten. Zu allem Übel drangen von links dicke Schwaden aus dem schlosseigenen Raucherkerker und verpesteten die Atmosphäre über der nach Sauerstoff japsenden Masse. Die in den Mauern gespeicherte Hitze des Tages tat ein Übriges.

»Ich glaube, mir wird übel«, jammerte Frau Schmidtkonz und versuchte verzweifelt, sich mit der Hand Luft zuzufächeln. Der Fickel legte seinen Arm um ihre Schulter und stützte sie, so gut es eben ging. Insgeheim bereute er schon, dass er sich zu dieser Veranstaltung hatte überreden lassen. Erst breitgeschlagen, dann zu Tode gequetscht – das hatte man nun von seiner Gutmütigkeit! Und als ob die Situation nicht schon erniedrigend genug gewesen wäre: Mitten in der Menge, keine fünf Meter von ihm entfernt, sprang dem Fickel plötzlich im Meer der Köpfe ein stolz erhobener roter Schopf ins Auge. Anhand der außergewöhnlich hohen und kräftigen Statur erkannte er sofort die in jeder Hinsicht herausragende OStA[9] Gundelwein, seine rachsüchtige Exfrau, die offenbar nach jemandem Ausschau hielt, nur glücklicherweise nicht in seine Richtung. Fickels Amygdala löste augenblicklich einen heftigen Fluchtreflex aus, und sein Körper wurde mit Adrenalin geflutet – alle Zutaten für eine klassische Panikreaktion.

»Wo wollen Sie denn hin?«, fragte Frau Schmidtkonz besorgt und klammerte sich noch fester an seinen Arm. »Der Einlass ist doch da vorn.«

Mit grotesken, dem Brustschwimmen verwandten Bewegungen versuchte der Fickel, gegen den Strom der Menge anzukämpfen. Doch obwohl er als ehemaliger Anschieber des Bobs Oberhof II nicht direkt Pudding in den Oberarmen hatte, kam er mit Frau Schmidtkonz im Schlepptau keinen Millimeter voran, praktisch wie im Gegenstrombecken. Da konnte er gegen die Menschenflut anstrampeln und drängeln, wie er wollte, der durchtrainierte Körper seiner Exfrau schien ihn unwiderstehlich anzuziehen wie ein schwarzes Loch. Noch anderthalb Meter, noch einen … das war’s! Ohne eigenes Zutun rammte der Fickel seine Wamme in das muskulöse Rückgrat seiner Exfrau. Löffelchenstellung nix dagegen.

»Würden Sie hinter mir bitte nicht so drängeln?«, schimpfte die Oberstaatsanwältin, ohne sich umzuwenden. »Ich würde ja auch gern schneller vorankommen.«

Der Fickel hielt den Atem an. Glücklicherweise hatte er sein Discounter-Rasierwasser, Marke Moschus extra strong, seit seiner Ehe mehrmals gewechselt, sodass das feine Näschen der Gundelwein keine Witterung aufnehmen konnte. Um sich Platz zu verschaffen, fuhr die Oberstaatsanwältin ihre Ellenbogen aus und rammte sie ihrem Hintermann warnend in die Rippen. Schicksalsergeben, praktisch in Duldungsstarre, schluckte der Fickel allen Schmerz stumm hinunter. Jetzt nur keinen Mucks!

»Herr Fickel, ist das nicht Ihre Exfrau?«, tönte plötzlich neben ihm die Stimme von Frau Schmidtkonz, in keineswegs gedämpfter Lautstärke. Offenbar ging es ihr wieder besser. »Ja, wo schauen Sie denn hin? Da, direkt vor Ihnen!«

Das war der Moment, in dem der Fickel um ein Haar seine gute Kinderstube vergessen hätte. Aber einer älteren Dame hält man nicht ohne Weiteres den Mund zu, schon gar nicht, wenn es sich um die eigene Vermieterin handelt. Das verbietet der Respekt.

Der Kopf der Oberstaatsanwältin schnellte herum. Ein Sekundenbruchteil des Schocks, der Peinlichkeit angesichts der ebenso gewohnten wie unerwünschten körperlichen Nähe zwischen zwei Ex-Eheleuten, insbesondere da die Gundelwein in Anbetracht der hochsommerlichen Witterung heute ausnahmsweise eine besonders dünne Bluse trug.

