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Sie haben ein Unternehmen mit problematischem Portfolio? Genmais? Produktion in asiatischen Sweatshops? Kein Problem: Mars & Jung kümmert sich darum.
Die Agentur bietet eine ganzheitliche Betreuung, von viralen Imagekampagnen über die Beschaffung von Fair-Trade-Zertifikaten bis zum Krisenmanagement vor Ort. Falls es irgendwo mal brennt.
In einer Textilfabrik zum Beispiel. In der es keine Fluchtwege gibt.
 
Thomas Hessel ist in dieser Greenwash-Welt zu Hause. Und er verfügt über die perfekten Eigenschaften, um hier Karriere zu machen: Kreativität, Empathie, Aufopferungsbereitschaft – und totale Skrupellosigkeit. Für PR-Stories reist er nach Brasilien, Indien oder Ghana und geht für den Erfolg seiner Projekte über Leichen. Er liefert dabei, was von ihm verlangt wird: die Lügen, die wir alle glauben wollen. Bis er selbst zum Opfer der eigenen Ambitionen wird.
 
 
Karl Wolfgang Flender, 1986 in Bielefeld geboren, studierte Literarisches Schreiben an der Universität Hildesheim und war Mitherausgeber der Literaturzeitschrift BELLA triste sowie Mitglied der Künstlerischen Leitung von PROSANOVA 2014. Er promoviert an der Universität der Künste Berlin im Bereich Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation.

Karl Wolfgang Flender

GREENWASH, INC.

Roman

 

Um ein Freund der Erde zu sein, muss man
zum Feind des Menschen werden.
 
T. C. Boyle

 

Teil 1

1

»Sei nett zu den Eingeborenen. Und vergiss mich nicht«, steht auf meinem Smartphone, als ich durch die automatischen Schiebetüren des Flughafengebäudes auf den Parkplatz trete. Die gleißende Sonne macht es unmöglich, noch etwas auf dem Display zu erkennen, also stecke ich das Handy in die Hosentasche und ziehe meine Ray-Ban hervor. Ich betrachte mich kurz in den Gläsern, korrigiere eine widerspenstige Haarsträhne und setze die Brille auf.

Der Reisebus wartet bereits mit laufendem Motor. Die Türen sind geöffnet, eine Servicekraft steht rauchend davor. Hinter dem Bus erhebt sich der Regenwald in einem saftigen Krombachergrün. Beim Landeanflug habe ich gesehen, dass das Flughafengelände und die angeschlossene kommerzielle Zone wie ein betoniertes Quadrat aus ihm herausgeschnitten wurden.

Ich reiße den Aufkleber mit dem Barcode vom Griff meines Trolleys und werfe ihn in einen Abfallkorb. Ich vermute, die Koffer der Journalisten drehen immer noch ihre Kreise auf dem Band, weil die komplette Gruppe noch vor der Gepäckausgabe einkassiert wurde. Mich wundert das nicht sonderlich, denn wer hat schon gern eine ganze Horde von denen im Land? Christoph hat sich netterweise bereit erklärt, in der Halle auf sie zu warten. Er wollte sowieso noch bei den Hautpflegeprodukten im Duty Free Shop vorbeischauen. Ich öffne den obersten Knopf meines Hemdes und gehe zum Bus.

Da die Servicekraft keine Anstalten macht, ihre Zigarette auszudrücken, stelle ich meinen Rollkoffer demonstrativ vor die Ladeklappe und lege die Tasche mit meinen Anzügen vorsichtig darüber. Ich steige durch den vorderen Eingang in den Bus, nehme die Sonnenbrille ab und warte, bis meine Augen sich an das schummrige Licht gewöhnt haben, das durch die getönten Scheiben fällt. Der Fahrersitz ist leer. Ich drehe den Zündschlüssel nach links, und der Motor verstummt. Dann schalte ich auch noch den rot leuchtenden AC-Knopf aus, denn bei geöffneten Türen ist eine laufende Klimaanlage wirklich leichtsinnige Verschwendung.

Ich wähle eine Gruppe aus cremefarbenen Ledersitzen im vorderen Teil und verstaue meinen Duffle Bag in der Ablage. Durch das Fenster sehe ich, wie der Busfahrer in einen kleinen Bachlauf pisst. Das Wasser ist braun und fließt in einer Biegung auf den Wald zu, wo es zwischen den Bäumen im Unterholz verschwindet.

Ich hole den Zettel hervor, auf den meine Sprechtrainerin ein paar Übungen notiert hat, die ich täglich machen soll. »P!« Mit möglichst viel Luft stoße ich den Konsonanten hervor, wie ein Grundschüler, der nur den Mitlaut ausspricht, bevor er richtig buchstabieren lernt. »T!« Ich achte darauf, dass mein Bauch dabei hervorspringt, denn das Zwerchfell ist laut meiner Trainerin das zweitwichtigste Sprechorgan und sollte beim Sprechen den Bauch ständig mitbewegen – auch wenn ich mir das im Alltag kaum erlauben kann. »K!« Ich wiederhole die Übung zehn Mal, dann erhöhe ich die Geschwindigkeit und schieße die Buchstaben hervor wie ein Maschinengewehr: »PTK PTK PTK!«

Irgendwas bewegt sich in meinem Augenwinkel. Ich blicke durch den Gang nach hinten. Ein grüner Vogel flattert nervös gegen die Heckscheibe. Sein Schnabel klackt gegen das Glas. Auf dem Boden unter ihm ist eine Schale Erdnüsse verstreut. Ich stehe auf und versuche, ihn mit lautem Klatschen in Richtung der Türen zu scheuchen, aber er bewegt seine Flügel nur noch schneller, stößt schrille Schreie aus und knallt mit voller Wucht gegen ein Fenster.

Dort, wo er gegen die Scheibe geflogen ist, ist ein fettiger Abdruck zurückgeblieben. Ich muss an die ganzen Vögel denken, die Sommer für Sommer gegen die Fenster unseres Wintergartens geprallt sind. Vergeblich habe ich meinen Vater gedrängt, schwarze Vogelsilhouetten auf die Fenster zu kleben, aber er weigerte sich. Unser Wintergarten sollte schließlich nicht aussehen wie eine Berufsschule. Also verbuddelte ich jede Woche eine Amsel, einen Spatz oder ein Rotkehlchen hinter der Tanne im Garten. Auf der Scheibe blieben noch tagelang die Abdrücke der ausgebreiteten Flügel zurück, bis die Haushälterin sie schließlich wegputzte.

Für einen Moment stelle ich mir vor, wie es wäre, den Vogel einfach hier im Bus zu lassen, bis er vor Angst zu scheißen beginnt und Christophs feinen Anzug und all die Polyester-Jacketts der Journalisten mit weißen Klecksen garniert. Aber dann sehe ich, wie müde der Vogel gegen die Fensterscheibe anflattert und schließlich auf der Sitzbank landet, wo er sich ganz hinten in die Ecke drängt. Seine Federn glänzen dunkelgrün und sind mit weißen Flecken besprenkelt. Der schwarze Kopf, den er ruckartig hin und her bewegt, ist durch einen hellen Strich vom restlichen Körper abgegrenzt. Ab und zu öffnet er seinen ungewöhnlich langen und geraden Schnabel und stößt schrille Laute aus.

