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Atlanta 1956: In der pulsierenden Südstaatenhauptstadt verschärfen sich die Rassenkonflikte, als die Bürgerrechtsbewegung mit dem jungen Reverend Martin Luther King Jr. einen neuen Wortführer bekommt. In dieser ohnehin schon angespannten Lage wird Arthur Bishop, der Herausgeber der führenden schwarzen Tageszeitung ermordet. Sofort gerät der Journalist und ehemalige Cop Tommy Smith ins Fadenkreuz der rassistischen Polizisten. Um sich zu entlasten, muss Smith mehr über die Geschichte erfahren, an der Bishop gearbeitet hat. Die Mordermittlung seiner Ex-Partner Lucius Boggs und Sergeant Joe McInnis wird unterdessen von verschiedenen Seiten torpediert: durch sich einmischende FBI-Agenten, korrupte Detectives und kommunistische Aktivisten. Im Kampf um Gerechtigkeit tun sich Smith und seine ehemaligen Kollegen ein letztes Mal zusammen.

 

»Thomas Mullen führt den Leser ins Herz der Südstaatenfinsternis, dorthin, wo Unmenschliches und allzu Unmenschliches einen fruchtbaren Nährboden finden.«

 

Frankfurter Allgemeine Zeitung über ›Darktown‹

 
autor

© Jeff Roffman

Thomas Mullen wurde 1974 in Rhode Island geboren. Er ist der Autor mehrerer Romane, darunter ›Die Stadt am Ende der Welt‹ (Neuausgabe DuMont 2020), für den er den James Fenimore Cooper Prize erhielt. Mit ›Lange Nacht‹ legt er nach ›Darktown‹ (2018) und ›Weißes Feuer‹(2019) den Abschluss seiner von Publikum und Presse gleichermaßen gefeierten ›Darktown‹-Trilogie vor.

Berni Mayer geboren 1974 in Mallersdorf, Bayern, hat Germanistik und Anglistik studiert, war Redaktionsleiter bei MTV und VIVA Online und hat für das Label Mute Records gearbeitet. Berni Mayer lebt mit seiner Familie in Berlin. Er ist Autor und Journalist und arbeitet für diverse Podcasts. Bei DuMont sind seine Romane ›Rosalie‹ (2016) und ›Ein gemachter Mann‹ (2019) erschienen.

Thomas Mullen

LANGE NACHT

Roman

Aus dem Englischen
von Berni Mayer

www.dumont-buchverlag.de

 

Für Jenny

PROLOG

TOMMY SMITH BEGANN seine Artikel ungern mit einer Leiche. Es kam ihm falsch vor, wider die Natur. Es war die perfekte umgekehrte Pyramide: Man fing mit der kalten Endgültigkeit des Todes an, während das Leben als Fundament auf dem Kopf stand. Darauf folgten schillernde Zitate und vereinzelte Details über ein einst reichhaltiges Leben, und dann endete man auf ein paar armseligen Zeilen, für die sich, längst verblassten Erinnerungen gleich, niemand mehr interessierte. So erzählte man keine Geschichte, fand Smith, es schmälerte die Biografie einer Person. Vor allem wenn man bedachte, dass die meisten Leute, über die er schrieb, erst mit ihrem Tod als wertvoll genug für eine Geschichte galten.

Es widerstrebte ihm, diese Unmenschlichkeit aufrechtzuerhalten.

Doch als Polizeireporter für die Atlanta Daily Times, der einzigen farbigen Tageszeitung Amerikas, gehörte es zu seinem Job, Fakten zu berichten und sie in Storys zu verwandeln, eine zusammenhängende Erzählung aus dem willkürlichen Tohuwabohu des Lebens zu formen.

Und das hier war eine der Storys, die mit einer Leiche begannen.

*

Der Schuss riss ihn aus dem Schlaf.

Oder waren es zwei gewesen? Später würde Smith sich das fragen. Später, als er wünschte, er wäre rechtzeitig wach geworden. Als er sich wünschte, er könnte durch die Zeit reisen, um diesen Moment, den er verpasst hatte, besser wahrzunehmen. Ein Moment, der sich auch ohne sein Zutun als einer der wichtigsten in seinem Leben herausstellen sollte. Den er zusammengesackt in seinem Stuhl mit einem Flachmann im Schoß verbracht hatte.

Sein Kopf war benommen vom Schlaf und vom Alkohol, seine Glieder so furchtbar schwer.

Er dachte, er hätte einen Schrei gehört. Vielleicht. Dann einen Schlag. Den ganz sicher.

Er brauchte ein paar Sekunden, bis er seine Arme und Beine wieder bewegen konnte, aber dann sprang er auf. Was zur Hölle war das?

Schritte, über ihm. Aber er wohnte doch im obersten Stockwerk.

Moment, wo war er eigentlich?

Stimmt, in seinem Büro. Er hatte ein kurzes Date mit Patrice gehabt, ein Drink nur, dann hatte er sie zu ihrem Termin im Oddfellows Building gebracht. Er hatte sich zu ihr gebeugt, und sie hatte ihm einen Kuss gegeben, einen flüchtigen nur, dabei aber vielsagend gelächelt, sodass er es ihr kaum mehr übelnehmen konnte, dass sie den faden Geschäftstermin nicht sausen ließ, um mehr Zeit mit ihm zu verbringen. Er war zu aufgeregt gewesen, um nach Hause zurückzukehren, war ins Büro gegangen, hatte sich noch einen eingeschenkt und ein paar Seiten eines längeren Artikels geschrieben, an dem er gerade herumbastelte. Er hatte gedacht, er sei allein im Gebäude, doch dann war Mr Bishop aufgetaucht, und sie hatten sich unterhalten. Oder? Dann war Bishop nach oben in sein Büro zurückgekehrt, und Smith hatte erneut versucht zu schreiben. Doch offensichtlich floss der Bourbon besser als die Tinte, denn er war an seinem Schreibtisch eingeschlafen.

Er rief den Namen seines Chefs, der sein Büro ein Stockwerk über ihm hatte: »Mr Bishop?«

Ein paar Sekunden Stille. Die Schritte waren verstummt.

Er wollte die Schreibtischlampe einschalten, doch stellte fest, dass die Glühbirne ausgebrannt war.

Denk nach. Das war definitiv ein Schuss gewesen, eine Pistole. Er kannte das Geräusch nur zu gut. Er hatte es nicht geträumt oder sich eingebildet. Er war weder auf einem endlosen Feldzug durch Europa, noch lief er Streife auf seiner alten Route mit Boggs. Er war hier in seinem Büro, spätnachts. Ein Ort, an dem normalerweise keine Schüsse fielen.

Er trat aus seinem Büro. Das Licht im Gang war an, die anderen Büros lagen im Dunklen. Er schlich einen besonders chaotischen Flur entlang, der immerzu vollgestopft war mit Zeitungsstapeln. Er erreichte die Treppe zum zweiten Stock.

»Wer ist da oben?«, tönte er, nutzte erstmals seit langer Zeit wieder seine Polizistenstimme. Ein tiefer Kommandoton, der keinen Widerspruch duldete. Laut genug, um die gerahmten Bilder an der Wand zum Wackeln zu bringen, und jeden, der etwas auf dem Kerbholz hatte, dazu zu bringen, sich zu fragen, ob er im Leben die richtigen Entscheidungen getroffen hatte. Die Polizistenstimme konnte eine erstaunliche Wirkung haben. Doch immer, wenn Smith sie in seinem alten Leben benutzt hatte, hatte er eine Waffe und einen Schlagstock am Gürtel getragen und einen Partner an seiner Seite gehabt.

