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Rebecca und Ben ergänzen sich perfekt: Er weint manchmal, wenn er kitschige Liebesfilme sieht. Ihre Augen tränen noch nicht mal beim Zwiebelschneiden. Während sie als Architektin Karriere macht, weiß er nicht so genau, was er mit seinem Leben anfangen möchte. Ihm fällt es leicht, mit fremden Menschen ins Gespräch zu kommen. Sie hasst Small Talk. Genau aus diesen Gründen sind die beiden das perfekte Paar. Nichts kann sie auseinanderbringen. Das glauben sie zumindest.

Wenn da nur nicht diese eine Sache wäre, die Ben Rebecca eigentlich noch hätte sagen müssen und die sie schließlich selbst herausfindet. Auf einmal sind die beiden gezwungen, alles zu hinterfragen, was sie je voneinander wussten …
 
 

autor

LAURA TAIT & JIMMY RICE sind beide Anfang dreißig und leben in London. Sie kennen sich bereits seit dem Journalistikstudium an der Sheffield University. Zehn Jahre lang haben sie sich in Pubs getroffen und über das Leben und die Liebe philosophiert. Viel hat sich nicht verändert, seitdem sie miteinander Romane veröffentlichen. Außer dass sie ihre Laptops mitbringen und alles aufschreiben. Ansonsten schimpft Jimmy noch immer mit Laura, weil sie ständig zu spät ist. Und Laura kann Jimmy noch immer unter den Tisch trinken. Ihr Debütroman ›Das Beste, das mir nie passiert ist‹ erschien 2014 bei DuMont.

LAURA TAIT & JIMMY RICE

ALLES, WAS VIELLEICHT FÜR IMMER IST

Roman

Aus dem Englischen
von Marion Herbert

 

 

 

Für Rosemary Cowan und

Archibald Carmichael Cowan

Prolog   REBECCA

Der Abend der Eröffnung

Wo ist Jamie?

Ich bin noch nicht dahintergekommen, wie man es hinkriegt, allein auf einer Party eine gute Figur zu machen.

Ich hätte mit Danielle kommen sollen. Sie hat noch versucht, mich in die Dusche zu verfrachten, während sie sich bereits die Lippen korallenrot anmalte und sich im Spiegel über dem Kamin einen Du-kannst-jeden-haben-Blick zuwarf, aber ich war ganz in mein Buch über Art déco vertieft und sagte ihr, ich würde sie später hier treffen.

Ich drücke mich verlegen an der Bar herum. Mit eins achtundsiebzig ist es relativ schwer, sich unauffällig zu verhalten, wenn man seine Freunde nicht finden kann, aber wenigstens kann man bequem einen Raum absuchen, und ich entdecke Danielle, die lachend neben zwei mir unbekannten Männern steht.

Der eine redet ununterbrochen auf sie ein und sieht dabei aus, als könnte er sein Glück kaum fassen und hätte gleichzeitig Angst, dass sie verschwindet, wenn er damit aufhört. Der andere steht verschüchtert daneben. Keiner von beiden hat eine Chance – sie und Shane, ihr Immer-mal-wieder-Freund, sind wieder zusammen. Mal wieder.

Er kommt später nach.

Wegen meiner Präsentation für East House Pictures am Montag bin ich zu nervös für Small Talk mit Fremden. Das alte Kino in Hackney stand jahrelang leer, ist ziemlich baufällig und soll demnächst restauriert werden. Und wenn unser Pitch gut läuft, könnte unsere Firma den Auftrag bekommen, die Pläne zu entwerfen und das Gebäude wieder aufzubauen.

Ich habe von klein auf davon geträumt, mein erstes Gebäude zu entwerfen, so wie andere Mädchen vom Heiraten träumen. Ich bin heute Abend nur hier, um Jamie moralisch zu unterstützen, und meine Schultern entspannen sich, als ich ihn hinter der Bar entdecke. Er wollte eigentlich nur als Gastgeber auftreten, aber er hat wohl unterschätzt, wie viel bei der Eröffnung seiner Bar los sein würde.

Als ich mich durch die Menge kämpfe, fällt mir auf, wie sich der Raum verändert hat, seit ich ihn zum letzten Mal gesehen habe. Das war, als Jamie mich zu einem ungenutzten Bahnbogen führte, während er mir die Augen zuhielt, dann mit einem Ta-da! die Hände wegnahm und erklärte, er werde eine Bar eröffnen.

Ich freue mich, dass er meinen Rat befolgt und die Wände restauriert hat, statt sie zu verputzen. Jetzt sind hier und dort in riesigen Buchstaben die Namen verschiedener Cocktails auf das freigelegte Mauerwerk gepinselt.

Hinter den roten lederbezogenen Sitznischen ist gerade genug Platz für eine provisorische Tanzfläche. Der glänzende Tresen dahinter wird von tief hängenden, übergroßen Glühbirnen beleuchtet.

Ich quetsche mich in eine Lücke und versuche, Jamie auf mich aufmerksam zu machen, aber er ist am anderen Ende der Bar und wirft gerade eine Flasche in die Luft. Sie dreht sich, bevor er sie geschickt mit der anderen Hand auffängt und ihren Inhalt schwungvoll in einen Boston Shaker gießt. Das Mädchen, dessen Drink er sozusagen in eine West-End-Performance integriert hat, klatscht begeistert. Er zwinkert. Ich verdrehe die Augen.

Ich trommle ungeduldig mit den Fingern auf die Granitplatte, als ein Barmann mit einer Ladung leerer Gläser auf den Tresen zusteuert. Ich hoffe, dass er sich gleich wieder hinter die Bar stellt, aber er verschwindet in der Menge.

»Hi.« Eine lächelnde Bardame taucht vor mir auf. Endlich. »Was bekommst du?«

»Einen Single-Malt-Scotch, bitte. Mit einem Eiswürfel.« Ich drehe mich um, weil ich mich vergewissern will, dass Danielle noch immer am selben Platz steht. »Und einen Cosmopolitan.«

Obwohl Jamie behauptet hat, nur heiße Models unter dreißig einzustellen, die mit ihm schlafen wollen – und es hat ihm bestimmt nicht an Angeboten dieser speziellen Sorte Bewerberinnen gemangelt –, ist seine neue Bardame etwa eins sechzig groß, hat runde Wangen und geht allem Anschein nach auf die vierzig zu. Ich verspüre eine Welle der Zuneigung für Jamie. Er ist ein Riesenangeber, aber er hat das Herz auf dem rechten Fleck.

Ich werde angerempelt: Ein Typ hat sich neben mich gedrängt und hält einen Zwanziger hoch. Ich merke, wie er kurz zu mir rübersieht, dann noch mal genauer hinschaut und sich so weit zu mir dreht, wie der Platz es erlaubt. Ich werfe ihm einen giftigen Blick zu.

»Entspann dich, Süße«, sagt er und stupst mich an, »ist doch nichts passiert.«

»Es ist sehr wohl was passiert«, antworte ich und sehe ihm direkt in die Augen. »Vorhin erst ist mir ein Fremder zu nahe gekommen, hat mich Süße genannt und mir dann einen unerwünschten Rat erteilt.« Ich nippe an dem Whisky, der mir gerade serviert wurde. »Also hab ich ihn umgebracht.«

Jamie bekommt den letzten Teil des Gesprächs mit, und ich merke, wie er sich bemüht, ein Lachen zu unterdrücken, während er den Typen bedient.