»Na so was«, presste der Fickel etwas unbeholfen heraus, und dann sagte er einfach das Intelligenteste, das ihm in dem Moment einfiel: »Lange nicht gesehen.«

Dabei stimmte das nur halb. Schließlich sah er seine Exfrau regelmäßig in seinen Albträumen. Und ab und zu rettete er ihr das Leben oder umgekehrt, aber niemals freiwillig.

»Nicht lange genug«, erwiderte die Gundelwein und versuchte, ihren Körper räumlich auf Distanz zu ihrem Exmann zu bringen, was trotz ihrer vom Schwimmen gestählten Muskeln ein nahezu aussichtsloses Unterfangen war. Durch die Halbdrehung wurden sie nunmehr fast frontal gegeneinander gepresst, was die Lage keineswegs entspannte. Erschwerend kam hinzu, dass die Gundelwein bei ihrer Arbeit so viel Ärger in sich hineinfraß, dass er in komprimierter Form als Geruchsemission aus ihrem Munde wieder herausströmte. Da konnte und wollte der Fickel nichts schuldig bleiben und ließ unbemerkt ein paar Milliliter von seinem Achselschweiß in den zarten Blusenstoff seiner Exfrau einsickern.

»Was hast du denn hier verloren?«, fragte sie befremdet.

»Och«, machte der Fickel und ergänzte, als wäre es die natürlichste Sache der Welt: »Ich besuche nur ein Konzert.«

Die Gundelwein bekam trotz der unkomfortablen Situation einen Lachanfall, der nicht einmal sonderlich inszeniert wirkte. »Seit wann interessierst du dich denn für Klassik?«

Darauf hatte der Fickel letztlich selbst keine befriedigende Antwort parat. Dass manch einer beziehungsweise manch eine Klassik mit Klasse verwechselt, wollte er in dem aktuellen Umfeld nicht so direkt hinausposaunen. Wie Justizwachtmeister Rainer Kummer immer zu sagen pflegte: Mit seiner Frau zu diskutieren heißt schweigen lernen. Das galt natürlich insbesondere für Exfrauen. Glücklicherweise ploppten sie wenig später als menschlicher Korken aus dem Flaschenhals der Toreinfahrt heraus und fanden sich unversehens im Schlosshof wieder.

»Ja, dann: viel Vergnügen«, wünschte die Oberstaatsanwältin ironisch, strich sich Rock und Bluse glatt, zückte ihre VIP-Eintrittskarte und schritt an der Schlange der Normalsterblichen vorbei durch den Einlass.

»Eins muss man ihr ja lassen. Sie hat wirklich schöne lange Beine!«, sagte Frau Schmidtkonz mit Kennermiene. »Besonders von hinten«, kommentierte der Fickel, ohne hinzusehen. Eigentlich hätte er jetzt einen Schnaps gebraucht und wäre am liebsten gleich nach links in die Schlossstuben abgebogen, aus deren Küche es verführerisch nach brauner Bratensoße und Gänsefett duftete. Aber erst kommt die Kultur und dann das Vergnügen.

Kaum dass sich der Fickel von der Begegnung mit seiner Ex erholt hatte, stieß ihn jemand in die Schwarte, und eine Stimme befahl: »Bitte treten Sie zur Seite!« Ein paar Security-Leute versuchten, eine Gasse zu bilden. Im Zentrum einer Menschentraube näherte sich eine junge, vielleicht fünfundzwanzigjährige Frau in einem sommerlich leichten, aber dennoch eleganten Chanel-Kostüm, die eine für Meininger Verhältnisse geradezu sagenhafte Grandezza ausstrahlte.

»Das ist die Prinzessin!«, flüsterte die Frau Schmidtkonz ehrfürchtig. »Donata von Sachsen-Meiningen.« Und der Fickel staunte nicht schlecht, mit welcher Akkuratesse die ehemalige FDGB[10]-Funktionärin Frau Schmidtkonz einen formvollendeten Knicks vor der hochwohlgeborenen Dame hinlegte. Es war das erste Mal, dass der Fickel eine leibhaftige Prinzessin aus der Nähe sah, mal abgesehen von der Wasunger Karnevalsprinzessin. Aber wenn man das Staunen und die Ehrfurcht der Menschen um sie herum beobachtete, wunderte es einen nicht, dass manch einer die Abschaffung der Monarchie in Sachsen-Meiningen bis heute für einen Irrtum hält. Denn Hand aufs Herz: Was wäre den »Mäningern« nicht alles erspart geblieben, wenn man anno 1918 nicht so voreilig gewesen wäre, die herzogliche Familie davonzujagen – Revolution und Inflation, Hitler und Honecker, Diktatur und Demokratie. Meiningen wäre heute ein blühender monarchistischer Zwergstaat, in einer Liga mit Monaco, Andorra, Liechtenstein oder dem Vatikan.