Erneut Schritte, schnell und schwer. Jemandem da oben gefiel seine Polizistenstimme nicht.

Smith betrat das Büro seines Kollegen Jeremy Toon, denn er erinnerte sich, dass der Baseballfan Toon einen Schläger der Marke Louisville Slugger in einer Ecke hinter seinem Schreibtisch verstaut hatte. Keine Schusswaffe, aber es musste genügen.

In ihren Büros sei früher nicht selten eingebrochen worden, hatte man Smith erzählt, allerdings nicht in den letzten Jahren. Zum einen war das den farbigen Cops zu verdanken, die sich mittlerweile im achten Dienstjahr befanden, zum anderen gab es bei der Daily Times nichts zu holen, außer die Diebe waren bibliophil oder scharf auf eine eigene Schreibmaschine.

Smith schlich zum Fuß der Treppe. Die Stufen würden ganz sicher knarren. Sobald er sie hochstieg, gäbe er ein perfektes Ziel ab, gefangen in dem engen Treppenhaus ohne jede Deckung. Er versuchte sich zu erinnern, welche Stufen die lautesten waren.

Über ihm blieb es geräuschlos. Entweder war die Person dort oben geflohen (über die Feuerleiter?) oder verhielt sich ruhig, bereitete einen Hinterhalt vor.

Er nahm eine Stufe, dann eine zweite. Der Schläger fühlte sich in seinen schweißnassen Händen bereits rutschig an.

Die dritte Stufe war eine schlechte Wahl, sie knarrte laut. Das Überraschungsmoment war verflogen, also stürmte er den Rest der Treppe nach oben. Er stand im Flur des zweiten Stocks, über ihm brannte Licht. Der Gang wirkte breiter als unten, hier stapelten sich keine Zeitungen.

Eine Tür hinter ihm führte zur Toilette. Sie war fast zu, doch nicht eingerastet, also trat er sie auf. Sie schlug gegen die Wand. Hier war niemand.

Er hörte ein schwaches Stöhnen aus Bishops Büro. Dann Verkehrsgeräusche, ein vorbeifahrendes Auto, lauter als erwartet; irgendwo musste ein Fenster offen stehen, trotz der eisigen Januarkälte.

Er schlich weiter, fast bis zur offen stehenden Tür von Bishops Büro. Er drückte sich mit dem Rücken gegen die Wand, was mit Waffe in der Hand wesentlich mehr Sinn ergeben hätte. Wartete kurz ab, beugte sich dann schnell nach vorne, riskierte einen Blick nach innen.

Niemand schoss auf ihn, niemand warf sich auf ihn. Es war niemand hier.

Außer dort auf dem Boden. Der Schlag vorhin, das war der Aufprall von Arthur Bishop gewesen, so viel wurde ihm jetzt klar.

Der Herausgeber lag nicht völlig ausgestreckt da, aber beinahe. Der Raum mit seinem riesigen Schreibtisch und Sesseln, seinen Beistelltischen und Bücherstapeln war zu klein für Bishops massive Statur. Er lag überwiegend auf dem Bauch, doch eine seiner Schultern drückte gegen den Schreibtisch, und seine Beine waren angewinkelt. Eine Hand hatte er auf den Boden gestützt, die Finger durchgedrückt, die Knöchel nach oben, sodass der Orientteppich sich unter dem Druck zusammenschob. Seine andere Hand, die linke, steckte in seiner Jacke, als ob er nach etwas gesucht hatte, und seine weit aufgerissenen Augen bestätigten, dass er es gefunden hatte.

Blut sickerte in den Teppich ein und bildete einen immer größer werdenden Kreis.

Das Fenster hinter seinem Schreibtisch stand offen. Smith wollte zuerst zu Bishop eilen, befürchtete aber, dass der Schütze sich draußen auf der Feuerleiter versteckte. Also rannte er zum Fenster, warf einen Blick hinaus und nach unten. Niemand. Hinter dem Gebäude befand sich eine schmale Gasse, dann ein weiteres Gebäude. Wenn der Schütze sich nicht in einem anderen Raum befand, dann war er die Feuerleiter hinuntergestiegen, als Smith die Treppe nach oben genommen hatte, und längst weg.

Bishop war noch da. Noch.

Smith ließ den Schläger fallen und half Bishop, sich auf den Rücken zu drehen. Bishops Augen standen immer noch weit offen, seine Pupillen bewegten sich nur minimal.

»Durchhalten, Mr Bishop, halten Sie durch.«

Smith kannte die Überlebenschancen bei einem Schuss in die Brust, wusste, wie lange ein Krankenwagen in diese Gegend brauchte. Dennoch schnappte er sich das Telefon auf Bishops Schreibtisch und rief den Notarzt. Dann legte er auf und wählte eine altbekannte Nummer.

Sekunden später, gerade als ihm auffiel, dass das schwache Stöhnen seines Chefs verstummt war, ging sein alter Chef ans Telefon.

*

Sieben Jahre und neun Monate lang hatte Sergeant Joe McInnis als einziger weißer Cop in einem farbigen Distrikt gedient. Er hatte zahllose Räume mit Mordopfern betreten, doch das war das erste Mal, dass ihn einer seiner ehemaligen Beamten zum Tatort rief.

Im Büro von Arthur Bishop roch es nach Kordit, fiel McInnis auf, noch bevor er es überhaupt betreten hatte. Es war kalt in dem Raum, das hintere Fenster stand offen, und doch war der Geruch der abgefeuerten Waffe noch nicht verflogen.

Smith hatte behauptet, Bishop sei bei seinem Anruf noch am Leben gewesen, das war jetzt nicht mehr der Fall.

Der Körper war noch warm, kein Puls, offene Augen. Er lag auf dem Rücken, die Arme angewinkelt, weil kein Platz war in diesem vollgestellten Raum, und sah genauso merkwürdig aus wie die anderen Leichen, die McInnis bedauerlicherweise häufig unter die Augen kamen. Menschen, die im Schlaf starben, wirkten oft genauso friedlich, wie man sich das vorstellte, doch Mordopfer sahen nie entspannt aus. Ihre Körper wirkten verkrampft, als besäßen sie immer noch die Energie, all das zu tun, wozu sie nicht mehr in der Lage waren.

Hinter McInnis standen zwei seiner Officer, Boggs und Jones. Letzterer war ein Rookie mit weit aufgerissenen Augen, der das erste Mal in seinem Leben ein Mordopfer sah. »Nichts anfassen«, ermahnte ihn McInnis.

Boggs dagegen war ein erfahrener Cop, der in seinen sieben Dienstjahren bereits alle möglichen Tatorte gesehen hatte. Der wahre Grund, warum McInnis die beiden mitgebracht hatte, lag darin, dass Boggs und Smith einst Partner gewesen waren. Sie hatten im April 1948 angefangen zusammenzuarbeiten, als Teil der ersten Einheit farbiger Polizisten. Die McInnis unterstellt war.