»Du musst echt aufhören, dich so an meine Gäste ranzuschmeißen«, sagt er und schenkt sich einen kleinen Whisky ein, sobald der Kerl weg ist. »Denk mal an deinen Ruf.«

»Sorry, aber es nervt mich einfach, wenn die Leute solchen Scheiß reden. Als müsste jeder mit einem Dauergrinsen rumlaufen.«

»Er wollte einfach mit dir ins Gespräch kommen. Es ist gar nicht so leicht, mit dir zu …«

»Jetzt fang bloß nicht damit an«, warne ich ihn mit zusammengekniffenen Augen. »Reden wir lieber über das Arch 13. Das hier ist der Hammer, Jamie. Endlich hast du eine eigene Bar!«

»Du findest nicht, ich hätte warten sollen, bis der zwölfte oder der vierzehnte Bogen frei wird, um auf der sicheren Seite zu sein?«

»Nee – du nimmst dein Glück schon selbst in die Hand.« Ich sehe mich noch einmal voller Bewunderung um. »Ich bin wahnsinnig stolz auf dich.«

Er lächelt bescheiden, und keiner von uns spricht aus, was wir beide denken. Eigentlich sollten seine Eltern hier stehen und ihm sagen, wie stolz sie sind. Stattdessen reden sie nicht mehr mit ihm. Sie fanden es schon nicht gut, dass er nach der Uni in einer Bar gearbeitet hat, aber sie akzeptierten es in der Annahme, es wäre eine Übergangslösung, bis er endlich den von ihnen finanzierten Chemie-Abschluss nutzen würde, um der nächste Alfred Nobel zu werden. Nun, da ihnen klar geworden ist, dass er lieber der nächste Tom Cruise in Cocktail werden will, sind sie alles andere als begeistert.

Aber die Sache mit der Bar passt perfekt zu Jamie. Unsere Vorliebe für hochwertigen Alkohol war das Erste, was uns in der Uni verband. Als alle anderen sich grellbunte Alcopops für ein Pfund die Flasche und Feuerzeugbenzin-Wodka für sechzig Pence den Shot holten, bestellte ich einen Premium-Scotch, und Jamie weigerte sich, seinen Tanqueray mit Tonic aus einem Plastikbecher zu trinken.

»Die gehen auf mich, Erica«, sagt Jamie der Bardame, als sie Danielles Cocktail bringt. Dann dreht er sich mit einem entschuldigenden Lächeln wieder zu mir. »Ich muss eine Weile bedienen, aber lass uns später reden. Stürz dich ins Getümmel.«

»Jep, wir wissen alle, wie unheimlich gern ich mich ins Getümmel stürze«, antworte ich gedehnt, aber ich nehme die Drinks und folge seiner Aufforderung.

»Besser spät als nie«, ist das Erste, was ich von Danielle zu hören kriege. »Du musst echt an deiner Pünktlichkeit arbeiten, Becs. Das nervt total.«

»Sorry«, sage ich mit einem falschen Lächeln zu meiner besten Freundin, die noch nie in ihrem Leben bei irgendwas rechtzeitig erschienen ist. »Aber mir ist aufgefallen, dass sich die Farbe meiner Zehennägel mit meinem Kleid gebissen hat, und obwohl ich geschlossene Schuhe trage, konnte ich unmöglich rausgehen, bis ich sie nicht neu lackiert hatte.«

»Irgendwann wirst du hoffentlich aufhören, mir das vorzuhalten«, schmollt sie. Dann dreht sie sich zu den Typen um, mit denen sie sich unterhalten hat: »Russ, Tom, das ist Rebecca.«

Sie begrüßen mich, und ich fürchte, wir werden sie nicht mehr los.

Doch es kommt noch schlimmer, als Danielles Handy klingelt und sie uns ein Zeichen gibt, dass sie rausgeht, um den Anrufer besser zu verstehen.

»Shane? Shane?«, schreit sie ins Telefon und entfernt sich.

Ich schaue auch auf mein Handy, und da ich keine neuen Nachrichten habe, checke ich die E-Mails von der Arbeit. Wie nicht anders zu erwarten, sind da keine neuen am Samstagabend um halb zehn. Als ich mein Handy schließlich wieder in die Tasche stecke, sind die beiden Jungs in ein Gespräch vertieft. Ich frage mich, ob Jamie das meint, wenn er sagt, ich sei unnahbar.

Der Barmann, der eben die Gläser eingesammelt hat, erscheint mit einem Tablett, auf dem ein Bier, eine Cola und ein großer rosa Cocktail stehen, der mit gut acht verschiedenen Obstsorten und einem Schirmchen garniert ist. Er reicht Russ das Bier und Tom, dem Schüchternen, die Cola und stellt dann den Cocktail auf das Board neben sie.

»WHOA!« Jemand rempelt mich an. Ich kippe nach hinten und begieße mich mit meinem Drink. Es ist derselbe Typ, der sich schon an der Bar neben mich gedrängt hat.

»Sorry«, sagt er. Seine Mundwinkel gehen nach unten, und er sieht so bedröppelt aus, dass ich fast lachen muss. Nun merke ich auch, dass er hackedicht ist. Er macht eine Handbewegung, um mein nasses Top abzuwischen, also strecke ich ebenfalls die Hand aus, um ihn zu stoppen. »Lass es. Schon okay.«

»Alles in Ordnung?«, fragt der Barmann, der immer noch das Tablett in der Hand hält.

»Unfall«, lallt der Typ und hebt die Hände hoch, bevor er davontorkelt.

»Vollidiot«, murmele ich und wende mich dann an den Barmann. »Danke. Könntest du mir vielleicht ein paar Servietten holen?«

»Klar.«

»Und einen großen Single-Malt-Scotch«, rufe ich ihm nach.

Während ich warte, gehen Russ und Tom mit ihren Getränken an den Billardtisch und lassen mich allein. Wo zur Hölle bleibt Danielle?

»Bitte schön.« Der Barmann stellt meinen Drink ab und reicht mir ein paar Servietten.

»Danke.«

Ich tupfe mich verlegen ab, und er geht nicht weg, dann fällt mir auf, dass ich meinen Scotch nicht bezahlt habe. »Gott, sorry«, sage ich und hole einen Zehner aus meinem Portemonnaie. »Stimmt so.«

Er winkt ab und sieht mich erstaunt an. »Äh, nein, schon okay.«

Jamie muss gewusst haben, dass der Whisky für mich war.

»Okay, danke.« Ich drücke die Servietten wieder auf mein Top.

Er geht immer noch nicht weg, sondern lacht plötzlich und kratzt sich am Kopf. »Glaubst du, dass ich hier arbeite?«

Als der Sinn seiner Worte zu mir durchdringt, spüre ich, wie mir langsam das Blut in die Wangen steigt. »Tust du das nicht?«

»Nope.«

»Aber das Tablett mit den Drinks …«

»… die waren für meine Kumpels. Ich habe gerade eine Runde ausgegeben.«

»Und vorhin hast du Gläser eingesammelt!«

»Die standen überall herum, und da war eine endlose Schlange an der Bar – ich dachte, ich helfe ein bisschen.«

»Aber warum hast du mir einen Drink geholt?«, piepse ich.

Er überlegt einen Augenblick und lächelt dann. »Das weiß ich, ehrlich gesagt, auch nicht.«

Ich lege die Hände auf meine heißen Wangen. »Oh mein Gott, das tut mir so leid. Ich schäme mich.«

»Musst du nicht«, sagt er amüsiert.