Ich öffne die Voices of Birds-App und drücke auf den Button, der die Form eines Schnabels hat. Während das Programm den Gesang analysiert und mit der Datenbank abgleicht, wird Werbung für Nahrungsergänzungsmittel angezeigt. Dann erscheint auf dem Display ein Foto des Vogels und der Name: Grünfischer (Chloroceryle americana). Auf dem Bild hat er allerdings einen braunroten Fleck auf der Brust. Da für gewöhnlich die farbenprächtigeren Männchen fotografiert werden, nehme ich an, dass dies hier ein Weibchen sein muss, weil ihre Brust grün ist wie der Rest der Federn. Ich überfliege den Text: »Normalerweise hält sich diese Art hauptsächlich an Flüssen und im Unterholz auf. Der Grünfischer ist weit verbreitet und wird in der Roten Liste der IUCN als ›Least Concern‹ eingestuft.« Ich frage mich, wie er hierhergekommen ist. Klimatisierte Busse in Flughafennähe sind nicht gerade sein Habitat. Das Gleiche könnte er aber auch mich fragen.

Ich rede beruhigend auf den Vogel ein, während ich mich ihm nähere. Ich imitiere das Zwitschern einer Meise. Obwohl ich das bestimmt seit zehn Jahren nicht mehr gemacht habe, gelingt es mir ganz gut. Der Vogel wendet zwar seinen Kopf, fällt aber nicht darauf herein. Als Kind habe ich mich immer gefragt, ob das Singen der Vögel eine allgemeine Sprache ist oder ob jede Art ihre eigene hat, die die anderen nicht verstehen. Ich berühre den Button, der das Singen des Grünfischers abspielt. Das helle Rufen erklingt aus meinem Smartphone. Ruckartig wendet der Vogel den Kopf und fängt an, Klickgeräusche zu machen, die sich anhören, als würde man nasse Kiesel aufeinanderschlagen. Er tapst einen Schritt aus seiner Ecke heraus. Ich frage mich, ob wir gerade flirten. Da ich aber immer nur den gleichen Ton abspielen kann, wird es ihm leider bald langweilig mit mir werden.

Ich löse die Druckknöpfe, mit denen das Gepäcknetz an der Ablage unter der Decke befestigt ist, und knie mich auf den Sitz. Als ich das Netz aufspanne, habe ich kurz das Gefühl, wir schauen uns an. Vorsichtig lege ich das Netz über ihn. Der Vogel schlägt panisch mit seinen Flügeln und verheddert sich in den Maschen. Als er nach einer Minute merkt, dass es zwecklos ist, zieht er die Flügel ein und kauert sich zusammen.

Ich versuche, ihm eine Erdnuss durch das Netz zu reichen. Wild pickt er auf meine Hand ein, und die Nuss fällt runter. Damit er mich beim Raustragen nicht verletzt, ziehe ich mein Jackett aus und lege es vorsichtig über das Netz. Ich spüre die Zuckungen des Tiers durch den Stoff, als ich es nach draußen ins Sonnenlicht trage.

In der Nähe des Bachs lege ich das Bündel auf den Asphalt, ziehe mein Jackett zur Seite und öffne das Netz. Der Vogel scheint im ersten Moment überrascht, denn er fliegt nicht sofort los. Er tapst ein paar Schritte auf dem Asphalt und blinzelt ins Sonnenlicht. Dann schwingt er sich mit seinem hellen Ruf in die Luft, ohne mich noch eines Blickes zu würdigen. Ich kneife die Augen zusammen und schaue ihm nach, bis er im Wald verschwunden ist, dann hebe ich das Netz und mein Jackett vom Boden auf. Am Innenfutter ist ein weißer Fleck zu sehen. Ich wische ihn mit einem Taschentuch ab.

Die Servicekraft ist gerade dabei, meinen Koffer in den Gepäckraum zu laden. Christoph tritt aus dem Flughafengebäude. Er setzt seine verspiegelte Sonnenbrille auf, die Tasche mit den Anzügen hat er lässig über die Schulter geworfen, am Teleskopgriff seines Trolleys baumelt eine Plastiktüte aus dem Duty Free. Ein paar Meter hinter ihm folgen die Journalisten. Die abgenutzten Plastikräder ihrer Rollkoffer holpern über den Asphalt. Schneider winkt mir mit einer gefalteten Zeitung ironisch zu. Der Motor läuft schon wieder. Ich atme noch einmal tief durch und steige in den Bus.

 

Als Kind stand ich dem Sterben der Vögel ohnmächtig gegenüber. Heute kann ich als Teil eines weltweiten Netzwerkes von Unternehmen, Einzelpersonen und NGOs aktiv die Umwelt schützen. Für die Rettung bedrohter Tierarten tun wir alles. Zur Not packen wir auch persönlich an. Wir sprechen nicht alle die gleiche Sprache, aber wir verstehen uns – das haben wir mit den Vögeln gemeinsam. Denn uns eint ein gemeinsames Ziel.

Mars & Jung – We care for nature.

2

Ich sitze in einem cremefarbenen Ledersitz und beobachte, wie die Blasen in meinem Champagnerglas von den Erschütterungen des Busses aus der Bahn gelenkt werden. Die meisten steigen senkrecht nach oben und zerplatzen sanft an der Kontaktfläche zur klimatisierten Luft. Ab und zu löst eine Unebenheit der Straße eine Kettenreaktion aus. Dann sprudeln die Perlen plötzlich durcheinander, verschmelzen zu einer großen Blase und reißen ein Loch in die ruhende Oberfläche.

Hinter den getönten Scheiben zieht brachliegendes Land vorbei. Der hellbraune Boden ist von tiefen Rissen durchzogen. Ein paar verkohlte Baumstümpfe ragen noch zwischen den Erdschollen heraus. Ich checke die Fakten mit meinem Smartphone. Fünfzig Jahre braucht die Natur, um einen Millimeter ausgelaugten Boden wieder fruchtbar zu machen. Ich speichere den Artikel im Ordner Argumente und schieße ein Foto. Darauf wirkt die Landschaft wegen der Tönung der Scheiben besonders trist.

Am Straßenrand drängen sich ein paar Hütten zusammen. Ein verrottetes Reklameschild zeigt ein weißes Mädchen, das Coca-Cola trinkt. Neben dem Schild verbrennen zwei Männer Plastikmüll und grillen etwas, das sie auf Holzstöcke gespießt haben, vermutlich irgendeinen von der Schnellstraße gekratzten Köter. Guten Appetit, Jungs. Ich stecke mir eine pikant gewürzte Erdnuss in den Mund. Sie ist perfekt geröstet. Die beiden Hälften teilen sich, wenn ich sie sanft mit der Zunge gegen meine obere Zahnreihe drücke. Ich blicke noch einmal kurz nach draußen und atme durch. Die Straße macht eine Kurve, und ich kann die schwarze Rauchsäule noch für eine Weile in der Ferne erkennen, dann verflüchtigt sie sich am diesigen Horizont.