Boggs hatte helle Haut und ein kantiges Gesicht, er war streng und von großer Ernsthaftigkeit. McInnis hatte ihn damals als zu intellektuell für den Job eingeschätzt. Und immer noch schien er sich wohler dabei zu fühlen, Polizeiakten durchzukämmen oder Kids auf dem Gehweg zu ermuntern, weiterhin die Schule zu besuchen, statt sich einem Gewaltverbrecher in den Weg zu stellen. Doch die Jahre hatten ihn abgehärtet.

Im Gegensatz dazu war Smith immer schon ein Querulant gewesen, hatte sich an Regeln und Vorschriften abgearbeitet, als hätte man sie nur dafür gemacht, ihm auf die Nerven zu gehen. Er hatte nach nur zweieinhalb Jahren gekündigt.

McInnis ging davon aus, dass Boggs Smith wesentlich besser einschätzen konnte als er.

Es war McInnis nicht entgangen, dass er der einzige Weiße hier war, aber daran hatte er sich gewöhnt. Er hatte sich nicht darum beworben, der Sergeant einer Einheit von Negro-Polizisten zu sein, doch als man ihm zu verstehen gegeben hatte, dass er den Posten nicht ablehnen konnte, hatte er versucht, den bestmöglichen Job abzuliefern. Am Anfang war allein die Kommunikation eine echte Herausforderung gewesen. Manchmal wurden ein Kommentar oder Situationen von seinen Beamten auf einer völlig anderen Frequenz wahrgenommen, als Codes mit unvorhersehbaren Bedeutungen, komplexen Zusammenhängen, die er nicht begriff. Hin und wieder wurden das Übersetzen und Neuformulieren mühsam, laugten ihn aus und auch sie. Doch er gab sich die größte Mühe, diese Barrieren zu überwinden, und tatsächlich hatten die Missverständnisse im Lauf der Jahre abgenommen, worauf er durchaus stolz war.

Doch Stress erschwerte die Dinge, und Cops standen fast immer unter Stress.

Während McInnis sich neben die Leiche kniete und versuchte, sie genauer zu betrachten, ohne den Tatort zu beeinträchtigen, blieben Boggs und Jones an der Eingangstür stehen, und Smith wartete hinter ihnen.

McInnis roch Schnaps, und zwischen willkürlich angehäuften Zeitungsstapeln, die sich ineinander zu verschachteln schienen, erblickte er ein Glas auf Bishops chaotischem Schreibtisch. Auf dessen Grund etwas, das wie eine winzige Menge Whiskey aussah.

McInnis umrundete vorsichtig den Tisch, eine Schublade stand halboffen. Weder eine Waffe noch Patronenhülsen waren zu sehen, zumindest nicht auf Anhieb. Kein Blut auf dem Fenstersims, nichts Ungewöhnliches auf der Feuerleiter.

»Jones, gehen Sie runter und überprüfen Sie die Gegend rund um das Gebäude, suchen Sie nach einer Waffe oder Blut oder irgendwas, das da nicht hingehört.«

»Ja, Sir.«

Da waren Blutspritzer auf einem der Bücherregale links von McInnis. Also hatte Bishop nicht an seinem Schreibtisch gesessen, als man auf ihn geschossen hatte. Hätte Bishop sich von seinem Schreibtisch aus auf den Schützen zubewegt, hätte das Blut aus seinem Rücken spritzen müssen. McInnis bewegte sich langsam im Kreis, erspähte eine kleinere Menge Blut auf einem anderen Bücherregal, vermutlich von Bishops Hand, als er zu Boden gegangen war. Oder von der des Schützen.

McInnis trat hinaus auf den Flur zu Smith und Boggs. Er verschränkte die Arme und fixierte seinen ehemaligen Officer. Der nach Alkohol roch. McInnis dachte an das Glas auf dem Schreibtisch des Toten. Er musterte Smiths Kleidung, suchte nach Spuren von Blut oder eines Kampfes, doch außer dem Fehlen einer Krawatte und zwei offenen Hemdknöpfen, was vermutlich Smiths lässigen Stil unterstreichen sollte, fiel ihm nichts auf.

Smith war gut aussehend, hatte dunkle Haut und eine verwegene Art, um die ihn seine Kollegen offenbar immer beneidet hatten.

Nur seine Augen waren normalerweise nicht so weit aufgerissen.

»Die Mordkommission wird bald hier sein«, sagte McInnis. Mordkommission bedeutete weiße Detectives. Die farbigen Beamten waren nur Streifenpolizisten, denn niemand von ihnen war bisher zum Sergeant oder Detective befördert worden. Die meisten weißen Cops in Atlanta verachteten ihre farbigen Kollegen; von Anfang an hatten sie versucht, ihre Arbeit zu untergraben und zu sabotieren und selbst jetzt, nach über sieben Jahren dieses Experiments, hofften die meisten, dass die Negro-Cops allesamt gefeuert oder eines Tages auf mysteriöse Weise von selbst verschwinden würden.

Die Detectives von der Mordkommission würden hocherfreut sein, einen betrunkenen Negro neben einer Leiche vorzufinden. Dies war nur noch ein paar Minuten lang McInnis’ Fall.

»Erzählen Sie mir, was passiert ist.«

»Kurz bevor ich Sie angerufen hab, habe ich einen Schuss gehört. Oder Schüsse.«

»Was jetzt? Einen oder mehrere?«

»Ich weiß es nicht. Ich bin … eingeschlafen. Ich hab unten an einem Artikel gesessen – mein Büro liegt genau unter dem Raum.« Er zeigte den Flur hinunter. »Ich hab einen Schuss gehört, oder Schüsse, ich weiß es nicht, da bin ich aufgewacht. Dann hab ich jemanden schreien hören, eine männliche Stimme. Könnte Bishop gewesen sein, könnte auch jemand anderes gewesen sein.«

»Was hat die Stimme gerufen?«

»Ich konnte es nicht verstehen. Hab einen Schlag gehört, vermutlich, als er zu Boden ging. Dann Schritte, wahrscheinlich der Schütze, dann hab ich nach Bishop gerufen, gefragt, ob’s ihm gut geht. Ich hab mir den Schläger geschnappt«, er deutete auf den Baseballschläger auf dem Boden im Flur, der McInnis bereits aufgefallen war, »und bin die Treppe rauf. Er lag auf dem Bauch, hat sich mit der rechten Hand noch grade so abgestützt und hat gestöhnt. Ich hab ihn auf den Rücken gerollt und das Fensterbrett angefasst, als ich nach draußen geschaut habe. Ich hab das Telefon benutzt, sonst hab ich nichts angefasst.«

Hatte Smith eben noch nervös gewirkt, so schien ihn die Aufzählung der Fakten zu beruhigen. Es war wie früher, als berichtete er lediglich an seinen Sergeant über einen Tatort: Disziplin und alte Gewohnheiten zwangen das chaotische Ereignis in eine klare Form, die es ihm ermöglichte, den nächsten Schritt zu unternehmen – und den danach.