Ich zwinge mich, ihm in die Augen zu sehen, und muss dabei den Kopf nach hinten neigen und aufschauen – etwas, das mir nicht oft vergönnt ist. Sie sind dunkelbraun und haben lange Wimpern, und er hält meinen Blick etwa zweieinhalb Sekunden fest. Etwas Eigenartiges passiert. Wie ein Stromschlag – eine chemische Reaktion –, obwohl ich das niemals laut sagen würde, denn dann müsste ich mich ohrfeigen. Ich blinzle, wende den Blick ab und betrachte den Rest seines Gesichts.

Es ist ein hübsches Gesicht. Heutzutage sieht man nicht mehr viele glatt rasierte Männer, fällt mir auf. Es macht ihn irgendwie besonders. Das und der leichte Knick in seiner Nase, der ihm gut steht.

»Ich bin Ben«, sagt er.

»Rebecca«, sage ich und strecke ihm die Hand entgegen, in der ich keine nassen Servietten halte.

Er grinst. »Kräftiger Händedruck.«

»Danke«, antworte ich, obwohl ich nicht weiß, ob das was Gutes oder Schlechtes ist. Bei der Arbeit ist es was Gutes, aber ist es im sexuellen Sinne attraktiv? Himmel, woran denke ich da?

Er nimmt den Cocktail vom Sideboard und trinkt.

Ich schaue auf das Glas. Dann zu ihm. »Ernsthaft?«

»Ich bin mit dem Typen befreundet, dem der Laden gehört.« Er blickt auf seinen Drink und seufzt. »Das hat er mir eingebrockt.«

»Du kennst Jamie? Er ist einer meiner besten Freunde.«

»Und einer von meinen! Wir sind in Manchester zusammen zur Schule gegangen. Dann ist er für die Uni natürlich nach London gezogen, und ich bin dort oben geblieben.«

»Ach, der Ben bist du«, sage ich. »Jamie hat dich schon erwähnt.«

»Woher kennst du ihn?«

Ich erkläre, dass er, Danielle und ich während der Uni zusammengewohnt haben.

»Ah, die Rebecca bist du. Danielle habe ich in Jamies alter Bar schon mal gesehen. Das ist die, die jetzt da bei Jamie steht, oder?«

Ich schaue zu den beiden hinüber und sehe, wie Danielle ihr Handy wieder in ihre Handtasche steckt. Was Shane wohl wollte? Hat er seinen Flug aus Irland verpasst? Kommt er noch später? Oder gar nicht?

»Jep, das ist sie.«

Ich sollte dieses Gespräch wirklich beenden und hinübergehen, denn ich kann heute nicht lang bleiben, und es ist Jamies großer Abend. Aber …

»Und du wohnst jetzt auch in London, oder?«, frage ich Ben, als mir einfällt, was Jamie erzählt hat.

»Ja, seit letztem Jahr. Ich glaube, ich habe eine Veränderung gebraucht. Ich bin nach der Uni viel rumgereist und dachte, wenn ich weg bin, wird mir klar, was ich mit meinem Leben anfangen soll, aber jetzt bin ich schon ein paar Jahre wieder zurück und weiß es immer noch nicht.«

»Was hast du studiert?«

»Geschichte. Also habe ich quasi unbegrenzte Möglichkeiten.«

»Ach ja?«

»Ja. Ich könnte Komiker werden wie Sacha Baron Cohen oder Schriftsteller wie Salman Rushdie. Oder auch Premierminister – Gordon Brown hat Geschichte studiert.«

»Also …«

»Ich arbeite zurzeit in der Personalabteilung des Londoner Verkehrsverbunds.«

»Ach, der Klassiker.« Ich lächle. »Abhauen in die große Stadt, um dann als Personalsachbearbeiter den Lebenstraum zu verwirklichen.«

Sarkasmus fällt mir so leicht wie Danielle das Flirten, aber sobald ich den Satz ausgesprochen habe, bekomme ich Panik. Was, wenn er denkt, ich würde mich über ihn lustig machen?

Zum Glück lacht er richtig darüber, sodass seine geraden, weißen Zähne blitzen, und wenn ich eine bestimmte Art Mädchen wäre, würde ich sagen, dass sein Lachen wie Musik klingt, aber das bin ich nicht, also sage ich es nicht.

»Deshalb arbeite ich auch nur zurzeit dort«, entgegnet er und sieht mir wieder in die Augen. »Ich versuche immer noch herauszufinden, was mein Lebenstraum ist. Ich will was bewirken, weißt du?«

Ein Mädchen drängelt sich auf dem Weg zur Bar zwischen uns durch, und der Bann ist gebrochen.

»Wo bist du rumgereist?«, frage ich. Es gefällt mir, wie er die Hände bewegt, wenn er spricht.

»Durch ganz Asien.«

Ich versuche, ein Lächeln zu verbergen. »Mal ehrlich, Ben … Hast du deine Zeit dort damit verbracht, Thai-Whisky aus einem Eimer zu saufen, in deinem Hostel Trinkspiele zu veranstalten und Leute zu bitten, am Strand Fotos von dir zu machen, während du ganz hoch in die Luft springst?«

»Nicht die ganze Zeit«, sagt er, lacht wieder und sieht dann nachdenklich aus. »Das Beste war, als ich bei buddhistischen Mönchen auf einem japanischen Berg übernachtet habe.«

»Auf dem Koya-san?«

»Ja! Warst du auch schon mal in Japan?«

»Ich habe dort gewohnt.«

»Echt jetzt? Wie kommt das?«

»Wir sind viel rumgekommen durch den Beruf meines Dads.« Wieder drängelt sich jemand zwischen uns, dann merke ich, dass Ben die Lücke wie nebenbei schließt, sodass niemand mehr durchgehen kann. Ich nehme einen schwachen Hauch Zigarettenrauch wahr und frage mich, ob er von ihm kommt. »Und wo wohnst du?«

»Hier in Greenwich, mit den beiden.« Er nickt zum Billardtisch, wo Russ und Tom noch immer spielen. »Und wir arbeiten auch zusammen.«

»Sind sie auch so begeistert vom Personalwesen wie du?«

»Kann man so sagen«, antwortet er lachend. »Tom wollte immer Künstler werden und Russ Superheld, also ist es ganz logisch, dass wir alle dort gelandet sind. Was ist mit dir?« Er sieht mir wieder in die Augen. »Wovon hast du als Kind geträumt?«

»Ich wollte Architektin werden. Mein Dad ist auch Architekt.«

»Schön. Und was hast du studiert?«

»Architektur.«

»Das passt. Und was machst du jetzt?«

»Ich bin Architektin.«

»Siehst du? Du bist genau wie ich. Nicht besonders zielstrebig.«

Wir lachen beide und nippen dann nacheinander an unseren Drinks.

»Und wie war Jamie so in der Schule?«, frage ich.

»Wie jetzt. Beliebt, selbstbewusst. Kam gut bei den Mädchen an. Er war eine Weile mit der Frechen Fiona zusammen, bevor er weggezogen ist.«

»Hat er das mit den Alliterations-Spitznamen schon damals gemacht?«

»Ja. Apropos …« Er sieht sich um. »Hast du eine Ahnung, wer die Tolle Tania ist?«

»Wer? Und warum hab ich weder von ihr noch von dieser Frechen Fiona gehört?«

»Wahrscheinlich spricht er nicht gern darüber. Sie hat die Trennung nicht gut verkraftet.«

Ich sehe, wie er sich wieder in Jamies Richtung dreht. »Glaubst du, da läuft irgendwas?«

Ich schaue ebenfalls hinüber und sehe, dass Danielle Jamies Hüften umschlungen und Jamie einen Arm um Danielles Schultern gelegt hat.