Ich nehme einen Schluck Champagner und überlege, ob ich einen der Wirtschaftsjournalisten aus unserer Entourage fragen soll, welche Auswirkungen tektonische Erschütterungen auf die Blasenbildung haben. Doch dafür müsste ich zu ihnen in den Fond des Busses gehen, aus dem es schon jetzt, noch keine halbe Stunde nach Abfahrt, unangenehm lärmt. Die blondierte Servicekraft geht gerade mit einer neuen Flasche Champagner nach hinten. Außerdem möchte ich den Journalisten ungern das Gefühl geben, dass ich mich an sie ranschmeiße. Im letzten Briefing vor dem Abflug hat mir der Kommunikationscoach noch einmal eingeschärft, dass im persönlichen Umgang mit Embedded Journalists unbedingt Distanz zu wahren ist. Journalisten sind empfindliche Tiere. Wittern sie, dass jemand Einfluss auf ihre Inhalte nehmen könnte, werden sie sofort scheu. Ich weiß, wovon ich spreche. Schließlich war ich selber mal einer.

Das Brachland ist jetzt von einem vitalen Grün abgelöst worden. Ein großformatiges Schild am Straßenrand zeigt einen Maiskolben und das Logo unseres Klienten. Die Pflanzenreihen sind rechtwinklig entlang der Straße ausgerichtet, sodass sich beim Fahren der Blick in die schmalen Korridore öffnet. Hier und da untersuchen Arbeiter die riesigen Pflanzen auf Schädlingsbefall. In regelmäßigen Abständen führen Stichstraßen in die Felder, auf denen antiquiert wirkende Landwirtschaftsfahrzeuge entlangschleichen und in rhythmisierten Fontänen Wasser, Nährflüssigkeit oder was auch immer in die angrenzenden Reihen spritzen. Die Sonnenstrahlen brechen sich in den Tropfen zu lauter kleinen Regenbögen.

Ich hoffe, die Journalisten sind nicht zu sehr mit ihren Getränken beschäftigt, sondern schauen ab und zu auch mal aus dem Fenster. Denn schon der Weg vom Flughafen zum Hotel ist das optimale narrative Setting für eine Reportage über die Potenziale von biotechnologisch optimiertem Mais. Ich mache mir eine Notiz in meinem Smartphone. Ich werde die Journalisten bei Gelegenheit dezent auf diese wundersame Metamorphose der Einöde zu blühenden Landschaften hinweisen.

Christoph lässt sich mir gegenüber in einen Sitz fallen. Er macht eine Bemerkung über den anschwellenden Lärm der Journalisten und versucht, seine feucht glänzenden Hände unbemerkt an seiner Anzughose trocken zu reiben. Ich halte ihm ein extraweiches Papiertaschentuch hin. Er zögert minimal zu lange, bevor er es nimmt. Seit ich Christoph darauf aufmerksam gemacht habe, dass elektrische Handtrockner die letzten Keimschleudern sind, sieht man ihn ständig, wie er seine Hände trocken wedelt oder heimlich an seiner Hose abwischt. Er ist so ein typisches Beispiel für einen Mann, der als Jugendlicher unter heftiger Neurodermitis und völliger Missachtung der Mädchen litt, sich aber dank hormoneller Veränderungen, Fitnessstudio und gelegentlichen Solariumsbesuchen beeindruckend gemausert hat. Jetzt ist es so, als habe er Superkräfte. Frauen und Erfolg fliegen ihm zu, seine ganze Erscheinung strotzt vor Selbstbewusstsein. Ein Rest Unsicherheit bleibt aber immer. Man muss nur wissen, wo man ihn findet.

Christoph fängt sich schnell wieder und stößt mit mir an. Auf den vielversprechenden Auftrag und die betrunkene Reisegruppe, die uns und unserem Klienten dabei helfen wird, die globale Nahrungsmittelkrise in den Griff zu bekommen. Noch einen Moment hängt das Klirren der Gläser in der Luft, dann leert Christoph seinen Champagner und lässt sich von der lächelnden Servicekraft nachschenken. Ich nehme einen großen, aber kontrollierten Schluck.

Hinter den getönten Scheiben erkenne ich Ansammlungen von Wellblechhütten, die am Steilhang eines Berges kleben. In der Regenzeit gehen dort garantiert Schlammlawinen ab und reißen alles mit sich. Ein paar Monate später werden die Behausungen von neuen Bewohnern wieder aufgebaut. Man könnte das Zuversicht nennen, aber es ist vermutlich der gleiche menschliche Grundirrtum, gegen den die Versicherer in unseren Breiten mit viel PR-Aufwand zu kämpfen haben. Dass es einen selbst trifft, glaubt man nie.

Regentropfen rinnen die Scheiben des Busses herab. Christoph ist eingenickt. Seine muskulöse Brust hebt und senkt sich regelmäßig unter seinem marinefarbenen Maßhemd aus Organic Cotton. Ich schätze, dass er einen Trainingsvorsprung von etwa sechs Monaten hat, denn sein Oberkörper ist bereits perfekt ausdefiniert. Aber ich hole auf. Und fünf Jahre Altersunterschied sind beim Muskelaufbau pures Kapital.

Christophs Kopf kippt etwas nach hinten und der Kehlkopf ragt frei aus dem Haifischkragen. Verhaltenspsychologen sehen in der Bloßstellung des Halses eine Demonstration von Stärke, doch ich denke, ich sollte diese Geste nicht voreilig überinterpretieren. Sein Mund ist geöffnet, und man hört leises Schnarchen. Ich schätze, ich habe noch nicht das Standing in der Agentur, um ihm ungestraft eine Nuss in den Rachen werfen zu können, denn zurzeit ist er dort der unangefochtene Star und Jens Mars’ Liebling. Sie gehen abends sogar regelmäßig zusammen Squash spielen.

Christoph hat die Agentur mit seinen herzzerreißenden und authentischen Geschichten aus der Dritten Welt auf ein ganz neues Level gebracht. Deshalb hat er ein Vorkaufsrecht auf unsere weiblichen Trainees, das er auch großzügig in Anspruch nimmt. Auf seine aktuelle Flamme – eine brünette Junior-PR-Beraterin namens Christina mit Background in der Umweltbewegung, den man ihr aber nullkommanull ansieht – habe ich auch ein bisschen ein Auge geworfen. Sie lässt mich aber immer eiskalt abblitzen, denn ich stehe nur eine mickrige Gehaltsstufe über ihr.

Ich lasse mich etwas tiefer in den Sessel sinken und schreibe Marina eine Nachricht, dass wir gut angekommen sind und bisher alles super läuft, dann füge ich noch etwas Intimes, Floskelhaftes hinzu, von dem ich sicher weiß, dass sie darüber lächeln muss. Dazu knipse ich ein Selbstporträt. Ich mit Champagner im Shuttlebus, dahinter kann sie durch den Regen die vorbeiziehenden Elendsviertel erahnen. Eine durch und durch ironische Geste also, denn normalerweise lachen Marina und ich über Leute, die so was in Sozialen Netzwerken posten: ich und meine Liebste vor dem Eiffelturm, ich vor dem Machu Picchu, ich mit einem süßen Schokobaby in einer Aidsstation.