»Haben Sie jemand gesehen?«

»Nein. Ich hab Schritte gehört, wie gesagt, aber als ich Bishops Büro erreicht hab, war keiner mehr da. Das Fenster stand offen, also dachte ich an die Feuerleiter. Dann hab ich Sie angerufen. Keine zwei Minuten nach dem Schuss.«

McInnis warf Smith einen prüfenden Blick zu. »Sie haben getrunken.«

»Jawohl, Sir. Es ist spät, und ich kam bei einem Artikel nicht weiter. So läuft das bei uns Schreibern. Hab einen Flachmann auf meinem Schreibtisch da unten. Aber ich bin nicht betrunken

McInnis fragte sich, was anders gelaufen wäre, hätte nur Boggs den Anruf entgegengenommen. Wie hätten sich Boggs und Smith wohl ohne die Gegenwart eines Vorgesetzten verhalten? Ohne die Gegenwart eines Weißen? Welche anderen Geheimnisse wären ans Tageslicht gekommen?

»Haben Sie ihn erschossen?«

Smiths Augenbrauen schnellten in die Höhe. Vielleicht war er so verstört von der Leiche, dass er noch gar nicht so weit gedacht hatte. Vielleicht war er betrunkener, als er vorgab, konnte nicht klar denken. Vielleicht war er mit dem Toten befreundet gewesen, rang mit dem Verlust, begriff noch nicht, in welch großen Schwierigkeiten er steckte, obwohl er doch sonst ein so gewiefter Taktierer war.

»Nein, Sir, Sergeant, es war genauso, wie ich gesagt habe.«

McInnis erwiderte nichts darauf, sondern musterte Smith nur, schaffte eine Stille, die er entweder füllen oder mit Schweigen erwidern konnte.

»Ich hab ihn nicht umgebracht. Ich hab den Mann gemocht.« Eine Pause. »Na ja, vielleicht nicht unbedingt gemocht, aber ich hab ihn bewundert.«

Und schon fing Smith an, sich zu widersprechen.

McInnis kam näher und legte Smith die Hand auf die Schulter. Er berührte seine Officer nur selten. »Sie wissen, dass Sie heute Nacht verhört werden. Sie wissen, dass die diesen Fall schnell aufklären wollen, und das bedeutet, sie werden Ihnen den Mord anhängen. Also, wenn Sie es nicht waren, müssen Sie uns was liefern, und zwar sofort.«

Das Weiß in Smiths Augen hatte sich teilweise rot gefärbt, entweder vom Alkohol oder von der furchtbaren Art und Weise, auf die man ihn aus dem Schlaf gerissen hatte.

»Sergeant, ich hab keine Ahnung, was passiert ist. Nicht die geringste.«

McInnis nahm seine Hand weg. Sie standen seltsam nah beieinander.

»Kann ich mich drinnen noch mal umsehen?«, fragte Smith.

»Nur von hier aus.«

McInnis trat zurück und ließ Smith bis zur Türschwelle vortreten. Smith sah sich die Szenerie erneut an. »Sein Schreibtisch ist sonst nie so unordentlich«, sagte er dann. »Die ganzen Zeitungen überall.«

»Vielleicht hat er sich draufgelehnt und sie umgeschmissen, als er aufgestanden ist«, mutmaßte McInnis.

»Oder wer auch immer ihn erschossen hat war auf der Suche nach etwas. Und hatte keine Zeit mehr aufzuräumen, als er mich kommen hörte.« Smiths Blick verharrte noch, er schüttelte den Kopf.

Boggs konnte sich einen Kommentar nicht verkneifen. »Kein guter Abend, um zu trinken.«

Smith warf seinem Ex-Partner einen finsteren Blick zu. »Es ist nur Alkohol, Priesterjunge. Es macht keinen Mörder aus mir.«

»Smith«, sagte McInnis, »die Mordkommission wird Sie so oder so über Nacht auf der Wache behalten, verstehen Sie? Sie müssen ruhig bleiben, dürfen die nicht provozieren.«

Im Provozieren war Smith immer schon Experte gewesen, wie der »Priesterjunge«-Spruch eben bewiesen hatte. »Ja, Sir«, sagte er.

»Ich kann dir einen Anwalt besorgen«, sagte Boggs. »Mein Vater kennt einen.«

Smith nickte, Schweiß tropfte an seiner Wange herunter. Es war alles andere als warm im Flur.

»Ich muss Sie nach Waffen abtasten«, sagte McInnis. »Sorry, aber Sie wissen ja, wie das läuft.«

McInnis wich Smiths Blick aus, stand einfach nur da und wartete zwei Sekunden lang, bis Smith seine Arme ausstreckte. Zigaretten in der Brusttasche seines Hemds, ein Portemonnaie mit achtzehn Dollar in der rechten Hosentasche, in der linken die Schlüssel. Sonst nichts. McInnis hoffte, dass die Waffe, mit der Bishop getötet worden war, ein anderes Kaliber hatte als die Waffen, die Smith besaß.

»Was können Sie uns sonst noch sagen?«, fragte McInnis, nachdem er fertig war. »Hatte Bishop Affären oder Geldsorgen, haben Sie in letzter Zeit gehört, dass er sich mit jemand heftig gestritten hat?«

Smith antwortete nicht sofort, was untypisch für ihn war.

McInnis bohrte nach. »Wer könnte ihm etwas anhaben wollen?«

»Ihm gehört die Zeitung, jede Menge Leute wollen ihm was anhaben. Sie lesen diese Zeitung nicht, oder?«

»Gelegentlich.« Aber in Wahrheit nur selten.

»Ich lese sie«, sagte Boggs. »Deine Artikel immer zuerst.«

Das überraschte McInnis nicht. Boggs las ganz sicher jeden Tag vier bis fünf Zeitungen.

»Wir behandeln Politik, Verbrechen, Gesellschaft, alles. Machen eine Menge Leute wütend. Sie sollten mal die Hassbriefe sehen, die wir bekommen, vor allem in letzter Zeit. Gegen uns läuft ein Verfahren, und jetzt will der oberste Staatsanwalt auch noch …«

»Welches Verfahren?«

Sie hörten Sirenen. Sie wurden lauter.

»Jesus Christus«, sagte Smith, als würde ihm seine Situation durch den herannahenden Streifenwagen schlagartig bewusst. Autotüren knallten. Weitere Sirenen in der Ferne. »Das kann nicht wahr sein.«

Sie waren fast da, genau jene weißen Cops, mit denen Smith es nicht ertragen hatte zusammenzuarbeiten. Und dieses Mal hatten sie es auf ihn abgesehen.

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Drei Tage zuvor

1

DER WEISSE GEFÄNGNISWÄRTER schien sich unwohl zu fühlen bei dem Gedanken, diesen drei Männern zu erlauben, sich unbeaufsichtigt miteinander zu unterhalten.

Ein seltsamer Haufen. Auf der einen Seite vom Tisch: ein junger farbiger Gefangener mit dünnen Ärmchen, die aus seinem zu großen gestreiften Gefängnishemd herausragten, er benötigte dringend einen Haarschnitt. Auf der anderen Seite: ein kleiner weißer Anwalt, die grauen Haare mit Gel zurückgekämmt, das der Wärter selbst aus ein paar Metern Entfernung noch riechen konnte. Und daneben die Wild Card: der »Assistent des Anwalts«, groß gewachsen und beinahe so alt wie der Anwalt selbst, graue Schläfen, aber mit der gleichen Hautfarbe wie der Gefangene, nur einen Tick heller. Wer hatte je von einem Negro gehört, der mit einem weißen Anwalt zusammenarbeitete?