»Nee, die flirten nur beide für ihr Leben gern. Jamie ist wahrscheinlich der einzige Mann hier, der nicht auf Danielle steht.«

Ben wirkt verwirrt. »Ich stehe nicht auf sie.«

Wir sehen einander wieder in die Augen. Die Spannung ist kaum auszuhalten.

»Ben?«

»Ja?«

»Dein Drink tropft auf dein Hemd.«

»Arggghhh. Mist.«

Er biegt den Strohhalm gerade, um das Rinnsal zu stoppen.

»Soll ich dir eine Serviette holen? Das bin ich dir schuldig.«

Er lacht wieder sein nettes Lachen, dann überlegt er kurz und sagt: »Ja, wenn deine Nummer draufsteht?«

Er spricht den Satz als Frage aus, und seine Augen suchen wieder meine, also weiß ich, dass ich antworten müsste, aber ich erstarre. Ich kann nicht so reagieren, wie ich normalerweise auf einen so billigen Spruch reagieren würde, denn meine Standard-Retourkutschen sind darauf ausgerichtet, den Mann in die Flucht zu schlagen, und das will ich nicht.

Was würde Danielle tun?

Sie würde seelenruhig einen Stift aus ihrer Tasche holen, ihre Nummer auf eine Serviette schreiben und dann noch einen roten Kussmund draufdrücken, bevor sie sie überreicht und davonschwebt.

Ich lache innerlich. Das kriege ich auf keinen Fall hin.

Das Schweigen dehnt sich.

»Du hast nichts mehr zu trinken«, bemerkt Ben und nickt zu meinem leeren Glas, als wäre das Letzte, was er gesagt hat, doch keine Frage gewesen. Er macht es mir leichter, nicht zu antworten, und ich hasse mich. »Kann ich dir noch was holen?«

Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie Danielle im Mantel Richtung Tür läuft. Warum geht sie? »Sorry«, sage ich zu Ben. »Ich muss nur mal kurz nach Danielle schauen. Ich bin in zwei Minuten wieder da.«

Ich laufe zum Ausgang und treffe unterwegs auf Jamie.

»Hey«, sagt er. »Ich wusste gar nicht, dass du noch da bist. Ich hatte bisher kaum Zeit, mit dir zu reden. Wie läuft’s bei der Arbeit? Bist du schon bereit für Montag?«

»Fast«, antworte ich und stöhne innerlich beim Gedanken daran, wie viel ich morgen noch erledigen muss. »Wo ist Danielle hin?«

»Shane hat vorhin angerufen und gesagt, dass er noch später kommt. Er hat sie gebeten, ihn draußen zu treffen, wenn er da ist. Klang nicht so, als wäre er in Feierlaune.«

Ich seufze. Danielle würde normalerweise unter keinen Umständen von der Party eines Freundes weggehen, aber Shane ist ihre Schwäche. Wenn sie Superwoman ist, ist er ihr Kryptonit.

Jamie redet weiter, aber ich höre nur halb zu. Ich stelle mich so hin, dass ich den Raum überblicken und nach Ben Ausschau halten kann, ohne dass Jamie es merkt. Schließlich entdecke ich ihn neben einer Sitznische, wo er sich mit seinen Freunden unterhält.

»Na ja«, sagt Jamie. »Ich muss wieder hinter den Tresen, Erica macht Pause. Bleibst du noch?«

»Ähm.« Ich schaue wieder zu Ben. Er ist ins Gespräch vertieft – ich kann unmöglich hingehen und ihn unterbrechen. »Ich sollte wirklich los.«

»Wo schaust du denn andauernd hin?«, fragt Jamie und dreht den Kopf. »Aha. Das ist Ben«, sagt er und senkt die Stimme. »Mir ist schon aufgefallen, dass er immer wieder zu dir rüberschaut.«

»Echt?« Ich versuche vergeblich, nicht begeistert zu klingen. Jamie wirkt perplex.

»Du stehst auf ihn!«, sagt er ungläubig.

»Warum? Was stimmt nicht mit ihm?«

»Nichts, er ist toll. Ich meine dich – du bist nie scharf auf jemanden.«

»Ich bin nicht scharf auf ihn, du Idiot.«

Ich will ihm einen Klaps auf die Brust geben, aber er wehrt meinen Arm ab und lacht.

Ich blicke ein letztes Mal zu Ben. Er flüstert Russ etwas zu. Ich kann da wirklich unmöglich dazwischenplatzen. Und jetzt, nachdem Jamie das Ganze mitgekriegt hat, ist es mir erst recht peinlich.

»Ich bin weg«, sage ich und verstecke meine Enttäuschung hinter einem unbeschwerten Lachen. »Bis bald.«

»Kommst du gut nach Hause? Soll ich dir ein Taxi rufen?«

»Ach Quatsch, ich wohne gleich um die Ecke.«

»Okay«, sagt er, da er weiß, dass Widerspruch zwecklos ist. »Schreib mir, wenn du zu Hause bist. Und viel Glück am Montag.«

Das war’s also, denke ich, während ich auf dem Absatz kehrtmache und zum Ausgang gehe. Wer weiß, vielleicht treffe ich Ben ja irgendwann noch mal. Schließlich ist er mit Jamie befreundet. Obwohl er jetzt schon ein Jahr in London wohnt und ich ihn heute zum ersten Mal gesehen habe. Und wenn ich ihn das nächste Mal sehe, hat er vielleicht eine Freundin im Schlepptau. Jemand wie er bleibt nicht lange Single.

Ich gehe gerade am Billardtisch vorbei, als ich mich in einem Moment des Wahnsinns, den ich nur darauf schieben kann, dass ich auf leeren Magen Whisky getrunken habe, dazu entschließe, noch mal umzudrehen, an die Bar zu marschieren und mir eine der roten Servietten zu schnappen.

»Erica, kannst du mir vielleicht einen Stift geben? Danke.«

Ich kritzle meine Nummer auf die Serviette und frage mich, ob Ben mich dabei beobachtet, aber ich traue mich nicht, zu ihm zu schauen, denn ich weiß, falls er es tut, ziehe ich das hier nicht durch. Normalerweise mache ich so was nicht, aber ich fürchte, das hier wird meine einzige Chance sein, ihm zu zeigen, dass … ich es auch gespürt habe.

»Gib das Ben«, sage ich, als ich wieder bei Jamie bin, der die Serviette grinsend entgegennimmt. »Und halt die Klappe!«

»Ich hab kein Wort gesagt.« Er hebt lachend die Hände hoch, nachdem er die Serviette in seine Hemdtasche gesteckt hat.

»Gut, denn wenn das hier in die Hose geht und er nicht anruft, will ich, dass du ihm die Freundschaft kündigst, damit ich nicht Gefahr laufe, ihn jemals wiederzusehen.«

Doch als ich zur Tür hinausgehe und mir die Jacke anziehe, habe ich das Gefühl, dass es nicht in die Hose gehen wird.

Es fühlt sich an wie der Anfang von etwas.

ELF MONATE SPÄTER

BEN

Dienstag, 23. September

»Ich bin so stolz auf dich«, sage ich, während Rebecca Messer und Gabeln auf dem Esstisch verteilt.

»Ich kann es immer noch nicht fassen«, antwortet sie. »Ich darf mein erstes Gebäude entwerfen.«

Ihre Firma ist für den Wiederaufbau eines Kinos in Hackney zuständig, was nicht zuletzt Rebeccas Präsentation vor elf Monaten zu verdanken ist. Gestern hat sie erfahren, dass sie die Projektleitung übernehmen soll. Jetzt bin ich also hier, bei ihr und Danielle, um zur Feier des Tages für sie zu kochen.