Wenn Mars & Jung mich zur Inszenierung von Hope Stories um die Welt schickt, sende ich Marina Selfies statt Postkarten, als kleine Entschädigung fürs Zuhausebleiben. Anfangs hat sie die Bilder noch ausgedruckt und mit Magneten am Kühlschrank befestigt, gleich neben den Babyfotos, die sie immer häufiger von ihren Freundinnen bekommt. Irgendwann hat sie damit aufgehört, warum, weiß ich nicht. Ich habe ihr mehrmals vorgeschlagen, mich zu begleiten – für die Agentur gar kein Problem, Jens Mars legt Wert auf enge Mitarbeiterbindung –, aber Marina lehnt solche »geldwerten Vorteilsnahmen« kategorisch ab. Schließlich ist sie so etwas wie eine unabhängige Wissenschaftlerin. Ich glaube allerdings, dass sie bald schwach wird, denn in Bewerbungsgesprächen machen die Professoren trotz aller postkolonialen Tourismus-Kritik immer ein fettes Minus auf den Bewerbungsbogen, wenn sie hören, dass die junge Nachwuchsethnologin noch nie außerhalb Europas war.

Ich nehme noch einen Schluck Champagner und stelle mir vor, wie Marina in Jogginghose in unserer lichtdurchfluteten Wohnung sitzt und ihre Bücher über Kulturanthropologie und Konstruktivismus auf dem Esstisch neu ordnet. Dabei fallen ihr ständig blonde Strähnen ins Gesicht, die sie mit gekonnter Handbewegung hinter ihre Ohren streift. Auf der Stupsnase liegt die Brille mit Hornfassung, die sie neuerdings trägt. Angeblich sieht sie in der Ferne immer schlechter. Doch der Sehtest beim Optiker hat lediglich 0,3 Dioptrien ergeben. Ich vermute ja, es geht ihr nur um einen Seriositätsmarker, denn bei Charity-Events setzt sie neuerdings immer dieses Teil auf, um bloß nicht mein blondes Häschen zu sein. Wenn sie dann mitten im angenehmsten Small Talk anfängt, über genderbezogene Fremdzuschreibungen in den europäischen Erinnerungskulturen zu dozieren, denke ich manchmal, dass sie etwas zu verbissen ist. Zwar nicken unsere Gegenüber zunächst pseudointeressiert, müssen dann aber rasch ihre leeren Gläser nachfüllen. Immerhin habe ich Marina abgerungen, ihre spitzen Kommentare über die Finanzierung dieser Veranstaltungen und der Agentur im Allgemeinen nicht mehr in hörbarer Lautstärke zu formulieren. Schließlich bezahle ich mit dem Geld, das ich hier verdiene, das Projekt ihrer wissenschaftlichen Selbstverwirklichung.

Als wir die Stadt erreichen und die mautpflichtige Straße endet, hat gerade die kurze Äquator-Dämmerung eingesetzt. Alles ist vollgestopft mit abgeranzten Autos des vorletzten Jahrzehnts, die hupen und Wolken von Abgasen in die Luft blasen. Ich sehe auf meine Hublot, die ich bei einem Online-Uhrenverleih geleast habe. Dann schreibe ich eine knappe Nachricht an den Typen vom Außenbüro, dass wir uns auf unbestimmte Zeit verspäten. Ich öffne noch einmal das Skript für die Hope Story und gehe die Details durch.

Juana, eine junge Bäuerin, deren Familie bei einer außer Kontrolle geratenen Brandrodung ums Leben gekommen ist, schlägt sich mit ihrem kleinen Sohn ganz alleine durch (je nach Besetzung mit Option auf Prostitution). Sie ist ganz unten. Doch durch das großzügige Sozialprogramm unseres Klienten erhält sie kostenlos Saatgut für ihr Land und kann sich und ihren Sohn wieder ernähren. Nach den ersten Ernten kann sie sogar zwei Arbeiter einstellen und führt jetzt ein kleines Unternehmen.

Eigentlich müsste ich nervös sein bei meinem ersten federführenden Storytisement, aber vermutlich wirken die Tranquilizer, die ich vor Abflug geschluckt habe, immer noch. Meine Sorge, die Sache könnte zu wenig faktenbasiert sein, ist jedenfalls verflogen. Das waren wohl nur alte journalistische Reflexe. Und außerdem fußt die Sache ja auf gründlicher Recherche von Christophs Praktikantin. Dauernd sterben irgendwo Familien bei Brandrodungen, die Lokalzeitungen hier sind voll davon.

Als der Bus vor dem Hotel anhält, stehe ich auf und beuge mich über Christoph. Sein Atem geht ruhig, doch unter seinen Lidern bewegen sich die Augäpfel schnell hin und her. Ich nehme eine Nuss aus der Schale und drehe sie langsam zwischen den Fingern. Dann lasse ich sie in Christophs Schoß fallen. Er fühlt sich zu sicher.

Um ihn zu wecken, lege ich meine Hand sanft auf seine Schulter. Vor Schreck zuckt er zusammen und schaut blinzelnd zu mir hoch. Ich lächle und sage: »Zeit, aufzuwachen.«

3

Ein paar Stunden später nehmen Christoph und ich ein Taxi zu einem Rodízio, wo wir unsere Kontaktperson und die Schauspielerin treffen wollen. Draußen ziehen die kalt angestrahlten Glasbauten des Neuen Distrikts vorbei. Die anonymen Klötze unterscheiden sich von denen in Frankfurt, Schanghai oder L.A. höchstens durch die Sprache auf den epileptisch blinkenden Neontafeln, also konzentriere ich mich lieber auf ein besonders schwieriges Level in einer neuen App. Ich bin ein lustiges Eichhörnchen und schieße mit bunten Blasen auf andere bunte Blasen. Immer wenn drei gleichfarbige aufeinandertreffen, platzen sie mit einem saftigen Plopp. Der Sound verbindet sich angenehm mit der sanften elektronischen Musik aus meinen In-Ear-Kopfhörern, die mich vom Verkehrslärm und von Gesprächen mit Christoph abschirmen. Aber der ist sowieso schon wieder eingeschlafen. Ich glaube, er nimmt die falschen Beruhigungsmittel. Oder zu viele.

Mein Daumen gleitet hektisch über das Display. Je mehr Blasen ich zerschieße, desto schneller füllt sich die Spielfläche mit neuen. Ich treffe schlecht, und die Blasenwand droht das Eichhörnchen zu erdrücken. Es blickt panisch nach oben, seine Augen werden zu X-en, und es legt eine rote Blase in die Abschussrampe. Ein Tropfen Schweiß rinnt aus meiner Achsel. Ich gebe noch ein paar Verzweiflungsschüsse ab, dann wird das Eichhörnchen von den Blasen vaporisiert. Plopp, Game Over. Ich fluche leise und lehne meinen Kopf an die angenehm kühle Scheibe. Dann starte ich das Level neu. Diesmal läuft es besser. Irgendwie gelingt es mir, die grünen Blasen zu einer Monsterblase zu verschmelzen, die alle anderen in einer riesigen Explosion mitreißt. Der Combo-Bonus fällt golden vom Himmel. Ich, beziehungsweise das Eichhörnchen, mache einen Salto vor Freude.