Arthur Bishop, besagter Mann mit den grau melierten Haaren, fing an, sich zu sorgen, der Wärter könne denken, dass er unter Vorwand hier war.

Womit er recht hätte.

In Atlanta gab es durchaus Negro-Anwälte, doch weitaus weniger als Negro-Zahnärzte, Negro-Geschäftsleute oder Negro-Versicherungsvertreter. Eigentlich hätte Bishop wetten können, dass es in Atlanta mehr Negros gab, die Chefs von millionenschweren Unternehmen (Atlanta Life Insurance Company, Atlanta First Credit Union, das Colored Hair Care Emporium etc.) waren, als Negro-Anwälte. Es lag nicht daran, dass Farbige nicht Jura studieren konnten; das Problem war, dass niemand gerne von einem schwarzen Anwalt vertreten wurde. Stand man im Süden wegen Diebstahl oder Mord vor Gericht, war alles, was ein schwarzer Anwalt zustande brachte, den Zorn der weißen Richter zu erregen, die den Anblick eines dunkelhäutigen Mannes nicht ertrugen, der sich in gemäßigtem Ton zu Paragrafen, juristischen Sachverhalten und dergleichen äußerte. Herz, Nieren, Zähne und das Konto durfte gerne ein Farbiger überprüfen, doch war man jemals – Gott bewahre – der Gnade einer weißen Jury ausgeliefert, half nur ein weißer Anwalt.

Genau aus diesem Grund wurde Randy Higgs, dreiundzwanzig und demnächst wegen Vergewaltigung vor Gericht, von Welborn T. Kirk vertreten, dessen Haut nicht weißer hätte sein können, hätte er die letzten zehn Jahre in einer Höhle in North Georgia verbracht. Trotz seines vornehmen Namens stammte er aus einer kleinen Kanzlei, die mehr mittellose Klienten vertrat, als ihr lieb sein konnte.

»Wir kommen schon klar, Joe«, ließ Kirk den misstrauischen Wärter wissen. »Sollte er tatsächlich seine Ketten sprengen, schrei ich ganz laut, einverstanden?«

Joe schüttelte den Kopf. »Das ist Ihr Problem. Sie haben fünfzehn Minuten.«

»Oh nein, Joe, ich denke, ich habe eine Stunde.« Kirk blätterte im Stehen die Unterlagen durch, die er auf dem Tisch ausgebreitet hatte. »Ich hab Antrag L-5 ausgefüllt.« Er hielt dem Wärter einen braunen Umschlag hin, und Bishop sah gerade noch so die Spitze eines Fünf-Dollar-Scheins herausragen.

Joes fleischiges Gesicht wirkte gelangweilt, vielleicht sogar leicht beleidigt, als er den Umschlag annahm, ihn öffnete und so tat, als lese er sich den juristischen Jargon durch. Dann reichte er ihn zurück an Kirk und behielt den Schein.

»Also dann, sechzig Minuten.«

Der weiße Wärter ging weg und positionierte sich in der hinteren Ecke, ließ die drei an dem langen Tisch sitzen, der den schmalen Raum zweiteilte. Auf der einen Seite saßen die Besucher, die Anwälte und Verwandten, auf der anderen die Verurteilten in ihren gestreiften Gewändern und dem Körpergeruch von nur zwei Duschen pro Woche.

»Eine Stunde ist nicht viel für so ein Gespräch«, sagte Bishop. Er hatte den Raum bereits auf Abhörmikrofone überprüft und keine gefunden. Und es beruhigte ihn auch einigermaßen, dass ein Spionspiegel fehlte. Trotzdem mussten sie so leise wie möglich reden, um nicht belauscht zu werden.

In seinen zahlreichen Jahren als Reporter hatte sich Bishop schon an ungemütlicheren Orten als diesem aufgehalten. Er hatte Interviews in schäbigen Hinterhof-Baracken, in Arbeitslagern und an Tatorten geführt, auf Schlachtfeldern, in den unterschiedlichsten Bundesstaaten und im Ausland. Dennoch machten ihn Gefängnisse enorm nervös, auf eine Art, die der weiße Anwalt nicht nachvollziehen konnte. »Wir fangen lieber an.«

Bishop trug ein braunes Tweedjackett über einem beigefarbenen Hemd und einer roten Krawatte. Nicht gerade sein bester Aufzug, doch er hatte den weißen Anwalt nicht übertrumpfen wollen, er gab sich schließlich als dessen Assistent aus. Es gefiel ihm nicht, unter einem Vorwand hier zu sein, es war ein Bruch mit seinen Grundsätzen als Reporter, doch schon vor langer Zeit hatte er eingesehen, dass die verzerrten Regeln der Südstaatenjustiz ihn dazu zwangen, sich auch die eigenen zurechtzubiegen.

»Mr Bishop ist der Mann, von dem ich dir erzählt habe«, sagte Kirk zu seinem jungen Klienten. »Er ist der Herausgeber der Atlanta Daily Times

Higgs wartete im Gefängnis auf seine Verhandlung, weil eine achtzehnjährige weiße Frau ihn der Vergewaltigung beschuldigt hatte.

»Freut mich, Sie kennenzulernen, Sir«, sagte Higgs. Ganz ordentliche Manieren, dachte Bishop. Er kannte die Familie des Jungen nicht, was ihn nur noch mehr hatte zögern lassen hierherzukommen. Wenn er versuchte, jedem armen Negro zu helfen, den man zu Unrecht angeklagt hatte, bliebe wenig Zeit für andere Dinge. Sein Instinkt für die entscheidenden Schlachten war einer der Gründe für Bishops Erfolg.

Als Herausgeber und Chefredakteur war Bishop prämierter Journalist und tüchtiger Geschäftsmann zugleich. Er besaß nicht nur die Daily Times, sondern auch ein paar kleinere Zeitungen in fünf Südstaaten. Die Daily Times und ihre Ableger hatten ihre Hunderttausende von Lesern zum einen dem Netzwerk aus mit der Bahn reisenden Händlern zu verdanken, die die Zeitungen im Zug und an Bahnhöfen verkauften, und zum anderen den Schaffnern, welche die bereits gelesenen Ausgaben mit Bedacht an den Stationen kleinerer Südstaatenorte und in den Städten im Norden und mittleren Westen liegen ließen.

»Warum erzählst du Mr Bishop nicht genau das, was du mir erzählt hast?«, sagte der weiße Anwalt.

Higgs starrte Bishop ausdruckslos an. »Ich war’s nicht.«

Beinahe hätte Bishop gelächelt bei so viel Naivität. »Ein paar mehr Details wären hilfreich«, sagte er. »Mr Kirk hat mir beispielsweise bereits erzählt, dass du und sie ein Liebespärchen wart.«

Higgs nickte, den Blick gesenkt. Noch schämte er sich, über Sex zu reden, doch wer wegen Vergewaltigung vor Gericht stand, würde sich schnell daran gewöhnen müssen.