Im Gegensatz zu vielen anderen Deutschen Klein- und Möchtegerngroßstaaten hatten die Meininger durchaus auch positive Erfahrungen mit ihren Monarchen gemacht, insbesondere mit Donatas Ururgroßvater, Georg II., dem kunstsinnigen und überaus liberalen Theaterherzog, der für viele Meininger wie kein Zweiter die gute alte Zeit repräsentiert, da er sich hochbetagt die Freiheit nahm, am 25. Juni 1914, just drei Tage vor der Ermordung des österreichischen Kronprinzen Franz Ferdinand in Sarajevo, dahinzuscheiden und die mordende Moderne einfach nicht mehr mitzuerleben.

Eine weitere prominente Vertreterin des herzoglichen Stammbaums, Prinzessin Adelheid, war im 19. Jahrhundert durch eine geschickte Heiratspolitik sogar bis auf den englischen Thron gelangt. Wobei manch einer darin auch einen Abstieg zu erkennen glaubt. Die tapfere Adelheid hatte in der fremden Umgebung durchaus ihren Weg gemacht, auch wenn sie in der Londoner Times als hässlich und reaktionär beschimpft wurde, was am Meininger Hof um ein Haar zu einer Kriegserklärung geführt hätte. Trotz der schlechten Presse war Adelheid als Königin derart erfolgreich, dass im fernen Australien eine Stadt nach ihr benannt wurde.[11] Außerdem avancierte sie, womöglich aufgrund ihrer kühlen Ausstrahlung, zur Namenspatronin einer kargen Insel in der Antarktis. Das können sonst nicht viele Meininger von sich behaupten.

Obwohl die aktuelle Prinzessin Donata mit besagter Adelheid in gewisser Weise noch verwandt sein musste, wirkte sie auf den Fickel weder kühl noch reaktionär und schon gar nicht hässlich. Auf geheimnisvolle Weise gelang es ihr, den Menschen, die sich von allen Seiten an sie herandrängten, gleichzeitig zuzulächeln. Selbst ihr Hinterkopf lächelte, wie auch immer sie das anstellte. Ihr Blick wirkte zugleich bescheiden und entschuldigend für den Umstand, dass so ein Gewese um sie gemacht wurde.

»Eine reizende Person, finden Sie nicht?«, kommentierte Frau Schmidtkonz die Begegnung aufgeregt wie ein junges Mädchen. Und diesmal musste auch der Fickel zugeben: »Ganz nett.« Jetzt war auch dem Letzten klar, dass heute etwas Großes bevorstand, bei derart prominenten Gästen, beinahe wie beim Wiener Opernball.

Frau Schmidtkonz kicherte vor Vorfreude. Doch gerade als der Fickel mit ihr den Einlass passieren wollte, baute sich vor ihnen ein menschlicher Fleischberg auf. »Sie und Ihre Begleiterin dürfen hier nicht rein«, erklärte Schlossverwalter Bornkessel kategorisch.

Der Fickel glaubte erst, der andere erlaube sich einen Spaß mit ihm, und verwies auf die gültigen Eintrittskarten. Doch Bornkessel war nicht zum Scherzen aufgelegt.

»Die Karten sind personengebunden und gelten nur f-für Mitglieder des Historischen V-vereins«, erklärte er. »Außerdem übe ich hier das Hausrecht aus!«

Frau Schmidtkonz versuchte verzweifelt zu diskutieren, aber es war natürlich zwecklos. Hinter ihnen wurden die Einlassbegehrenden langsam unruhig. Bornkessel gab zwei Ordnern ein Zeichen, die Störer abzudrängen.

»Lassen Sie wenigstens die Dame rein«, bat der Fickel ganz uneigennützig und fügte vertraulich hinzu: »Sie ist die Tante des Staatssekretärs.«

Bornkessel geriet ins Überlegen: Einerseits lügen Anwälte ja bekanntlich wie gedruckt, andererseits möchte man es sich auch nicht mit einer einflussreichen Tante verscherzen.

»Was reden Sie denn da?«, protestierte Frau Schmidtkonz. »Mit Politikern möchte ich nichts zu tun haben!«