Eine Faust schlägt wenige Zentimeter von meinem Gesicht entfernt gegen die Fensterscheibe, und ein stumpfer Schmerz fährt in meine Schläfe. Für eine Millisekunde sehe ich mich von Kopf bis Fuß mit blutigen Schnitten übersät, doch das Glas splittert nicht. Schnell rutsche ich in die Mitte der Sitzbank, bis ich fast auf Christophs Schoß hocke. Unsere Oberschenkel berühren sich auf ganzer Länge. Durch den dünnen Stoff spüre ich die Wärme seines Körpers. So nah waren wir uns noch nie. Langsam schlägt er die Augen auf und gähnt demonstrativ. Das Smartphone ist in den Fußraum gefallen. Die Stöpsel stecken noch in meinen Ohren, aber das Kabel ist aus der Buchse gerissen. Basslos dringt die Musik aus den Lautsprechern des Handys zu uns beiden herauf. Ich rutsche wieder ein Stück in Richtung Fenster.

Erst sehe ich nur den Schatten, dann presst sich ein Gesicht an die Scheibe. Nikotingelbe Barthaare feudeln das verdreckte Glas. Eine heftige Spastik in seiner rechten Augenbraue lässt den Mann permanent zwinkern. Wenn sein Auge zwischen zwei Zuckungen kurz zu sehen ist, kommen geplatzte Äderchen und eine trübe Linse zum Vorschein. Er erinnert mich an irgendeinen trinkenden Schauspieler, Jack Nicholson vielleicht. Aber dafür fehlt ihm das Raubtiergebiss, es fehlt ihm überhaupt eins, glaube ich. Seine aufgesprungenen Lippen bewegen sich hinter der Scheibe lautlos hin und her, wie bei einem Saugfisch im Aquarium.

Ich würde gerne das Fenster herunterfahren und ihm etwas Geld geben, aber ich fürchte, dass er sofort ein Messer durch den Spalt stecken würde. Außerdem habe ich nur 100- Dollar-Scheine, für die wiederum der Penner ein Messer zwischen die abgemagerten Rippen bekommen würde, sobald er später versucht, sie zu wechseln. Ich zucke mit den Schultern und zeige ihm meine leeren Hände, was natürlich eine Frechheit ist, aber mir fällt nichts Besseres ein. Christoph lacht und zeigt dem Penner den Mittelfinger. Dann holt er sein Smartphone heraus und macht ein Foto von mir und dem Kerl. Ich hebe den Daumen und zwinge mich zu einem Grinsen.

Der Mann malt etwas auf die schmutzige Scheibe. Zuerst denke ich, er will eine Münze zeichnen, aber als er den geschwungenen Bogen unter den Strich setzt, den ich für eine Eins gehalten habe, wird mir klar: Er malt ein Smiley. Komplett mit zwinkerndem rechten Auge. Er tritt einen Schritt zurück und blickt mich aufmunternd an. Seine Aufforderung, die Welt da draußen doch mit einem Augenzwinkern zu betrachten, macht mich nachdenklich. Wahrscheinlich steht der Penner den ganzen Tag an dieser Ampel in der Sonne und ist dabei doch irgendwie glücklich. Fast beneide ich ihn. Als ich gerade in meine Hosentasche greife und ihm doch einen Schein geben will, fährt das Taxi wieder an. Im Rückspiegel sehe ich, wie er zurück unter eine Palme trottet.

Ich habe das Gefühl, das Smiley wabert nun wie eine obszöne Fratze unkenntlich über allem. Ich reibe meine feuchten Handflächen an der Hose ab. Vom abrupten Anfahren und Abbremsen des Taxifahrers wird mir ganz schwindelig. Das silberne Kreuz, das mit einem Bindfaden am Rückspiegel befestigt ist, pendelt wild hin und her. Zur Ablenkung scrolle ich durch meine Musikbibliothek, höre ein paar Sekunden in die Tracks hinein, finde aber keinen Song, der meine Stimmung unterstreicht. Etwas Düsteres, Pulsierendes schwebt mir vor, doch mir werden immer nur die schnellen Workout-Hits vorgeschlagen.

Das Taxi hält vor einer Villa im Kolonialstil. Ein paar Ölfackeln flackern das morsch aussehende Holz und die typischen Ziersäulen an. Es würde mich nicht überraschen, irgendwo noch die portugiesische Flagge und eine Büste des ehemaligen Gouverneurs zu erblicken. Christoph wirft dem Taxifahrer einen zusammengeknüllten Schein nach vorne, der von der Windschutzscheibe abprallt und im Fußraum landet. Der Fahrer hebt ihn vom Boden auf. Er ist dermaßen fett, dass ich gut noch ein paar Münzen Trinkgeld in seine seitlichen Speckfalten stecken könnte. Doch so ungläubig, wie er den jetzt entfalteten Schein beäugt, hat Christoph ihm schon mehr als genug gegeben.

Die Glastür des Rodízios gleitet zur Seite, und uns schlägt ein fleischiger Geruch entgegen. Mir wird ein bisschen übel. Seit wir vor ein paar Monaten in einem Lebensmittelskandal die Krisenkommunikation für einen Fleischproduzenten übernommen haben, bin ich Vegetarier, doch die Agentur empfiehlt, sich den landestypischen Gebräuchen anzupassen und die lokale Küche mit Interesse aufzunehmen. Das sollte aber kein Problem sein, denn hier kann ich mir sicher sein, dass kein Antibiotika-Schwein auf den Tisch kommt, das von Rumänen-Sklaven im kotverseuchten Niedersachsen zerlegt wurde. Außerdem fehlen mir die hochwertigen Proteine schon ein wenig für ein effektives Training.

Dutzende Kellner laufen mit Fleischspießen durch den Saal, der von Lüstern in ein schummriges Licht getaucht wird. Ab und zu werden sie von Gästen an ihre Tische gewinkt und schneiden dann mit langen Messern und schnellen Bewegungen Fleischstücke auf die Teller. Wir werden von einem Ober begrüßt, den ich sofort um seinen schwarzen Anzug aus reiner Schurwolle beneide, der den saftigen, schweren Geruch schneller wieder abgibt als mein Baumwollanzug. Nachdem wir unsere Namen genannt haben, schnipst der Ober einen indigenen Kellner herbei, der eine rote Uniform mit Messingknöpfen trägt. Er deutet eine Verbeugung an und führt uns an die Rückseite des Saals. Ich frage mich, ob er weiß, dass seine Dienstkleidung den Uniformen der portugiesischen Armee nachempfunden ist und er seine eigene Unterwerfung in diesem Restaurant jeden Tag aufs Neue aufführt. Leider hat er von solchen Paradoxien wahrscheinlich keine Kenntnis. Genauso wie die hier servierten Tiere niemals wussten, dass sie ein verhältnismäßig gutes Leben gelebt haben, denke ich und drücke ihm die 100 Dollar in die Hand, die ich dem Penner nicht geben konnte.

Der Mann vom Außenbüro – Gonzalez oder so ähnlich – kommt uns mit weit ausgestreckten Armen entgegen. Anstatt ihn zu umarmen, strecke ich ihm die Hand hin, denn mir sind kleine Schweißflecken unter seinen Achseln aufgefallen. Sein Jackett hat er betont lässig über die Stuhllehne gehängt, die Flasche Rotwein auf dem Tisch ist bereits halb leer. Auch unsere Schauspielerin sitzt schon am Tisch, ich ignoriere sie aber vorerst. Wir tauschen ein paar Floskeln mit Gonzalez aus, und ich schaue auf seinen Mund. Einzelne Barthaare stehen von seiner Oberlippe ab, an den eingerissenen Mundwinkeln ist ein leichter Vitaminmangel abzulesen. Ich bekomme nicht mit, ob Gonzalez seinen Namen noch einmal erwähnt. Er macht auch keine Anstalten, irgendwas über sich zu erzählen. Muss er auch nicht, schließlich haben wir das interne Datasheet zu seiner Person bekommen (42 Jahre, VWL-Studium, dann zehn Jahre Arbeit für eine konservative Partei; seit einem Jahr lokaler Büroleiter für Mars & Jung; verheiratet, drei Kinder).