»Daran hab ich nie gezweifelt«, sage ich.

Wie hätten sie ihr auch nicht die Leitung übertragen können? Als wir uns kennenlernten, war das eines der Dinge, die ich am attraktivsten an ihr fand – ihre Begeisterung für ihre Arbeit.

Irgendwie habe ich gehofft, es würde auf mich abfärben.

Ich hoffe immer noch, es wird auf mich abfärben.

Es klingelt, aber Danielle ist unter der Dusche, und Rebecca deckt noch den Tisch, also mache ich mich auf den Weg zur Tür und drücke Rebecca unterwegs einen Kuss auf die Schläfe. Ich schaue zurück und sehe, dass sie lächelt.

»Alles klar, Nicholls?«, begrüßt mich Jamie, nachdem er schließlich im zweiten Stock angekommen ist.

»Alles klar, Hawley«, antworte ich und trete beiseite, um ihn hereinzulassen.

Jamies Blick geht sofort in Richtung Bad.

»Gott, was ist das für ein Lärm?«

Wir drei halten inne und hören zu, wie Danielle bei einem Black-Eyed-Peas-Song eine nicht vorgesehene und sehr spezielle Tonartänderung einbaut. Rebecca und Jamie tauschen einen vielsagenden Blick.

»Weißt du noch, in der Uni, als wir in dieser Karaokebar gelandet sind?«, fragt Rebecca und schüttelt sich schon beim Gedanken daran.

»Du meinst die 2-Unlimited-Katastrophe?« Jamie stellt seine Geschenktüte ab und wendet sich an mich. »Sie dachte, die Leute würden mitsingen, dabei haben sie nur no, no, no, no geschrien.«

Danielle tapst im Bademantel und mit einem weißen Handtuchturban auf dem Kopf aus dem Bad.

»Rebecca hat gerade gesagt, wie sehr sie es vermissen wird, dich singen zu hören, wenn du ausziehst«, ruft Jamie ihr zu.

Danielles Cousine hat eine Wohnung in Blackheath gekauft und ihr ein kostenloses Zimmer angeboten. Worüber ich insgeheim froh bin.

»Sie wird drüber hinwegkommen«, sagt Danielle. »So wie ich drüber hinweggekommen bin, dass ich nicht mehr deine Gesichtsmasken klauen konnte, als ich nach der Uni nicht mehr mit dir zusammengewohnt habe.«

Sie verschwindet grinsend in ihrem Zimmer, während Jamie nun meine Einkaufstaschen inspiziert.

»Was gibt’s zu essen?«, fragt er.

»Kambodschanisches Rinder-Curry.«

Ich habe das Rezept von einem Hostelbesitzer in Phnom Penh gelernt.

Jamie nickt. »Cool. Kann ich helfen?«

Ich hole die roten Zwiebeln aus dem Beutel, schiebe einen Korb mit nasser Wäsche aus dem Weg, um Platz zu machen, und reiche ihm dann eins der Messer aus dem Set, das ich auf dem Weg hierher gekauft habe.

»Auf der Packung steht, mit dem Ding kann man Schuhsohlen schneiden«, sage ich.

»Dann wäre ja eines meiner größten Probleme gelöst.« Er lacht. »Aber ich dachte, du bist blank?«

»Dispo.«

Rebecca verzieht das Gesicht, aber ich glaube, sie kann sich denken, weshalb ich plötzlich Sachen für die Wohnung kaufe. Wir haben noch nicht darüber gesprochen, aber nun, da Danielle auszieht, ist es nur logisch, dass ich einziehe. Darum habe ich mich gefreut, als ich erfahren habe, dass sie geht. Ich meine, ich wohne gern mit Russ und Tom zusammen, aber in ein paar Wochen werde ich achtundzwanzig, und ich habe keine Lust mehr, mich andauernd zu fragen, wer meinen Käse geklaut hat.

Mir gefällt die Vorstellung, jeden Abend für Rebecca zu kochen und ihr immer das beste Stück zu geben, und das kann ich nicht mit dem einzigen, stumpfen Küchenmesser, mit dem Danielle und sie sich jahrelang begnügt haben.

»Verfluchte Zwiebeln«, sagt Jamie und wischt sich mit dem Arm über die Augen.

»Komisch«, bemerkt Rebecca, »Zwiebeln schneiden hat mir nie was ausgemacht.«

»Wer hätte das gedacht«, sage ich.

Sie sieht mich verwundert an. »Wie meinst du das?«

Im Ernst? Ich drehe mich hilfesuchend zu Jamie.

»Ganz ehrlich, Becs«, erklärt er, »du bist das einzige Mädchen, das ich kenne, das am Ende von Titanic nicht geheult hat.« Er grinst. »Übrigens ist Ben der einzige Kerl, den ich kenne, der geheult hat, also …«

»Könntest du bitte damit aufhören, jedem zu erzählen, dass ich am Ende von Titanic geheult habe?«

Jamie und Rebecca finden das offensichtlich witzig.

»Halt beim Zwiebelschneiden die Luft an«, sage ich und ignoriere die beiden. »Dann musst du nicht weinen.«

Er wirkt skeptisch, folgt aber meinem Rat, und eine Minute später sind die Zwiebeln geschnitten, ohne dass Jamie eine weitere Träne vergossen hat.

»Vielleicht hättest du den Trick mal im Kino probieren sollen?«, fragt er.

Jamie geht zu Rebecca an den Esstisch, und ich hacke vor dem Küchenfenster die Zutaten für die Marinade. Ich sehe Natasha und Angus am Zaun des Vorgartens entlangspazieren.

»Tash sieht aus, als würde sie gleich platzen«, sage ich.

»Wer ist Tash?«

»Natasha und Angus, deine Nachbarn von unten«, erkläre ich, aber Rebecca blickt mich immer noch fragend an. »Hast du noch nie mit ihnen gesprochen?«

»Worüber soll ich denn mit ihnen sprechen?«

»Das Wetter? Die Tatsache, dass sie ein Baby bekommt? Die europäischen Fischfangquoten? Es ist schon seltsam, dass du nie …«

»Ja, aber du fängst in der Bahn mit wildfremden Leuten Gespräche an – das ist seltsam.«

Sie ist immer noch nicht drüber hinweg, dass ich das bei unserem ersten Date gemacht habe. Wir waren wegen der Aussicht und des Champagners im Vertigo 42 in der City, und während Rebecca im Zug zurück nach Greenwich ihre Arbeits-E-Mails checkte, fing ich an, mich mit einem Typen in einem Man-City-Trikot mit Kinkladse-Schriftzug auf dem Rücken zu unterhalten. Seither behauptet sie, dadurch hätte ich alle Punkte wieder verspielt, die ich vorher damit gewonnen hatte, dass ich mich wie ein Gentleman verhalten und mich nicht an sie rangeschmissen hatte.

»Nur Danielle schafft es, bei einem Abendessen bei ihr zu Hause zu spät zu kommen«, sagt Jamie mit einem Blick zu ihrer Zimmertür.

Rebecca schnappt sich eine der Servietten, aus denen sie Schwäne gefaltet hat. »Warum die Eile?«, fragt der Schwan.

Bei unserem zweiten Date zeigte sie mir ihr Talent für Origami. Wir waren Tapas essen gegangen, und bevor das Essen kam, faltete sie eine Rose aus ihrer Serviette und überreichte sie mir grinsend. Ich erzählte ihr, dass ich überlegt hatte, zum Date Blumen mitzubringen, und sie lachte nervös und sagte, sie sei froh, dass ich es nicht getan hätte.