»Aber ich hätte so was nie getan. Hätte Martha niemals … vergewaltigt. Wir waren, also wir beide waren, wir waren ein Paar. Also … sie war diejenige, die, Sie wissen schon.«

»Ich fürchte, ich weiß es nicht«, sagte Bishop und faltete seine Hände über dem Tisch. »Das hier kann nur funktionieren, junger Mann, wenn Sie aufrichtig und vollständig berichten. Das heißt: kein ›Sie wissen schon‹ und kein ›so Zeug halt‹.« Drück dich klar aus, hatte Bishops Lieblingsdozent ihm vor so vielen Jahren eingebläut. Bei keinem Thema fiel dies so schwer wie bei Liebe und Sex, doch nirgendwo kam es so sehr auf die pikanten Details an, wie in den Südstaaten zur Zeit der Jim-Crow-Gesetze.

»Alles klar«, sagte Higgs und sprach weiterhin in seinen Schoß. »Sie war diejenige, die … losgelegt hat. Die damit angefangen hat.«

Kirk reichte Bishop verstohlen einen Bleistift. Der Wärter hatte Bishop verboten, einen Stift mit in das Zimmer zu nehmen, doch offensichtlich hatte er den weißen Anwalt nicht ganz so gründlich durchsucht. Bishop öffnete sein Notizbuch, legte es in seinen Schoß und machte sich blindlings Notizen, damit man ihn nicht dabei erwischte.

»Sie hat die Romanze begonnen?«, brachte er es auf den Punkt.

Der Blick ging nach oben, endlich. »Ja, Sir.«

»Ziemlich direkt, oder? Ein leichtes Mädchen?«

»Nein, Sir.« Higgs wirkte gekränkt. »Also, sie hat zwar damit angefangen, aber sie ist ein anständiges Mädchen. Ich will nicht schlecht über sie reden.«

Bishop warf Kirk einen Blick zu, die beiden älteren Männer hätten wohl am liebsten über die Torheit der Jugend die Köpfe geschüttelt. Der jungen Frau, über die er nicht schlecht reden wollte, hatte er es zu verdanken, dass er hier war. Sie war nur eine einzelne Person, und doch hatte sie eine riesige Maschinerie in Gang gesetzt, die wie eine entfesselte Armee Konföderierter, die nicht mehr aufzuhalten waren, in der Lage war, Higgs zu zerquetschen. Und der Junge erblasste schon, weil Bishop es wagte, schlecht über sie zu reden!

»Sie bezichtigt dich zu Unrecht der Vergewaltigung, und du willst nichts Schlechtes über sie sagen?«

»Ich will einfach nicht … Es ist nicht sie, die das tut, Sir. Es ist ihre Familie.«

»Aber sie macht ja wohl dabei mit, oder etwa nicht?«

Keine Antwort. Wieder starrte Higgs auf seine gefesselten Hände, die an den Schreibtisch vor ihm gekettet waren.

»Du glaubst immer noch, dass sie deine Julia ist, obwohl du jetzt hier sitzt? Ist das deine Version des Shakespeare-Stücks? Mit dem kleinen Unterschied, dass am Ende nur einer von euch sterben wird.«

Higgs schaute hoch, konnte nichts mit der Anspielung anfangen. »Ich will einfach nur die Wahrheit sagen, Sir, mehr nicht. Mr Kirk meinte, ihre Zeitung kann mir dabei helfen.«

»Ich kann nichts versprechen, junger Mann. Verschiedene Faktoren beeinflussen, ob ich einen Artikel veröffentliche oder nicht. Und ich will ehrlich sein, hier gibt’s ne Menge Dinge, die mich davon abhalten, auch nur ein Wort zu drucken. Aber ich hör mir Ihre Geschichte an, wenn Sie von ganz vorne anfangen.«

»Und vergiss nicht, die Liebesbriefe zu erwähnen«, fügte Kirk hinzu.

»Was für Liebesbriefe?«, wollte Bishop wissen.

»Die sie ihm geschickt hat.«

Bishop schaute Higgs an, der nickte. Dann wieder den Anwalt. »Wann wurden die geschickt?«

»Wir haben zwei. Der zweite wurde, drei Tage bevor sie Anzeige erstattete, losgeschickt. Also zwei Tage, nachdem angeblich die erste Vergewaltigung begangen wurde.«

»Die Briefe sind datiert?«

»Und dazu haben wir die passenden Umschläge mit dem Poststempel.« Kirk grinste. Er wusste, womit man die Aufmerksamkeit eines Journalisten erregte. Konkrete Beweise standen immer ganz oben auf der Liste.

»Wo sind die?«

»Die Briefe sind an einem sicheren Ort.«

»Ich muss sie sehen.«

»Das lässt sich arrangieren.«

Bishop dachte einen Moment lang nach. Er griff in die Jackentasche und ließ seine Uhr aufschnappen.

»Nun gut, junger Mann, wir haben noch zweiundfünfzig Minuten Zeit für Ihre Liebesgeschichte.«

2

SMITH WAR FERTIG mit Bertha. Sie hatten ihren Spaß zusammen gehabt, doch das war lange her. Jetzt hasste er sie nur noch. Sie war aufsässig, sie tat nie das, was er wollte, und jedes Mal, wenn er versuchte, ihre Knöpfe zu drücken, die einst für so wunderbare Musik gesorgt hatten, schlug ihm nur Frust entgegen.

Einmal mehr drückte er ihre Knöpfe, doch sie klemmten.

»Gottverdammt noch mal!« Er überschrieb das Wort mit mehreren X und probierte es erneut. Schaute auf die Uhr – scheiße, zehn Minuten noch bis zum Abgabeschluss. Bryan Laurence, der penible Nachrichtenredakteur, würde in wenigen Minuten an seine Tür klopfen und sich beschweren, ihn an bestimmte journalistische Grundsätze, altehrwürdige Praktiken und sorgfältiges Redigieren erinnern. An den Respekt vor ihren hart arbeitenden Setzern, Druckern und Chemigrafen, die alle Hände voll zu tun hatten und sich mit ihrer Arbeit nicht hetzen sollten, nur weil Smith nicht rechtzeitig mit seiner fertig wurde.

Und so tippte er weiter auf Bertha, der schwarzen Victrola 600, die er benutzte, seit er bei der Daily Times angefangen hatte. Das K klemmte, das E funktionierte nur jedes zweite Mal (ausgerechnet das E! Nicht gerade ein seltener Buchstabe), und das Y war so wackelig, dass er jedes Mal damit rechnete, dass das Ding aus der Tastatur flog. Er merkte, wie er versuchte, Wörter ohne Y zu finden, obwohl er wusste, dass Laurence ihm das nicht durchgehen lassen würde. Denn der glaubte, dass sogar neutral klingende Wörter hintergründige Tendenzen und geheime Bedeutungen enthielten. Diese Tendenzen steckten überall, man bekam sie kaum aus seiner Schreibe heraus.

»Ich hasse dich, Bertha«, murmelte Smith, einen Zigarettenstummel zwischen den Lippen, während das E erneut versagte. Stumm schwor er sich zum zigsten Mal, dass das der letzte Artikel war, den er mit Bertha schrieb, obwohl er wusste, dass die Zeitung ihm auch dieses Mal den Wunsch nach einer neuen Schreibmaschine verweigern würde.

Letzter Satz, Punkt, dann entriegelte er das Farbband und spulte die Seite aus. Er trug seine Trophäe wehend durch den schmalen, mit Kisten verstopften Flur und legte sie auf Laurences tadellosen Schreibtisch.