Die Schauspielerin ist eindeutig zu attraktiv für unsere Zwecke. Sie trägt ein trägerloses, rotes Kleid, auf ihrer bronzenen Haut ist ein Bikiniabdruck zu erkennen. Typisch, denke ich, Gonzalez hat sich beim Casting von dem Mädchen mit den vollsten Lippen einen blasen lassen und präsentiert sie uns jetzt als die schauspielerische Entdeckung des Kontinents. Das Mädchen steht auf und hält uns ihre leicht errötete Wange hin für ein Küsschen links, Küsschen rechts. Dabei winkelt sie ein Bein an, ich wette, das hat sie in irgendeinem amerikanischen Film gesehen. Ihre Haut ist sehr weich, und ich bereue es, mich im Hotel nicht noch einmal rasiert zu haben.

Schon fängt sie an, ihre Referenzen herunterzubeten. Ich höre aber nicht zu, sondern stelle mir vor, wie sie morgen im Schlamm die Samen vergräbt und vom Schweiß durchnässt Maiskolben pflückt. Ihre perfekten Zähne sind allerdings ein Problem, genauso wie ihr makelloser Körper, den ich normalerweise absolut goutieren würde, der sie aber in europäischen Augen zu sehr in die Nähe von Beachvolleyball- oder Sambagirls rückt. Immerhin, sie hat ehrliche, braune Augen, die, wenn sie direkt die Kamera fixieren, gut beim Publikum ankommen werden. Mit ein bisschen Unterstützung der Visagistin und einer Schneiderin kriegen wir das schon hin, denke ich, als die Schauspielerin unter dem Tisch ihr nacktes Bein an meiner Anzughose entlanggleiten lässt.

Für die Inszenierung einer Hope Story arbeiten wir ausschließlich mit professionellen Schauspielern. Natürlich könnten wir auch echte Favela-Bewohner casten, doch unsere Zielgruppe hat eine sehr genaue Vorstellung davon, wie die Protagonisten so einer Geschichte aussehen sollten. Denn Armut macht traurig und hässlich. Und das ist das Letzte, was der solvente Europäer im Fernsehen sehen möchte. Deswegen lassen wir afrikanische Kinder in unseren Kampagnen auch immer rhythmisch klatschen und singen und stecken sie in bunte Kostüme. Natürlich nur, wenn der Klient das unbedingt wünscht, denn eigentlich sind afrikanische Kinder mittlerweile ein No-Go, und wir vermeiden ihren Einsatz tunlichst. Schwarze Kinder sind im europäischen Bewusstsein negativ konnotiert. Und das nur, weil irgendwelche Zyniker in den Neunzigern zwischen zwei Lines Koks auf die Idee kamen, es sei doch eine super Idee, mit verhungernden Kindern, auf denen Schmeißfliegen ihre Eier legen, Spenden zu generieren. Wir lehnen diese Instrumentalisierung des Elends ab. Sie drückt ohnehin nur die Stimmung. Deswegen brauchen wir Mädchen wie Juana. Ihre Darstellung der Armut ist authentischer als die Armut selbst. Die Menschen wollen ihr Geld in nachhaltige, gut aussehende Erfolgsgeschichten investieren, wir liefern sie ihnen. Dass Juana wahrscheinlich aus einem Anwaltshaushalt stammt und für diesen Job das Jahresgehalt eines Minenarbeiters erhält, ist dabei nur eine notwendige Dehnung der Wahrheit.

Wir ordern lokales Bier. Gonzalez bestellt sich auch eins, obwohl er schon Rotwein trinkt. Die Kellner servieren dampfende Hühnerherzen und Kaninchen am Spieß, die stark nach Knoblauch duften. Ich probiere lieber ein Stück Ziege. Das Fleisch ist angenehm würzig, lässt sich aber schlecht kauen. Ich spucke das Stück in den Napf, der in der Mitte des Tisches steht. Christoph sieht mich angewidert an, wendet sich dann aber wieder der Zerteilung seines Kaninchens zu.

»Wenn ich schon Fleisch esse, dann wenigstens auf landestypische Art«, sage ich. »Sie sind Vegetarier?«, fragt Gonzalez. »Dann müssen Sie unbedingt das hier probieren.« Mit einem Schnalzen winkt er zwei Kellner heran, die einen Servierwagen schieben. Auf dem Wagen liegt eine halbe Kuh, zwischen deren Rippen schon größere Stücke fehlen. Durch die Löcher kann ich bis auf die Oberfläche des Wagens blicken, auf der sich Blut und Fett zu einer Pfütze sammeln. Mir wird etwas flau, als ich in die starren Augen der Kuh blicke. Mit zitternder Hand kippe ich einen riesigen Schluck Bier hinunter. Ich winke dem Kellner mit der Flasche zu, obwohl sie noch zur Hälfte gefüllt ist. Ein Schauer läuft meinen Rücken runter, und ich bilde mir ein, dass Gonzalez und Christoph sich verschwörerisch zunicken. Ich kneife mir unter dem Tisch ins Bein, stürze den Rest meines Biers herunter und warte, dass der Alkohol mich ein bisschen beruhigt, während Christoph sich bereits das Bruststück herausschneiden lässt.

Als der Servierwagen verschwunden ist, normalisiert sich mein Puls. Ich strecke meine Hand nach dem hölzernen Gewürzensemble in Form aller möglichen Urwaldtiere aus, doch bevor ich auch nur ein Salzkorn auf mein Filet streuen kann, greift die Schauspielerin mein Handgelenk. Sie schüttelt mit gespielter Empörung den Kopf und lässt dabei ihre gelockten Haare durch die Luft sausen. Trotz des schweren Geruchs im Raum kann ich ihr Shampoo riechen. Es ist leicht süßlich, mit einer sehr dezenten Note Moschus. »Salzen ist nicht landestypisch«, sagt sie und wartet, bis unsere Blicke sich begegnen. Für einen Moment intensiviert sie den Druck auf mein Gelenk und zieht dann ihre Hand zurück. Ich lasse den papageiförmigen Salzstreuer wieder auf den Tisch sinken.

Aus den Augenwinkeln registriere ich, dass Christoph mich verspannt ansieht. Auf dem Rückweg ins Hotel wird er mich fragen, wie ich nur auf diesen billigen Flirt dieser genauso billigen Schauspielerin hereinfallen konnte. Er wird sagen, mein Verhalten sei unprofessionell, in Wahrheit ist er es aber nur nicht gewohnt, dass eine Frau sich nicht sofort an ihn heranschmeißt. Aber damit wird er in Zukunft leben müssen. Denn obwohl er objektiv besser aussieht als ich – er wäre wohl eine 9, ich vielleicht eine 7,5, Tendenz steigend –, habe ich diesen gewissen Danger-Appeal. Hat Jens Mars zumindest mal gesagt und dass er deshalb große Hoffnung in mich setzt.