Als Danielle endlich erscheint, ist sie etliche Zentimeter größer und trägt das weiße Handtuch zusammengeknüllt in der Hand.

»High Heels zum Abendessen in deiner eigenen Wohnung?«, fragt Jamie.

Danielle wirft das Handtuch nach ihm.

»Mit so hübschen Schuhen wäre ich lieber vorsichtig in Gegenwart von Ben und seinem neuen Spielzeug«, fügt er hinzu.

Danielle wirkt verwirrt, aber niemand versucht, sie aufzuklären.

»Du siehst toll aus«, sagt Rebecca stattdessen.

»Na ja, wenn ich mir keine Mühe gebe, wenn wir das erste große Projekt meiner besten Freundin feiern, wann dann?« Sie und Rebecca lächeln einander an. »Aber, um ehrlich zu sein«, fügt sie zu Jamie und mir gewandt hinzu, »trage ich die Absätze eigentlich nur, weil ich mir neben ihr wie eine pummelige kleine Zwergin vorkomme.« Sie deutet auf Rebecca und stöckelt dann zurück in ihr Zimmer. »Sekunde!«

Als Danielle wieder auftaucht, hält sie etwas in der rechten Hand. »Ich hab dir was gebastelt«, sagt sie und reicht es Rebecca.

»Das ist genial!«, ruft Rebecca.

Es sieht aus wie eine zusammengeschrumpelte Chipstüte mit einem Loch, sodass man sie als Schlüsselanhänger benutzen kann. Rebecca bemerkt, dass ich nicht ganz nachvollziehen kann, warum das genial sein soll.

»Danielle hat mal gesagt, das Einzige, was sie an mir nervt, sind die leeren Frazzles-Packungen im ganzen Haus.«

»Aber wenn man sie für fünf Sekunden in die Mikrowelle legt, schrumpfen sie und werden hart«, fügt Danielle hinzu.

Na schön.

»Ich hab auch was für dich«, sagt Jamie und greift nach seiner Geschenktüte.

Rebecca zieht eine eingepackte Flasche heraus, und ihre Augen, die übrigens eindeutig grün sind, werden größer. Sie trägt ein dunkelblaues Kleid, von dem sie weiß, dass es mich immer daran erinnert, wie ich zum ersten Mal mit zu ihr gekommen bin und es ihr vom Leib gerissen habe. Nicht wie der unglaubliche Hulk. Ich habe es eher ganz schnell aufgeknöpft und dann achtlos auf den Boden geworfen, wo sie auch alle ihre anderen Kleidungsstücke aufzubewahren schien.

Rebecca zerreißt das Papier und fängt für einen Sekundenbruchteil meinen Blick auf, um mir mitzuteilen, dass sie die Aufmerksamkeit hasst, doch als sie sieht, was es ist …

»Jamie!« Sie schnappt nach Luft. »So ein Whisky kostet um die dreihundert Pfund.«

»Nicht im Großhandel.«

Danielle zieht eine Schnute. »Okay, Jamie – damit hast du mich geschlagen.«

»War nicht schwer«, erwidert er und legt Danielle einen Arm um die Schultern. »Du hast ihr buchstäblich Müll geschenkt.«

Nachdem die Zutaten gehackt sind, gebe ich nach Gefühl Soja- und Austernsoße hinzu. Die Steaks müssen jetzt etwa zwanzig Minuten in der Marinade liegen. Ich hoffe, es wird schmecken.

»Das Sofa ist mir völlig egal«, sagt Rebecca, als ich wieder zuhöre. »Aber diesen Esstisch werde ich echt vermissen.«

Ich geselle mich zu den anderen.

»Ja, ich habe auch schöne Erinnerungen an diesen Tisch«, sage ich und werfe Rebecca einen Blick zu, um zu sehen, ob sie mitspielt.

»Er ist einfach so vielseitig einsetzbar«, ergänzt sie, und die beiden anderen sehen verwundert aus. Sie kriegen nicht mit, wie ich unter dem Tisch mit der Fußspitze an Rebeccas Schienbein entlangstreiche. Ihre Mundwinkel gehen langsam nach oben. »Ich meine, ich kann alle meine Entwürfe für die Arbeit darauf ausbreiten«, sagt sie, »und darauf essen und …«

»Oh ja, so vielseitig einsetzbar«, stimme ich ein. »Er ist perfekt, um mit Freunden daran zu essen und die Sonntagszeitung zu lesen und …«

Wilden Sex zu haben, während die Sonntagszeitung durch den Raum fliegt. Es war vor ein paar Wochenenden, als Danielle ihren Dad und ihre Stiefmutter besuchte. Rebecca ging es nach einer Magen-Darm-Grippe endlich besser, und als ich aufstand, um uns Schinken-Käse-Toast zu machen, ist sie mir hierher gefolgt, hat mich von hinten umarmt, und, na ja, wir haben es nicht mehr bis zurück in ihr Zimmer geschafft.

»Okay, wir haben’s kapiert«, sagt Jamie und hebt die Hände, um uns zu stoppen. »Gott, man könnte ja meinen, ihr hättet darauf Sex gehabt.«

Danielle lacht, bis sie merkt, dass weder Rebecca noch ich etwas sagen, sondern beide durch den Raum schauen, als hätten wir Jamie nicht mal gehört.

»Ihh!«, kreischt sie, und ich fliehe in die Küche, um das Rindfleisch zu braten.

»Also, Nicholls«, sagt Jamie und legt Messer und Gabel auf seinen leeren Teller, »das war das beste kambodschanische Rinder-Curry, das ich seit Langem gegessen habe.«

Ich lache.

»Ganz im Ernst, Becs«, meint Danielle, »den solltest du dir nicht mehr durch die Lappen gehen lassen.«

»Es ist ziemlich schwer, ihn loszuwerden«, erwidert Rebecca, bevor sie mir ein verstohlenes Lächeln zuwirft.

Ich muss mich zurückhalten, um sie nicht hier und jetzt zu fragen: Wollen wir zusammenziehen? Aber an jenem Abend im Arch 13 habe ich gelernt, dass Rebecca es nicht mag, wenn sie sich bedrängt fühlt. Manchmal muss man einfach Geduld haben. Und ich habe mit der Frage, ob sie mit mir zusammenziehen will, auch so lange gewartet, damit sie weiß, dass ich es ernst meine.

Ich werde sie am Freitag fragen, wenn ich endlich ihren Dad kennengelernt habe. Auch in diesem Punkt musste ich geduldig sein, da Rebecca in den letzten Monaten rund um die Uhr daran gearbeitet hat, das Kinoprojekt an Land zu ziehen.

Ich mache mir eigentlich keine Sorgen, dass sich zwischen uns etwas ändert, wenn wir zusammenwohnen. Wir haben es geschafft, über ihren Geburtstag gemeinsam eine Woche in Rom zu verbringen, ohne uns gegenseitig zu zerfleischen, und ein Urlaub ist doch der erste Beziehungstest, oder? Wenn man den bestanden hat, kann man wahrscheinlich auch zusammenwohnen; und wenn man den Gemeinsame-Wohnung-Test bestanden hat, ist der nächste Schritt die Hochzeit; und dann besorgt man sich einen Hund, um zu sehen, ob man das Zeug zum Vater beziehungsweise zur Mutter hat.

Vielleicht bin ich ein bisschen voreilig.

»Wie geht’s Markus?«, fragt Rebecca Danielle.

Zu Markus’ Pech scheint Danielle nur eine einzige Sache zu testen: Bist du Shane? Er hat an dem Abend mit ihr Schluss gemacht, als Rebecca und ich uns kennenlernten, aber sie ist immer noch nicht über ihn hinweg.