Trotz der vielen Bücherregale war das der ordentlichste Raum im Haus. Und trotz seines hektischen Jobs fand Laurence jeden Tag Zeit, Staub zu wischen. Sein Leben war ein nie enden wollender Kampf gegen das Chaos, das physische, grammatikalische und metaphysische. Seine Bleistifte lagen in perfekter Reihe auf dem Tisch und waren spitz genug, um jemand damit zu verletzen.

»Rekordzeit«, sagte Laurence und warf einen theatralischen Blick auf die Uhr. An der Wand hinter ihm hing eine gerahmte Fotografie von Ida B. Wells, die ihr stummes Urteil über jeden Besucher fällte.

»Hey, ich musste auf den offiziellen Polizeibericht warten. Sie wissen doch noch, dass ich die schneller bekomme als jeder andere Reporter.« Jeder andere farbige Reporter zumindest. Die weißen Reporter hatten einen fantastischen Draht zum Atlanta Police Department, das schwarze Reporter in der Regel abblitzen ließ. Smiths Kontakte bei der Polizei reichten gerade aus, um sich das Nötigste zu besorgen, doch es ging nie ohne Überredungskunst und Geduld.

»Das haben Sie mir bereits erzählt. Mehrmals.« Mit seinen gewellten Haaren, den grünen Augen, der griechischen Nase und der hellen Haut hätte Laurence als weiß durchgehen können, wenn er gewollt hätte. Manchmal nutzte er sein Aussehen zu journalistischen Zwecken, um von Veranstaltungen zu berichten, zu denen Negros eigentlich keinen Zutritt hatten. Er war Zeuge dreier Lynchmorde im ländlichen Georgia und Alabama geworden, hatte sich unter die blutrünstige Menge gemischt und die grausigen Einzelheiten für seine Artikel notiert.

Man erzählte sich, dass diese Erfahrungen ihn einige Geisteskraft gekostet hätten, dass dadurch ein paar Schrauben locker geworden waren. Vor ein paar Jahren hatte er einen Zusammenbruch erlitten und war eine Woche lang verschwunden. Seine Kollegen hatten befürchtet, er sei tot. Dann kam ein Brief an Mr Bishop von einem Arzt, in dem stand, dass Laurence eine Auszeit benötigte. Drei Monate später kehrte Laurence zurück, entschuldigte sich für seine Abwesenheit und bat nicht um seinen alten Job als Reporter, sondern einen anderen: Nachrichtenredakteur. Mr Bishop hatte zugestimmt, doch die Gerüchte wollten nicht verstummen – Laurence sei eingewiesen worden, er ertrage keine Menschenmengen mehr oder kein offenes Gelände oder die Anwesenheit von Weißen.

Nachdem er von seinem mysteriösen Verschwinden zurückgekehrt war, war Laurence wieder ganz sein altes übergründliches Selbst gewesen, das auch von seinen Reportern Perfektion verlangte. Doch da war noch etwas: Seit Ewigkeiten hatte ihn niemand außerhalb des Gebäudes, draußen auf dem Gehweg, gesehen. Jeden Morgen brachte ihn seine Frau in aller Frühe in ihrem Ford, und Laurence betrat hastig das Gebäude, seinen Fedora über die Augen gezogen. Diese Routine wiederholte sich jeden Abend nach der Arbeit.

Laurence fing an zu lesen, griff nach dem Rotstift, den er immer benutzte, um Smiths Entwürfe zu vernichten. Smith hasste diesen Stift. »Sie wollen doch sicher nicht hier rumlungern, während ich das tue?«, fragte der Redakteur, den Blick weiterhin gesenkt.

»Ich bin gerne dabei, wenn jemand so Sachen sagt wie ›Oh, das ist gut!‹, während er mein Zeug liest.«

»Ich bringe ihr ›Zeug‹ zurück, sobald ich fertig bin, Mr Smith. Ab mit Ihnen.«

Zurück in seinem Büro zündete sich Smith eine Zigarette an, die nicht so triumphierend schmeckte, wie er gehofft hatte. Er öffnete ein Fenster und starrte hinaus auf die Auburn Avenue, sah den Rauchfäden der Zigarette dabei zu, wie sie sein enges Büro verließen und in die kalte Luft aufstiegen. Ihr kreisförmiges Muster erinnerte ihn an das Papier in Berthas Einzug, an Worte, die sich unausgesprochen in der Luft Atlantas verloren. Seine Arbeit war so wenig greifbar, im einen Moment noch in seinem Kopf und im nächsten schon draußen in der großen Welt, wo sie im schlimmsten Fall keinen Unterschied machte und ihre Wirkung genauso verpuffte wie diese Rauchwolken in der Atmosphäre des Planeten.

Tiefgründige Gedanken, spottete er über sich selbst. Dann lieber ein Drink.

Smith las die Artikel seiner Kollegen in der heutigen Ausgabe nach. Ein Senator aus Massachusetts wollte dem kommenden Bildungsfinanzierungsgesetz einen Paragrafen hinzufügen, der Bundesstaaten bestrafte, die sich weiterhin dem Brown-Urteil des Obersten Gerichtshofs widersetzten, die Rassentrennung an Schulen aufzuheben. Daneben gab es einen Artikel über den Gouverneur, der weiterhin auf dem Standpunkt beharrte, dass manche Bundesstaaten sich nicht an das mittlerweile anderthalb Jahre alte Urteil zu halten brauchten. In anderen Nachrichten hatten die Regierungen der Sowjetunion und Liberia ein gemeinsames diplomatisches Abkommen unterzeichnet.

Smith warf einen Blick auf die Sportseiten, las von einem kommenden Boxkampf und überprüfte die Nachtleben-Kolumne, um zu erfahren, welche Musiker demnächst in der Stadt waren. Er überprüfte sogar die Spalte mit den Kirchennachrichten, denn manchmal waren es die Engel, die einem Aufschluss über die Teufel gaben. Anzeigen finanzierten nach wie vor das Blatt, der Platz wurde gefüllt von Manishewitz’ Weine, dem Gate City Barbershop, Haargel von Kongolene, einbruchssicheren Fenstergittern von Southern Wire & Irons und dem Radiosender WERD.

Smith legte die Zeitung weg und beobachtete die Fußgänger auf der Straße. Er gab es ungern zu, doch es waren diese Momente – in denen er ein Triumphgefühl hätte verspüren sollen –, in denen er die Aufregung seines alten Jobs am meisten vermisste. Das Adrenalin beim Einreichen eines Artikels war nichts im Vergleich zu dem, wenn er einen Kriminellen gestellt und ihm Handschellen angelegt hatte.

Dann trat Mr Bishop ein, ungewöhnlich zackig für den sonst so zurückhaltenden Mann. In typischer Manier eröffnete er das Gespräch ohne Grußformel oder Vorgeplänkel: »Ich denke, an dem Higgs-Fall ist was dran.«

Arthur Bishop war groß und schlank, seine Haltung stets aufrecht, selbst wenn er sich wie jetzt beinahe den Kopf am Türrahmen stieß. Seine Haltung sollte wohl auch moralische Größe symbolisieren, was Smith, selbst eher Charmeur, Lebemann und Hallodri, ein wenig albern fand, auch wenn es ihn auf der Hut sein ließ. Gegenüber einem Boss wie Bishop wollte man sich keine Fehler erlauben.