Christoph versucht, sich auf seinen Teller zu konzentrieren, doch an den kleinen geröteten Stellen an seinem Hals kann ich erkennen, dass er aufgewühlt ist. Die Sonneneinstrahlung hier wird seiner Neurodermitis, die er sonst hundert Prozent unter Kontrolle hat, bestimmt nicht guttun. Er knöpft seine Hemdsärmel an den Manschetten auf und krempelt sie nach oben. Die Aufmerksamkeit am Tisch verschiebt sich für einen Moment auf seine Unterarme, die von dicken Venen durchzogen sind. Dann lässt er Juana ihren Text aufsagen. Ich verstehe kein Wort, doch ihre Stimme hat einen warmen Klang, der mich angenehm einlullt. »Ist ihr Akzent okay?«, unterbreche ich ihren Singsang, als ich zu sehr in pastellfarbene Kindheitserinnerungen abdrifte. Gonzalez lacht auf und sagt, ja, für unsere Zwecke würde es schon reichen.

Ich frage Juana, ob ich ein Foto von ihr machen dürfe, um es gleich an die Visagistin weiterzuschicken. Sie beugt sich leicht nach vorne und gibt zwei zusätzliche Zentimeter ihres Ausschnitts preis. Ich fotografiere sie und tippe als Empfänger Jens Mars ein. Unter das Bild schreibe ich »Give me hope, Juana«. Für einen Moment kommt mir das etwas zynisch vor, doch ich bin mir sicher, dass Jens sich über ein Lebenszeichen von uns freut. Dann wende ich mich wieder Juana zu. Sie bestellt noch ein Mineralwasser. Erst jetzt fällt mir auf, dass sie noch gar nichts gegessen hat. »Es lebe das Method Acting«, sage ich und hebe mein Glas.

4

Im Hotelzimmer schnappe ich mir als Erstes das Schokoladentäfelchen vom Kopfkissen, und beiße eine Ecke ab. Der Geschmack kommt mir schokoladiger vor als sonst, dabei ist es exakt die gleiche Tafel, die diese Kette auch in Europa einsetzt. Eigentlich mag ich diese Hotelschokolade überhaupt nicht und stecke sie meist für Marina ein, aber heute freue ich mich aufrichtig über die Geste des Hotels, mir eine an sich wertlose Süßigkeit auf das Kopfkissen zu legen. Vielleicht, weil es mich an die Sommerurlaube mit meinen Eltern erinnert und der Geschmack dieser Billigschokolade schon im Kindesalter durch die Serotoninausschüttung mit Hotelbesuchen verknüpft wurde. Fast rechne ich damit, dass mein Bruder aus dem Bad gestolpert kommt und die Hälfte der Schokolade einfordert. Deshalb lege ich das übrig gebliebene Stück zurück auf das Kissen.

Ich zerknülle die goldene Folie und das mattschwarze Briefchen, in das mit Serifenschrift der Name des Hotels eingeprägt ist. Darunter prangt das CAD-Logo, eine grüne Weltkugel, die von einer schwarzen und einer weißen Hand gehalten wird. Unsere Agentur hat das Zertifikat entwickelt und die zugehörigen Standards festgelegt: Für einen zu 100 Prozent nachhaltigen Kakaoanbau muss der Produzent eine Selbstverpflichtung zur Implementierung von Arbeiterrechten, Umweltschutz und nachhaltiger Wirtschaft unterschreiben. Besonders gelungen ist die Geschmackskomposition aber trotzdem nicht. Ich spucke die angelutschte Schokolade in eine Serviette und lasse sie auf den Boden fallen.

Durch das nach Westen ausgerichtete Panoramafenster schaue ich hinunter auf die Stadt. Meine Suite befindet sich im 13. Stock, und die Aussicht ist bei Dunkelheit angenehm reizarm. Das Zentrum ist durchzogen von pulsierenden Lichtadern, die in rechten Winkeln aufeinandertreffen. In der Ferne bluten die Lichtströme langsam aus, bis nur noch der blasse Mond die Peripherie aus Baracken und Hütten beleuchtet.

Obwohl Marina nicht auf meine Nachricht aus dem Bus geantwortet hat, öffne ich meinen Laptop und gucke, ob sie bei Skype online ist. Normalerweise schaut sie um diese Uhrzeit, die Zeitverschiebung mit eingerechnet, irgendwelche amerikanischen Serien im Stream und wartet auf einen Anruf von mir. Aber heute ist sie offline.

Nachdem ich geduscht, mir die Zähne geputzt und die Fleischfasern entfernt habe, ist Marina immer noch nicht online. Ich sehe nach, ob Jens Mars auf meine Juana-Nachricht geantwortet hat. Das »Gelesen-Zeichen« in der Nachrichtenzeile ist markiert, aber geschrieben hat er nichts. Ich überlege, ob er die Anspielung auf den Song und unsere Hope Story nicht verstanden hat oder meinen Witz einfach schlecht fand. Ich tippe ein paar Worte, zögere und lösche sie wieder. Ich rufe Marina auf ihrem Handy an. Nachdem es einige Male geklingelt hat, ertönt das Besetzt-Zeichen. Mit einem hellen Glockenton erscheint stattdessen Christophs nackter Oberkörper auf dem Display, seine Nippel sind aufgerichtet. »Neuer Rekord: 97«.

Ich knie mich auf den Boden und öffne die Push-Up-App. Ich positioniere das Smartphone so, dass ich das Display am tiefsten Punkt einer Liegestütze mit der Nase berühren kann. Eine energische Frauenstimme zählt mit und treibt mich erst in Zehner-, dann in Fünfer- und Dreier-Intervallen, schließlich bei jeder Liegestütze an, noch eine zu machen. »Try harder!«, faucht sie aus dem Lautsprecher. »Just one more!« Das Display zeigt 84 an, als ich schließlich mit pochendem Schädel und brennenden Muskeln über meinem Smartphone zusammenbreche.

Ich richte mich auf und betrachte mein Spiegelbild im Panoramafenster. Ich drücke meine Schultern nach hinten und hebe meinen Kopf so, dass das Kinn etwas höher als normal steht. Ich blicke mir in die Augen und verziehe die Mundwinkel zu einem Grinsen. Ich fühle mich gut. Dann stehe ich auf und lasse mir im Badezimmer kaltes Wasser über das Gesicht rinnen.

