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Ihren Geburtstag hatte sich die junge Frau anders vorgestellt. Sie wollte feiern, nicht arbeiten. Sie ist Kellnerin in einem beliebten und angesehenen Hotelrestaurant in Tokio. Der Arbeitsabend verspricht nicht anders zu verlaufen wie viele davor – bis sie einen besonderen Auftrag erhält: Punkt acht Uhr soll sie das Abendessen auf Zimmer 604 bringen. Hier lebt der Besitzer des Hotels, den sie noch nie zu Gesicht bekommen hat. Ein gepflegter alter Herr öffnet ihr die Tür und bittet sie nicht nur herein, sondern auch, mit ihm ein Glas Wein zu trinken. Unsicher tritt sie ein. Mit einer gezielten Frage findet er heraus, dass es ihr Geburtstag ist. Zu ihrer großen Überraschung fordert er sie auf, einen Wunsch zu äußern; ganz gleich welchen, er könne ihn erfüllen. Aber, so warnt er sie, einmal ausgesprochen, könne sie ihn nicht mehr zurücknehmen.

Jahre später erzählt sie einem Freund von der Begegnung. Ihren ungewöhnlichen Wunsch verrät sie nicht, doch sie fragt sich, ob ein Wunsch so stark sein kann, dass er einen selbst und den Verlauf des eigenen Lebens fortan verändert.

 

 

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HARUKI MURAKAMI, 1949 in Kyoto geboren, lebte über längere Zeit in den USA und in Europa und ist der gefeierte und mit höchsten Literaturpreisen ausgezeichnete Autor zahlreicher Romane und Erzählungen. Sein umfangreiches Werk erscheint bei DuMont, zuletzt ›Von Beruf Schriftsteller‹ (2016).

 

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KAT MENSCHIK, 1968 geboren, lebt als freie Illustratorin in Berlin und im Oderbruch. Ihre Zeichnungen erscheinen regelmäßig in der F. A. S. Für DuMont illustrierte sie ›Schlaf‹, ›Die Bäckereiüberfälle‹ und ›Die unheimliche Bibliothek‹ sowie Ernst H. Gombrichs ›Eine kurze Weltgeschichte für junge Leser‹.

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MIT ILLUSTRATIONEN VON
KAT MENSCHIK

 

AUS DEM JAPANISCHEN VON URSULA GRÄFE

 

 

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Eine Erzählung

 

 

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Ein Nachwort von Haruki Murakami

 

 

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An ihrem zwanzigsten Geburtstag arbeitete sie wie jeden Freitagabend als Kellnerin. Allerdings hätte sie sich an diesem Freitag lieber freigenommen, zumal das andere Mädchen, das in dem Restaurant jobbte, sogar bereit gewesen wäre, mit ihr zu tauschen. Vom Koch angebrüllt zu werden und Kürbis-Gnocchi und frittierte Meeresfrüchte zu den Tischen der Gäste zu schleppen, entsprach nicht gerade ihrer Vorstellung von einem Geburtstag. Leider lag ihre Kollegin mit einer Grippe im Bett und konnte, da sie fast vierzig Grad Fieber und Durchfall hatte, unmöglich für sie einspringen. So kam es, dass sie kurzfristig doch selbst antreten musste.

»Macht doch nichts«, hatte sie die Kollegin getröstet, als diese sie anrief, um sich zu entschuldigen. »Auch wenn es mein zwanzigster Geburtstag ist, hatte ich sowieso nichts Besonderes vor.« Tatsächlich war sie gar nicht sehr enttäuscht. Der Hauptgrund dafür war der grässliche Streit, den sie vor ein paar Tagen mit ihrem Freund gehabt hatte, mit dem sie seit der Oberschule zusammen war. Normalerweise hätte sie diesen Abend mit ihm verbracht. Auslöser war eine Lappalie gewesen, doch ein Wort hatte das andere gegeben, und eine heftige Auseinandersetzung war entbrannt, in deren Verlauf – sie spürte es genau – ihre lange Beziehung unwiderruflich zerbrochen war. In ihrem Inneren hatte sich etwas versteinert und war abgestorben. Er hatte sie seither nicht mehr angerufen, und auch sie verspürte nicht die geringste Lust, sich bei ihm zu melden.

Das italienische Restaurant, in dem sie arbeitete, war eines der bekannteren in Roppongi. Die Gerichte, die in dem seit Mitte der Sechzigerjahre bestehenden Lokal serviert wurden, waren nicht gerade der letzte Schrei, aber da die Küche sehr solide war, bekamen die Gäste sie nicht über. Es herrschte eine entspannte und unaufdringliche Atmosphäre, und die Mehrzahl der Kunden war schon älter, unter ihnen – dem Ambiente entsprechend – auch einige bekannte Schauspieler und Autoren.

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