»Wie das?«, fragte Smith. »Klingt doch wie genau die Art von Story, von der Sie normalerweise die Finger lassen.«

Der konservative Bishop war stolz auf seine Zeitung, sein selbstgebautes Megaphon, und wollte es nicht für Geschichten nutzen, von denen er befürchtete, dass sie seinen Lesern mehr schadeten als nutzten. Die Zeitung behandelte das Thema Verbrechen mit äußerster Vorsicht – zu vorsichtig für Smiths Geschmack. (Bishop hatte mehrere von Smiths Artikeln abgelehnt, weil sie zu »aufrührerisch« waren.) Die Daily Times berichtete durchaus über Polizeibrutalität gegenüber Negros oder Fälle, in denen Negros nachweislich unter falschen Anschuldigungen festgenommen wurden, doch das waren eher kurze und sachliche Artikel, trockener Stoff. Nicht zu vergleichen mit den heftigen Tiraden im kommunistischen Daily Worker oder dem Chicago Defender, Amerikas meistgelesener schwarzer Zeitung (eine Tatsache, die Bishops Unmut erregte), die stolz ihre Berichterstattung über die Ungerechtigkeiten im Süden nutzten, um andere Negros zu ermuntern, in den Norden auszuwandern. Doch die Redakteure und Reporter, die über den Süden berichteten, während sie selbst hier lebten, standen vor ganz anderen Herausforderungen.

»Bei diesem Fall lohnt es sich«, sagte Bishop.

»Großartig. Was ist der Aufhänger?«

Bishop überlegte einen Moment lang. »Dazu muss ich noch ein paar Dinge recherchieren.« Er war bekannt für seine schmallippige Art, wenn er gerade an einem Artikel arbeitete.

Smith wechselte das Thema. »Wie war Montgomery?«

Bishop war Anfang der Woche dort gewesen. »Eine produktive Reise.«

»Haben Sie sich den Boykott angesehen?«

Bishop wirkte unangenehm berührt, so als hätte Smith gefurzt. »Hab ich nicht. Ich war mit anderen Dingen beschäftigt.«

Der Boykott der öffentlichen Busse dauerte schon beinahe zwei Monate an, zum Erstaunen der Beobachter. Der junge Reverend, der die neu gegründete Montgomery Improvement Association leitete, war ein gewisser M. L. King Jr., gebürtig in Atlanta, Sohn eines stadtbekannten Predigers, dessen Kirchengemeinde sich nur eine halbe Meile entfernt von der Daily Times traf.

Die Zeitung hatte ein paar Artikel über den Boykott gebracht, und Bishop selbst bot im Leitartikel seine Unterstützung an. Er hatte aber auch Kritik geäußert und argumentiert, dass eine juristische Attacke aus der Feder rigoroser Anwälte mehr gebracht hätte als die Proteste von Dienstmädchen und Arbeitern. Und er hatte die bescheidenen Forderungen der Gruppierung belächelt: Sie hatten noch nicht einmal ein Ende der Rassentrennung in Bussen gefordert. Lediglich, dass Negros, die bereits saßen, ihre Sitze nicht für Weiße aufgeben mussten, die später zustiegen, und dass die Unternehmen auch farbige Fahrer einstellten. Privat war Bishop der Meinung, dass der Boykott gut gemeint war, aber dürftig umgesetzt, unnötig konfrontativ und damit im schlimmsten Fall Gewaltakte gegen die hilflosesten Mitglieder der Gemeinde heraufbeschwor.

»Das geht jetzt schon eine Weile so«, bemerkte Smith. »Die Story wird größer. Wir könnten doch wenigstens mal bei seinem Vater anklopfen und schauen, ob …«

»Darüber haben wir bereits geredet«, schnitt Bishop ihm das Wort ab. »Bleiben Sie beim Verbrechen, Smith.«

Damit marschierte Bishop zurück in sein Büro, und Smith wurde vom Klingeln seines Telefons abgelenkt.

»Hallo Smitty«, hörte er eine vertraute Stimme in der Leitung. »Hab ne Leiche für dich.«

*

Bis Smith es zu der kleinen Wohnung des Opfers geschafft hatte, war ein Mann bereits vom Krankenwagen abgeholt worden. Der andere lag tot und blutverschmiert auf dem Boden, der Leichenwagen war unterwegs.

»Die sind nicht nur Brüder, sondern Zwillinge, oder?«, fragte Smith Deaderick, einen weißen Cop.

Der Griff eines Schlachtermessers ragte im 45-Grad-Winkel aus der Hand des toten Mannes, eine tödliche Hypotenuse. Der Holzboden darunter war so durchtränkt von Blut, dass sich Smith sicher war, dass es durch die Decke tropfte. Er würde sich das unten mal anschauen, für seine Story. Gutes Detail.

»Yep«, sagte Deaderick. »Das hier ist Larry, und der auf dem Weg ins Krankenhaus ist Lenny. Glaub mir, Lenny packt’s auch nicht. Waren tiefe Wunden.«

Die meisten Erstochenen, die Smith gesehen hatte, teilten eine merkwürdige Gemeinsamkeit: In der Regel legte der Täter eine Decke über die Leiche. Als er das zum ersten Mal gesehen hatte, hatte es ihn erschüttert. Egal ob der Mörder eine Frau, ein Mann oder ein Jugendlicher war, meist waren sie so besessen von ihrer Wut oder ihrem Blutrausch, dass sie immer und immer wieder zustachen, wie entfesselt. Wenn die Wut dann später verebbte, überkam sie eine Art Schamgefühl und sie wollten nicht mehr wahrhaben, was sie angerichtet hatten. Daher die Decken oder Kissen, die die Tat versteckten.

Dass Larry nicht zugedeckt war, sprach für den Irrsinn, der sich eben noch zugetragen hatte; zwei Brüder, die aufeinander einstachen, ohne Sieger.

Sie befanden sich im dritten, obersten Stockwerk eines heruntergekommenen Gebäudes in Darktown, von baufälliger Substanz, die sich zu bewegen schien, sobald der winterliche Wind stärker wurde. Wenigstens befand sich in der Wohnung ein Badezimmer; bei vielen in diesem Block gab es nur Außentoiletten.

»Hinter den beiden waren wir wegen dem Juwelenraub vor ein paar Wochen her«, erklärte Deaderick. »Es ist ihre Wohnung, aber sie waren nie da, wenn wir sie überprüft haben. Müssen wohl kurz die Stadt verlassen haben und dachten dann, die Aufregung hätte sich wieder gelegt. Egal, scheint, als hätten sie einen Streit über ihr Anteile gehabt.«

Ein noch glänzendes Bowie-Messer lag ein paar Zentimeter neben Larrys linker Hand auf dem Boden. An seinem rechten Handgelenk trug er eine goldene Uhr. Smith schrieb die Marke der Uhr in sein Notizbuch.

»Er war also Linkshänder?«, fragte er.

»Scheint so, Smitty. Spielt das ne Rolle?« Niemand auf der Welt nannte ihn »Smitty« außer Deaderick. Der Cop hatte sich den Spitznamen ausgedacht, vermutlich dachte er, er brauche eine liebevollere Ansprache an Smith als nur »Junge«, aber nichts allzu Respektvolles. Smith hasste »Smitty«, aber er ließ es sich gefallen.