Ein Aufkleber am Spiegel weist darauf hin, dass man die Handtücher mehrmals benutzen solle, um die Umwelt zu schonen. Ich nehme alle von den Halterungen und werfe sie auf den Boden. Die Umwelt interessiert das Hotel einen Scheiß, das Einzige, worum es sich sorgt, sind die Wäschereikosten. Vor Jahren habe ich mal in einem Hostel in Cádiz übernachtet, wo ein aufgeweichter Zettel neben der Dusche hing: Cádiz is dry, please save water. Daneben hatte irgendein Hippie ein verdurstetes Skelett auf die Kacheln gemalt. Abends beim Kiffen auf der Dachterrasse merkte ich an, wie scheinheilig der Besitzer sei, da er jeden Tag mit einem 15-Liter-SUV angebraust kam, uns aber die »free shower« vermiesen wollte, damit seine Wasserrechnung nicht explodierte. Als sich daraufhin die versammelten Dreadheads über mein Misstrauen gegenüber den hehren ökologischen Idealen des Hostel-Besitzers empörten, habe ich verstanden, wie das Spiel funktioniert: Grüne Argumente werden wegen ihrer moralischen Tragweite widerspruchslos akzeptiert. Man kann nahezu alles behaupten, solang man es mit »nachhaltig«, »schonend«, »sparsam« oder »natürlich« verschlagwortet. Schließlich haben wir die Erde von unseren Kindern nur geborgt.

Ich nehme ein Bier aus der Minibar, schalte den Flachbildschirm ein und zappe ein wenig durch das internationale Programm. Bei einem US-Nachrichtensender bleibe ich hängen. Eine attraktive Sprecherin verkündet gerade die Schließung eines Autowerks im mittleren Westen. Beim Sprechen bewegen sich ihre filigranen Nasenflügel kaum, was auf eine kürzlich durchgeführte Nasenkorrektur hindeutet. Ihr Dekolleté erscheint prall, doch der geringe Schattenwurf ihres lachsfarbenen Kostüms lässt auf einen Push-up-BH schließen, der ihre Brüste zusammendrängt. Allerdings kann ich meinem Urteil nicht ganz trauen, denn die Studio-Beleuchtung ist so ausgerichtet, dass sie Schattenwurf minimiert. Am unteren Bildschirmrand läuft der Newsticker durch. General Electric restructuring finally agreed: Limited refund for stakeholders guaranteed +++ Nurson entices Doros with 200 m Dollar war chest +++ After buy-out: Fitch to become the world’s biggest agency. Ich fahre mit einer Hand in meine Boxershorts, schalte die Moderatorin auf stumm und konzentriere mich auf ihre Lippenbewegungen. Kurz denke ich an Marina, dann an die schmalen Hände von Juana.

Mitten in der Nacht wache ich vom Nachrichtenton meines Smartphones auf. Ich zittere leicht, die Klimaanlage hat das Zimmer mit eisiger Luft gefüllt. Die Decke liegt zerknüllt am Ende des Bettes und bedeckt nur noch meine Füße. Ich setze mich auf. Der Fernseher läuft noch. Die Moderatorin ist von einem Mann mit schlecht sitzendem Sakko ersetzt worden. Ich schalte das Licht an und suche das Gerät, das irgendwo unter der Decke verschwunden ist. Eine Nachricht von Marina: »Du bist so zynisch geworden …« Unter der Nachricht steht: »Sent from Frankfurt, Germany.« Ich schreibe zurück: »Was machst du in Frankfurt?« Dann lasse ich das Display ausgehen und betrachte mein Spiegelbild auf der mit Fingerabdrücken übersäten Oberfläche. Je nachdem, wie ich fokussiere, schieben sich die Abdrücke wie dunkle Flecken über mein Gesicht.

Ich schaue noch einmal das Landschaftsfoto von heute Nachmittag an. Das Bild erinnert mich an die Aufnahmen eines Forschungsroboters von der verkraterten Marsoberfläche, und ich muss daran denken, wie ich meinen Bruder manchmal über den Kies unserer Einfahrt geschoben habe und er so getan hat, als sei er der Sojourner-Rover. Ich ziehe das zweite Kissen zu mir heran, auf dem immer noch das halbe Schokoladenstückchen liegt, und schaue auf die Uhr. Mein Bruder müsste bereits wach sein, vielleicht schon auf dem Weg in den Betrieb. »Hallo?«, sagt er plötzlich, als ich nach mehrmaligem Tuten gerade auflegen will. »Wer ist da?« Seine Stimme versetzt mir einen Stich. Er kann nicht wissen, dass ich schon wieder meine Nummer gewechselt habe. Ein paar Sekunden lang sage ich nichts. Im Hintergrund ist die Lautsprecher-Ansage einer S-Bahn zu hören. »Was macht Julian?«, frage ich. »Bruderherz. Seit wann bist du denn um diese Uhrzeit wach?« Die Stimme meines Bruders klingt müde, aber nicht unerfreut. »Ich bin in Brasilien. Hier ist es Nacht.« Ich atme tief ein. »Wie geht es dir?« – »Uns geht es gut«, sagt er, und ich habe nicht mal das Gefühl, dass er lügt. Ich drehe das Stück Schokolade zwischen meinen Fingern hin und her, bis es schmilzt. »Und dir?« – »Perfekt«, sage ich und wische meine Finger an der Bettdecke ab. Sieht fies aus. Wie altes Blut. »Exquisites Hotel«, sage ich. »Astreiner Pool und Wellnessbereich, Suite im dreizehnten Stock, und die Frauen …« – »Rettest du wieder die Welt?«, unterbricht mich mein Bruder. »Wird jetzt auch zu teuer für dich«, sagt er, als ich nicht antworte. »Wie hat Julian der Bagger gefallen?«, frage ich noch schnell, weil ich seinen zweiten Geburtstag verpasst habe. »Er spielt momentan lieber mit Lego«, antwortet mein Bruder. Die nächste Station wird von einer Frauenstimme angesagt. »Ich muss jetzt aussteigen«, sagt er, obwohl ich weiß, dass er bis zur Endhaltestelle fahren muss. »Klar«, sage ich und lege auf.

Ich nehme meine Kopfhörer vom Nachttisch, öffne die Mood-Management-App und entscheide mich für eine beruhigende Mischung aus Pink und Brown Noise. Dann schalte ich das Licht aus und konzentriere mich auf das an- und abschwellende Meeresrauschen. Ich drifte langsam weg, und die Wellen in meinen Ohren verwandeln sich in einen plötzlich aufkommenden Wind, der durch Baumwipfel streicht. Morgen fahren wir in den Urwald.

5

Der offene Jeep schüttelt uns so heftig durch, dass ich fast den Vollkorntoast auskotze, den ich am Buffet heruntergewürgt habe. Meine Schläfen vibrieren vom Frühstückschampagner. Ich massiere sie mit den Fingerspitzen und verschmiere dabei den rotbraunen Schmutzfilm, den der aufgewirbelte Straßenstaub auf meiner Haut gebildet hat. Aus dem Radio dringen Fetzen aggressiver Latino-Musik, zu der unser Fahrer auf dem Lenkrad trommelt. Trotz der Arpeggio-Akkorde und der fröhlich klappernden Ethno-Rasseln schlägt der Sänger einen weinerlichen Ton an. Lass mich dein Feuer sein, meine Liebe.

Wir sind bereits zwei Stunden unterwegs, ohne dass sich die Vegetation merklich verändert hat. Die Bäume am Straßenrand sind vielleicht etwas höher geworden, die Lianen länger, das Dickicht undurchsichtiger, aber im Grunde blicken wir seit Stunden auf das gleiche blendende Grün, das nur durch das Glas unserer Sonnenbrillen eine erträgliche Mattierung erhält. Die Sonne steht senkrecht am Himmel und brennt sich in unsere weiße Haut, die riesigen Blätter um uns herum werfen ihre Schatten sinnlos ins Nichts.