»Warum denken immer alle Typen, dass ich eine Beziehung will?«, fragt sie.

»Du schläfst mit ihnen«, sagt Rebecca. »Ist doch klar, dass sie das verwirrt.«

»Dabei reiben einfach zwei Leute ein paar Körperteile aneinander«, jammert Danielle. »Warum kann Jamie unverbindlichen Sex haben, und jeder versteht es, aber bei mir glauben die Männer, dass ich mit ihnen zusammen sein will?«

Danielle wirft ihren verknüllten Schwan auf ihren leeren Teller und hilft mir, das Geschirr abzuräumen. Während ich die Spüle volllaufen lasse, schaut sie zum x-ten Mal auf ihr Handy.

»Und wie geht’s Shane?«, fragt Rebecca beiläufig.

Danielle dreht sich um und hält das Handy an ihre Brust. Sie wird rot. »Nein, ich hab nicht … Wir haben nicht …«

»Den Blick kenne ich!«

Danielle knallt ihr Handy demonstrativ auf das Sideboard. Wir arbeiten ein, zwei Minuten wortlos vor uns hin, während Jamie den Tisch abwischt und Rebecca die Gewürze wegräumt. Wir sind ein eingespieltes Team.

»Wann hat er sich wieder gemeldet?«, fragt Rebecca.

Danielle trocknet immer noch denselben Teller, seit Rebecca sie ertappt hat. Die Töpfe stapeln sich bereits.

»Vor ein paar Tagen«, antwortet sie schuldbewusst.

Rebecca sagt nichts.

»Wir haben uns den ganzen Tag geschrieben, und dann hat er plötzlich ohne Vorwarnung aufgehört zu antworten.« Danielle greift nach ihrem Handy. »Ich glaube, meine letzte Nachricht ist vielleicht nicht angekommen.«

»Stopp, stopp, stopp.« Jamie unterbricht seine Tätigkeit. »Du schreibst ihm aber jetzt nicht noch mal, oder?«

»Wie soll ich sonst erfahren, ob er meine Nachricht gekriegt hat?«

»Was glaubst du denn, was damit passiert ist?«, fragt Rebecca. »Dass sie von Aliens entführt worden oder übers Bermudadreieck geflogen ist?«

Ich trete zur Seite, sodass Jamie das antibakterielle Spray wieder unter die Spüle stellen kann.

»Die Regeln sind ganz klar«, sagt er. »Man darf nur dann zweimal hintereinander schreiben, wenn man offiziell zusammen ist.«

»Oder wenn man sich streitet«, sage ich und lächle dann Rebecca zu. »Wobei ich natürlich nicht aus Erfahrung spreche.«

»Wobei ich natürlich nicht aus Erfahrung spreche«, imitiert mich Rebecca und lacht dann, als ich sie mit dem Geschirrtuch an den Beinen treffe.

Danielle stellt ihren Teller mit einem Klappern in den Schrank. »Ich kenne die Regeln«, sagt sie. »Aber Shane ist kompliziert. Er antwortet niemandem beim ersten Mal, er ist sehr beschäftigt. Und außerdem vergesslich. Er lässt sein Handy andauernd irgendwo liegen.«

Wir drei sehen sie vorwurfsvoll an, bis sie nachgibt. »Okay, okay – ich warte, bis er mir schreibt. Gott!«

Nachdem alles aufgeräumt ist, stellt sich Rebecca zu mir ans Fenster und umarmt mich von hinten. Sie schmiegt das Kinn an meine Schulter, sodass ihr dunkelbraunes Haar vorn auf mein Hemd fällt. Wir blicken zum Mond, der fast ganz rund ist.

»Das Essen war toll«, flüstert sie. »Ich bedanke mich noch mal richtig, wenn wir allein sind.«

»Also, Leute«, sage ich, drehe mich um und klatsche in die Hände, »Zeit, auszutrinken und nach Hause zu gehen.«

Rebecca grinst.

»Ich bin hier zu Hause«, sagt Danielle.

»Nicht mehr lange«, entgegne ich.

Danielle sieht geknickt aus.

»Er macht Witze«, sagt Rebecca lachend.

Sie setzt sich zu Danielle auf die Couch, aber ich bleibe an meinem Platz und denke über das nach, was in den letzten elf Monaten passiert ist.

»Weißt du noch, wie du ein Teleskop gekauft hast, weil du Astronom werden wolltest?«, fragt Jamie, als er meinem Blick zum Mond folgt. »Wie läuft’s damit?«

Ich ignoriere ihn. »Ich hab gerade darüber nachgedacht, wie schnell das letzte Jahr vergangen ist.«

»Bald ist euer Jahrestag«, sagt Jamie.

»Wow, ein Jahr!«, ruft Danielle. »Wann war euer erstes Date?«

Rebecca fragt Jamie nach dem Datum der Eröffnung seiner Bar.

»Sechsundzwanzigster Oktober«, sagt er, bevor ich darauf hinweisen kann, dass das eigentlich ein paar Wochen vor unserem ersten richtigen Date war.

Dann wechselt Danielle das Thema, indem sie laut stöhnend auf ihr Handy schaut.

»Lösch doch einfach seine Nummer!«, bettelt Rebecca.

Jamie lacht darüber, wie Rebecca und Danielle hin und her diskutieren, und ich versuche mich zu erinnern, ob ich ihm je richtig dafür gedankt habe, dass er uns zusammengebracht hat. Damals hatte er ja tausend andere Dinge im Kopf durch die Eröffnung des Arch 13 und den Streit mit seinen Eltern. Sie haben die Bar immer noch nicht besucht.

»Ich bin dir noch was schuldig«, sage ich ihm jetzt. »Für die Serviette.«

Er lächelt. »Ich hoffe nur, am Freitag geht nicht alles in die Brüche.«

»Wie meinst du das?«

»Ach, du weißt schon, weil Rebecca ihrem Vater so nahesteht und so. Sie hat mal mit einem Kerl Schluss gemacht, weil ihr Dad ihn nicht mochte.«

»Na vielen Dank.«

Er grinst. »Ich wollte dich nur warnen.«

»Lass ihn in Ruhe!«, unterbricht Rebecca. »Obwohl er recht hat«, sagt sie zu mir. »Ich habe tatsächlich mit Nick McDermott Schluss gemacht, weil Dad nicht so begeistert von ihm war.«

Ich verschränke die Arme und werde plötzlich ziemlich nervös wegen der ganzen Sache.

»Ach ja, da fällt mir ein«, sagt Rebecca, »ich muss am Freitagmorgen zur Arbeit, bevor wir den Zug nach Kent nehmen.«

»Ich dachte, du hättest den Tag frei?«

»Hatte ich auch, aber Jake will mich dem Statiker vorstellen, mit dem ich beim Kino zusammenarbeite.«

»Apropos …« sagt Jamie. »Wir wollten doch feiern!« Er greift nach dem dreißig Jahre alten Glenfiddich, den er ihr gekauft hat. »Lasst uns anstoßen.«

»Nicht damit«, ruft Rebecca und eilt hinüber, um ihn ihm aus der Hand zu nehmen. »Der ist zu schade.« Sie sieht mich an. »Ben, lass uns den Prosecco aufmachen, den deine Mum uns geschenkt hat.«

»Das Leben ist zu kurz, um an gutem Whisky zu sparen«, protestiert Jamie, aber ich hole schon den Sekt aus dem Kühlschrank.

Der Korken erweist sich als hartnäckig, löst sich schließlich mit einem Knall, und alle drei halten ihre Gläser unter die Flasche, um den Schaum aufzufangen.

»Auf Rebecca!«, ruft Danielle.

»Auf meine wundervolle Freundin!«, sage ich und zwinkere ihr zu.

»Auf die Freundschaft«, fügt Rebecca hinzu.

Wir stoßen alle an, und Jamie hat das letzte Wort.

»Auf das Leben!«

REBECCA

Freitag, 26. September

Mit der Londoner Skyline vor mir über die Blackfriars Bridge zu fahren, ist einer der Höhepunkte meines Tages.

Ich liebe die barocke Kuppel von St. Paul’s – die Kathedrale, die noch bis in die Sechzigerjahre das höchste Gebäude in London war –, und ich liebe den siebenundachtzig Stockwerke hohen Shard an der London Bridge. Ich liebe die funkelnden Fenster der Gherkin, die, wie der Name schon sagt, einer Gurke ähnelt.

Ich liebe den Wind auf den Wangen und dass ich mich nicht an Fahrpläne und festgelegte Strecken halten muss – ich kann losfahren, wann ich will, und jeden noch so schmalen Durchgang nehmen. Und ich liebe die Tatsache, dass ich vierzig Minuten an nichts denken muss. Ich konzentriere mich auf die Straße vor mir und den Verkehr um mich herum und schätze Zeit und Distanz ab, während ich mich zwischen Autos, Bussen und Fußgängern hindurchschlängele.

Und wenn ich ganz ehrlich bin, liebe ich es vor allem, dass ich nicht U-Bahn fahren muss, denn um 8 Uhr morgens ist die Versuchung, sämtliche Lahmärsche einfach aus dem Weg zu schubsen, schlicht überwältigend.

Wie ich heute feststelle. Ich musste mein Fahrrad zu Hause lassen, weil ich heute Mittag zusammen mit Ben direkt den Zug zu Dad nehme.

»Guten Morgen!« Eine mir unbekannte Blondine begrüßt mich mit schottischem Akzent, als ich mit einer mächtigen Pendlerwut im Bauch bei Goode Architecture Associates ankomme. »Ich bin Jemma.«

Mist, ich hatte vergessen, dass die Neue an der Rezeption heute ihren ersten Tag hat. Ihre Vorgängerin Mandy hatte nicht gerade viele Fans in der Firma, aber ich mochte sie. Sie war vielleicht kein besonders positiver Mensch und auch nicht unbedingt sehr herzlich, aber sie war organisiert und effizient, und das hat mir gereicht.

Das runde, hübsche Gesicht der Neuen ist offen und freundlich. Doppelter Mist.

»Morgen«, antworte ich und hoffe, sie nimmt es mir nicht übel, dass ich nicht stehen bleibe und mich mit ihr unterhalte.

Am oberen Ende der Treppe angekommen, halte ich den Kopf gesenkt und gehe ein bisschen schneller, um niemandem die Möglichkeit zu geben, mich in ein Gespräch zu verwickeln – ich will mich vor meinem Meeting noch mal sammeln. Aber gerade, als ich mich hinsetzen will, schwingt die Tür des Chefs auf, und ich höre, wie mein Name gerufen wird. Ich schließe die Augen, hole tief Luft und versuche, mein Ich von gestern heraufzubeschwören. Das Ich, das noch nicht nachgerechnet hat. Das Ich, das ganz auf den bevorstehenden Auftrag konzentriert war, nicht abgelenkt durch den Gedanken, dass Ben und ich versehentlich ein Menschlein gezeugt haben könnten.

»Perfektes Timing, Rebecca«, sagt Jake. »Das ist Adam Larsson von Bensons. Ihr werdet zusammen am Kino arbeiten.«

Aha, der berühmt-berüchtigte Adam Larsson. Ich habe ihn noch nie persönlich getroffen, aber ich kenne Eddies Geschichten von ihren ausschweifenden Partys, die unweigerlich damit enden, dass Adam jemanden mit nach Hause nimmt. Er sieht gut aus, aber seinem selbstgefälligen Lächeln nach zu urteilen weiß er das auch ganz genau.

»Und das«, sagt Jake mit ein bisschen Stolz zu Adam, wie ich gerührt bemerke, »ist Rebecca Giamboni, die leitende Architektin des Projekts.«

»Äh, hi«, begrüßt mich Adam mit zögerndem Lächeln. Sein Blick huscht von mir zu Jake. »Ich dachte, ich würde mit Eddie zusammenarbeiten.« Dann fängt er sich wieder und streckt mir eine Hand entgegen. »Freut mich, Rebecca.«

»Gleichfalls«, antworte ich und schüttle ihm fest die Hand, obwohl sich mir die Nackenhaare aufgestellt haben bei seiner offensichtlichen Verstimmung darüber, dass ich mich in seinen Jungsclub dränge. Dabei hatte ich aus Eddies Erzählungen immer den Eindruck, der Typ wäre locker.

»Rebecca ist eins unserer großen Nachwuchstalente«, fügt Jake hinzu.

»Ich freue mich auf unsere Zusammenarbeit«, sagt Adam grinsend zu mir.

»Ich mich auch«, lüge ich und freue mich darauf, ihm das Grinsen auszutreiben.

Aber nicht, indem ich ihn fertigmache oder so – sondern indem ich ein einfach verdammt großartiges Kino entwerfe.

Ich habe keine Ahnung, was Adam von meinen ersten Ideen hält, da er auf alles, was ich in unserem Meeting sage, mit einem unverbindlichen Nicken antwortet. Also tue ich das auch, als er an der Reihe ist, obwohl seine Ideen ziemlich gut sind. Doch Jakes Begeisterung macht das wieder wett, und als wir die Besprechung beenden, kann ich es kaum erwarten, an die Arbeit zu gehen.

Wenn ich schwanger bin, ist das wirklich das schlechteste Timing in der Menschheitsgeschichte, denke ich, als ich schließlich an meinem Schreibtisch auf den Stuhl sinke. Ich wäre so wütend auf mich.

Dabei ist es nicht so, dass Ben und ich nicht aufpassen. Ich würde so was nie dem Zufall überlassen. Ich nehme die Pille, und deshalb habe ich mir auch keine großen Sorgen gemacht, als meine Periode nicht kam. Aber als ich heute Morgen am Küchentisch meine Cornflakes aß, fiel mir plötzlich wieder ein, was wir genau dort getan hatten, wo meine Crunchy-Nut-Schüssel stand. Dabei musste ich lächeln und wurde gleichzeitig rot, und dann erinnerte ich mich, dass ich davor ein paar Tage krank gewesen war und alles, was ich gegessen hatte, wieder hochgekommen war. Einschließlich meiner Pille?

Als mein Schreibtischtelefon klingelt, schrecke ich auf. Gott, denke ich blinzelnd: Ich sollte am wichtigsten Projekt meines Lebens arbeiten – Jake hat angedeutet, dass ich befördert werden könnte, wenn es gut läuft –, aber wenn ich mich jetzt nicht langsam mal konzentriere, kann ich froh sein, wenn ich überhaupt meinen aktuellen Job behalten darf.

»Zucker?«, höre ich die Neue von der Rezeption fragen, als ich den Hörer abnehme.

»Wie bitte?«

»Ich hab dir einen Tee gemacht«, erklärt sie. »Ich wollte nur wissen, wie du ihn trinkst.«

»Oh, ähm … Mit Milch und ohne Zucker, bitte.«

Oder noch besser mit einem Löffel Kaffee und ohne Teebeutel.

»Kommt sofort.« Sie legt auf.

Komisch.